Kapitel 32

457 18 7
                                    

Das Leiden, das ich bisher gespürt hatte, war gar nichts gewesen bis zu dem Moment, in dem die anderen alle den Raum betraten. Jede Sekunde, in der ich in meinem eigenen Körper gefangen waren, war die reinste Folter und es wurde jede Sekunde schlimmer.

Thomas sah mich mit einer solch starken Liebe an, dass es mir das Herz zeriss, da ich nicht bei ihm sein konnte. Ich musste es tun, ich liebte ihn einfach so sehr, die Liebe zu ihm musste doch stärker als Nicolas sein. Meine Liebe war so stark, sie musste das schaffen! Ich musste bei ihm sein, ich konnte das nicht ertragen, wenn ich wüsste, dass sein Leiden mit meinem Verlust noch weitergehen würde.

Es war nicht nur der Egoismus von mir, dass ich mit ihm zusammensein musste, es ging mir auch vor allem um ihn. Ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn ich wüsste, dass er für immer verloren sein würde und das konnte ich mir für ihn gar nicht vorstellen. Das durfte nicht passieren! Aber was sollte ich dagegen machen?

Als Nicolas und Thomas sich noch eine Weile geküsst hatten und ich wirklich kurz davor stand, mich zu übergeben, hatten sie sich endlich gelöst und dann hatte Thomas sein Herz ausgeschüttet, wie es für ihn all die Zeit gewesen war und ich war noch ein weiteres Mal innerlich gestorben. All das, was er durchgemacht hatte wurde haargenau, bis ins kleinste Detail beschrieben und für mich war es, als würde ich all das mit durchmachen und in gewisser Weise kam ja genau das jetzt auf mich zu. Er wusste nicht, dass ich es nicht war. Er dachte, ich hätte ihm das Messer in den Körper gerammt und die ganze Sache mit den Passagieren wäre Geschichte. Ich glaube, ich wollte auf der einen Seite auch gar nicht, dass er wusste, wie präsent es ist.

Und nun waren die anderen auch hier: Bonnie, Caroline, Damon, Stefan und Matt. Bei ihnen war es allerdings so, dass ich gleich in der ersten Sekunde, in der sie mich ansahen, wussten, was passiert war. Sie sahen es an meinem Blick, der Thomas vor lauter Aufregung wahrscheinlich entgangen war. War auch verständlich. Doch mich graute es bei dem Gedanken, es ihm zu sagen.

„Nicolas! Willst du jetzt auch noch deine beste Freundin zerstören?!", giftete Damon, stürmte auf mich zu und holte zu einer Ohrfeige mit Vampirgeschwindigkeit aus. Okay, so konnte er es ihm auch mitteilen! Wie konnte er denn nur so herzlos sein? Die Ohrfeige traf mich mit voller Kraft, denn ich spürte all das, was Nicolas auch spürte, beziehungsweise unser Körper. Meine Wange brannte wie Feuer und es war, als hätte man mir einen Baseballschläger an den Kopf geschlagen. Solch eine Kraft hatten Vampire also. Und ich war mir auch sicher, dass Damon nicht all die Kraft, die er hatte, an Nicolas ausgelassen hatte, da er Angst hatte, dass er meinen Körper zu sehr schaden könnte. Wenigstens etwas, an das er dachte.

„Hast du das gerade wirklich gesagt? Sag, dass das nicht wahr ist!" Thomas war auf Damon zugestürmt und hatte ihn an den Schultern gepackt und an die Wand gepresst, wo er ihn mit einem hochroten Kopf anschrie. Oh nein! Jetzt war er noch zerstörter als vorher! Wenn Damon es jetzt nicht einfühlsam versuchen würde, schwor ich mir, dass er das zu spüren bekommen würde, ich würde mir einen Weg überlegen, wie und sonst könnte ich aud Caroline zählen, dass sie es ihm Heimzahlen würde.

Thomas hatte noch nicht mal seine Freunde begrüßt, die er so lange nicht gesehen hatte, er hatte sie nicht heulend in die Arme geschlossen, wie ich das erwartet hatte, sondern er hatte sich wie eine Furie auf Damon gestürzt und musste wissen, was mit mir los war. So sehr liebte er mich also. Er stellte meine Sicherheit über alles andere. Nun fühlte ich mich auf der einen Seite besser, da ich seine Liebe wieder bestätigt bekommen hatte, aber dennoch auch wieder schlechter, da ich wieder an die Realität erinnert wurde.

„Es tut mir leid, Thomas. Sie hat das getan, um dich zu retten. Hat all die Gefahr auf sich genommen, hatte vor, deinem Traveller das Messer hineinzurammen, doch sie hatte es nicht geschafft, all das einfach zu Ende zu bringen. Kai hatte das eingeplant und nun dafür gesorgt, dass Nicolas bei May im Körper ist, den wir leider nicht entfernen können, da May ein Mensch ist und sie das ebenfalls nicht überleben würde. Es tut mir so unendlich leid, Thomas!"

Er sah mich an und ich konnte sehen, dass nun alles zerstört war, was ihm etwas bedeutete. „NEIN!", schrie er aus Leibseskräften, schlug und trat gegen die Wand und sah mich dann wieder an, ich konnte selbst auf die Entfernung die Tränen in seinen Augenwinkeln sehen. Ich starb fast, da es mich so mitnahm, dennoch merkte, wie sehr Nicolas das genoss. Er war der grausamste Mensch, den ich kannte. Dieser Dreckssack!

„May, ich weiß, dass du mich hörst. Es tut mir so leid! Ich kann es nicht verkraften, dass du dein Leben für meines geopfert hast. Sie haben gewonnen, mein Leben wird ohne dich nicht mehr weitergehen! Wir werden uns an einem besseren Ort wiedersehen! Niemand kann mich aufhalten! Ich liebe dich mehr als alles andere und für mich ist es nur eine Erholung, wenn ich an einem besseren Ort bin, an dem ich an die wenigen, aber dennoch wichtigsten Momente in meinem Leben, die, die wir zusammen verbracht hatten, erinnern kann. Bitte sei nicht traurig, es ist die einzige Lösung!"

Das löste etwas so starkes in mir aus, dass ich in einer Sekunde das Gefühl hatte, es zu schaffen, die Oberhand zu gewinnen und Nicolas zu besiegen. Wenigstens für ein paar Sekunden. Die mir aber reichen würden.

Ich war so getroffen, dass ich momentan gar nicht denken konnte, ich musste einfach schreien, doch das konnte ich nicht! Mein Herz war am Zerreißen, ich konnte meine Qualen nicht in Worte fassen und ich wusste, es würde lange dauern, das alles zu registrieren und dann noch mehr zu leiden. Doch eines wusste ich: Ich musste alles tun, um zu verhindern, dass Thomas sich umbrachte.

Ich hielt es in der Hand. Das Messer. Ein paar Sekunden hatte ich die Kontrolle gehabt. Und nun nutzte ich meine letzte Sekunde der Kontrolle: Ich rammte es mir mitten in den Körper. Löschte so Nicolas' Leben für immer aus.

Und meines ebenfalls.

Uninvited guests [TVD/ Thomas Sangster]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt