Kapitel 10

895 43 0
                                    

Die Stimmung war am gesamten College angespannt. Die Gespräche, die hier überall immer stattfanden, die Tratscherei, war völlig zum Erliegen gekommen, als ich mich nachmittags in die Sonne auf eine Bank gesetzt hatte. Da Nicolas heute auch nicht bester Laune war, hatte ich ihn einfach auf seinem Zimmer gelassen. Es war vielleicht auch mal ganz gut, wenn ich ein bisschen Zeit für mich alleine hatte und einfach nur ein Buch lesen könnte.

Von Thomas hatten mittlerweile weder ich noch die anderen etwas gehört und das machte mir ehrlich gesagt, sehr große Sorgen. Ich wusste, das klang verrückt, aber was war, wenn er auf dem Weg hierher auch von diesem Raubtier angefallen worden war und sie ihn noch nicht gefunden hatten. Nein! Daran durfte ich gar nicht denken! Das war vollkommen ausgeschlossen!

„Hallo, May, ich habe hier einen kleinen Ausreißer mitgebracht", riss mich eine Stimme aus meinen Gedanken, die ich ausnahmsweise nach einer ganzen Zeit auch mal meinem Buch widmen konnte. Ich blickte in die huskyblauen Augen von Damon Salvatore. Was zur Hölle machte er denn hier? Es war ein ganzes Stück von Mystic Falls hierher, wenn er etwas sagen wollte, hätte er auch einfach anrufen können. Da musste schon etwas Wichtiges passiert sein. Hatte es etwas mit der Attacke zu tun?

„Hey, May", ließ mich eine andere Stimme stutzig werden. Sie gehörte zu Thomas. Er war hier! Ich wusste zwar nicht, wo er jetzt auf einmal herkam und wie Damon ihn aufgegabelt hatte, doch die Tatsache, dass er nicht dieser Bestie zum Opfer gefallen war und hier in Sicherheit war, ließ mein Herz schneller schlagen. Ich hatte mir solche Angst um ihn gemacht.

„Was ist passiert?", fragte ich Damon, während ich meinen Blick nicht von Thomas abwenden konnte. Es war, als müsste ich ihn einscannen, ich sog seinen Anblick in mir auf und genoss es, wieder in Gedanken daran abdriften zu können, welches Gefühle seine Lippen bei mir immer verursachten.

„Er war die ganze Zeit zu Hause gewesen, hat er gesagt. Ihm geht es wohl gar nicht gut, es kommt mir vor, wie wenn der Gute hier ein bisschen depressiv ist. Das ist gar nicht typisch für ihn. Ich habe ihn hier hinverfrachtet, momentan konnte ich ihn nicht sich selbst überlassen, aber er kann sich auch nicht vor seinen Pflichten drücken. Ich muss schnell die anderen aufsuchen, mit ihnen muss ich dringend etwas besprechen. Aber ich glaube, das ist für euch kein Problem. Für Thomas wird es sicherlich jetzt am besten sein, wenn er mit dir alleine ist und du bist auch sicherlich froh, mit ihm alleine zu sein. Ich komme bald wieder."

Damon schob Thomas neben mich auf Bank, wie wenn ich eine Hundesitterin sein würde und er seinen Hund abschieben würde. „Damon, warte!", rief ich noch, bevor er sich auf den Weg zu den anderen machte. Ich fühlte mich zwar ein bisschen ausgeschlossen, wenn er mit den anderen etwas besprach, bei dem ich nicht dabei war, doch ich war noch umso glücklicher, dass ich eine Weile mit Thomas alleine war.

„Danke", sagte ich, als er eine Sekunde innehielt. Damon nickte mir zu und machte sich dann auf den Weg zu den anderen. Ich wandte mich Thomas zu, bei dessen Anblick mein Herz anfing, zu rasen. Ich war so froh, dass er hier bei mir war.

***

Da diese 'Besprechung' der anderen wohl etwas länge zu dauern schien, hatten Thomas und ich es uns zusammen auf der Bank gemütlich gemacht. Ich hatte ihn noch gar nicht weiter befragt, denn ich merkte ihm an, dass er wegen irgendetwas sehr geknickt war, er war so still und suchte unnormal oft die Nähe zu mir. Alle paar Sekunden legte er seine Lippen auf meine und fing an, meine Wange, meine Haare und meinen Nacken zu streicheln. Es war kein fordernder Kuss, er war ganz zärlich und ich genoss es mit jeder Faser meines Körpers. So, wie er mich heute küsste, hatte er es noch nie getan, doch ich musste zugeben, dass es mir viel besser gefiel. Ich konnte meinen Emotionen freien Lauf lassen, das Herz spüren, das unaufhörlich gegen meinen Brustkorb hämmerte, die Schmetterlinge in meinem Bauch, die ihren Freudentanz aufführten und das Kribbeln meiner Lippen, wenn er seine Lippen meine berührten. Ich hatte wirklich starke Gefühle für Thomas entwickelt und ich wusste, dass sie sich auch nicht ändern würden. Ich wollte für immer dieses Gefühl haben, das er in mir auslöste.

„Was ist das jetzt eigentlich zwischen uns genau?", fragte ich ihn, als ich meinen Kopf auf seiner Schulter liegen hatte und die Wärme der untergehenden Sonne genoss, die mein Gesicht wärmte. „Ich schätze mal, dass wir zusammen sind. Ich meine, wenn ... wenn es dir nichts ausmacht." Ich grinste ihn breit an, während mein Kopf diese Worte realisierten. Nein, ich hatte nicht das Geringste dagegen, besser konnte es nicht laufen.

Als Antwort gab ich ihm einen sanften Kuss.

„Du weißt schon, dass du mir den Schrecken meines Lebens eingejagt hast", gestand ich und ich spürte wie Thomas neben mir zusammenzuckte. Sofort spürte ich den Stich der Schuld, weil ich ihn wohl überfordert hatte. Es musste wohl wirklich etwas Schlimmes passiert sein, dass er heute so mitgenommen war. So kannte ich und so kannten auch die anderen ihn nicht.

„Es ging mir einfach nicht gut. Ich habe glaube ich sogar für mehrere Stunden das Bewusstein verloren, das hat mich völlig mitgenommen. Ich konnte einfach mit niemandem reden. Es tut mir so leid, May, es hatte nichts mit dir zu tun und hätte ich mich zu irgendetwas durchringen können, hätte ich dich angerufen, das musst du mir glauben. Du bedeutest mir wirklich viel."

Oh ja, er bedeute mir auch viel. Sehr viel. Und trotz der Tatsache, wie ich mich den ganzen Tag gefühlt hatte, konnte ich ihm einfach nicht böse sein.

„Weißt du, was Damon mit den anderen bespricht?", fragte ich ihn, was Thomas mit einem Kopfschütteln quittierte. „Ich weiß momentan fast gar nichts. Nur, dass ich bei dir sein will und glücklich bin, dass ich das auch bin. Und dass du meine Kette trägst." Mit geröteten Wangen ließ ich meine Hand über die Kette streichen. Sie war beinahe schon ein Teil von mir geworden.

Ich war zwar froh, dass Thomas in Sicherheit war, doch ich fragte mich, was man nun unternehmen sollte, da dort draußen ja ein wildes Tier sein Unwesen trieb.

Uninvited guests [TVD/ Thomas Sangster]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt