⏳IX - Aidan⏳

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Sie war zurück.
Das leise Piepen und die purpurne Kurve auf dem Hologramm, die einen tiefen Grünton annahm, begleiteten ein geräuschvolles Aufatmen Levias.
Aidan wandte den Kopf und ließ ein leichtes Lächeln über sein Gesicht tanzen, als sich der blonde Kopf über den Rand des iQasters schob.
"Das war..." Sie suchte krampfhaft nach Worten, während er zwei kurze Befehle eintippte und die Ergebnisse zwischenspeicherte. In ihm stieg goldene Hochstimmung auf... er hatte alles erreicht. Jetzt stand ihm nichts mehr im Wege.
"Überwältigend?", schlug er ungewohnt beschwingt vor.
"Nein. Es war..." Sie erschauderte. "Irgendwie beängstigend. Auf eine gute Art."
Ihm entwich ein Schmunzeln. "Das müssen Sie jetzt näher erläutern."
Während Levia mit weit ausholenden Gestiken nach den passenden Worten suchte, jagte er die vielversprechenden Datein durch einige Verschlüsselungsprogramme.

"Es war... leer dort. Und trotzdem waren überall die Bilder. Sie waren... in mir. Obwohl ich nicht wirklich da war, verstehen Sie?"
Sie wirkte komplett aufgelöst, als wäre ihr Anker zur Realität in der Traumwelt zurückgeblieben. Ein beinahe unsichtbares Blinzeln zeigte Aidan ihre nach außen gerichteten Handflächen, er erfasste den Rhytmus ihrer zitternden Schenkel und gelangte rasch zu dem Entschluss, dass zumindest ein Teil ihrer äußerlich-inneren Konfusion tatsächlich real war.

"Konnten Sie Farben wahrnehmen?", erkundigte er sich scheinbar hoch interessiert, obgleich er die Daten ihrer Wahrnehmung auch über die Geräte hätte abrufen können. Doch der winzige Tick der Verzögerung, der so viele andere Menschen begleitete, sobald sie logen, war seine größte Schwäche... er suchte in ihrer Mimik nach dem Umschwung, seit sie den Massen der Gala entgangen waren, doch es war ihm erst vier Mal gelungen, ihre tatsächlichen Gedanken zu isolieren. Untentschlossenheit. Neugierde. Bewunderung. Furcht.
Doch dieses Mal brach sich sein Blick an ihrer Fassade. Ein irrer Drang nach Gelächter erfüllte seine Kehle...
Sie bildete sich tatsächlich ein, ihn kontrollieren zu können.
Niemand konnte ihn kontrollieren. Nicht jetzt. Nicht in diesem Leben.

"Farben?" Levia runzelte die Stirn und legte leicht den Kopf schief. "Ich..." Ihr Gesicht verschloss sich vor dem dunklen Schatten, der darüber hinweghuschte wie ein düsterer Bote. "Nein."
"Nein", wisperte er und musterte eindringlich ihre Hände... die Finger zitterten noch nicht einmal. Diese Frau hatte eine Ausbildung aus bestem Hause genossen.

Sein Kopf zog rasche Rückschlüsse. Wenn sie tatsächlich die Schule besucht hatte, an die er dachte, musste ihre Beobachtungsgabe unfassbar ausgeprägt sein...
Dieses Labor war kein Ort für Menschen, die sehen konnten.
"Der Scurio begleitet Sie vor die Tür, ich komme gleich nach."
Harte Worte, weicher Ton.
Auf ihrer Stirn erschien eine seichte Kluft, doch ihre Augen huschten über sein ernstes Gesicht und lasen den Befehl heraus.

Sie nickte knapp und hob das Kleid auf. Es floss in bronzenen und weißen Kaskaden über ihren Arm.
Einem plötzlichen Impuls nach richtete er sich noch einmal auf.
"Levia?"
Sie wandte ihm ihr ausdrucksloses Gesicht zu.
"Schwarz steht Ihnen. Sie sollten öfter etwas Normaleres tragen."
Einen Moment lang zuckte ein Muskel an ihrer Wange, aber dann zauberte sich ein winziges Lächeln auf ihr Gesicht.

Die Daten waren Gold wert.
Er konnte sich kaum ausmalen, was für außergewöhnliche Dinge dieses Gehirn leisten konnte... er brauchte Röntgenbilder. MRT. Am allerbesten ein paar Proben.
Wenn es mehre wie sie gab, dann gefährdeten sie womöglich das gesamte Projekt. Aber diese... diese Möglichkeiten...
Man konnte es nutzen. Alles optimieren... die Zugänge auf diese neuen Vernetzungswege legen... Magnetismus war der Schlüssel.
Sie würde der Schlüssel sein.
Er brauchte sie.

Die Entscheidung fiel wie seine anderen.
Allein. Wohlüberlegt. Und bedingungslos.
Aidan lud geistesabwesend die verschlüsselten Dateien auf seinen iQaster und löschte rasch alles, was auf dem Laborcomputer zwischengespeichert war. Er arbeitete zügig und geübt- umladen. Spuren verwischen. Einzelarbeit. Wie immer.
Seine Gedanken schwebten ungefasst durch seinen Kopf, solange er anderweitig beschäftigt war, doch ein Gitter aus Plänen würde sich augenblicklich formen, sobald er seine Energieströme darauf konzentrierte. Dessen war sich Aidan Morpheus Horlan sicher.
Und dann traf er seine restlichen Vorbereitungen.

MorpheusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt