Kapitel 30

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Ich wurde in dieser Position gehalten, bis ich das Gefühl hatte, zu sterben. Ich bekam nicht richtig Luft, denn ich traute mich nicht, richtig zu atmen, denn das Messer wurde mir an den Hals gehalten. Ich hatte Angst, dass es in meine Haut schneiden würde und ich dann noch mehr Schmerzen erleiden würde. Ich konnte auch nicht mehr stehen, denn Nicolas hielt mich in einer solch unnatürlichen Position, in der es einfach nur weh tat, sich so zu halten und nicht bewegen zu können. Ich konnte einfach nicht mehr, ich hatte Panik und konnte nichts tun. Es hatte nicht geklappt, das, vor dem ich so Angst gehabt hatte, war eingetreten und ich war nun in seiner Gewalt, denn ich hatte verloren. Mein Plan war schief gelaufen und ich hatte all die Macht, die ich gehabt hatte, verloren. Was passierte nun? Er konnte mich doch nicht auf ewig hier festhalten und einfach nichts machen.

Wo waren die anderen? Hatten sie nicht bemerkt, dass ich verschwunden war und dass ich all die Zeit über nicht mehr aufgetaucht war? Das war doch nicht normal für sie, sie waren doch sonst immer so aufmerksam! Ich verstand es einfach nicht! Doch es konnte ja auch sein, dass sie schon versucht hatten, mir zu Hilfe zu kommen und es einfach nicht schafften, da Kai ihnen in die Quere gekommen war.

„Guten Tag, meine werte May. Es freut mich zu sehen, dass du noch so frisch aussiehst. Ich hätte mir vorstellen können, dass du noch etwas bleicher wärst, aber diese Gesichtsfarbe steht dir gar nicht so schlecht", hörte ich Kais Stimme und nun auch das Geräusch von der Tür, die aufschwang und den Luftzug, den es mit sich brachte.

Ich hörte an den Fußschritten, dass Kai nicht alleine war, den Schritten nach zu urteilen, war es eine Frau, die ihm begleitete. Was hatten sie denn nun vor? Was wollten sie von mir? Sie hatten das Messer und die volle Gewalt über mich, dann könnten sie mich doch einfach in Ruhe lassen. Ich konnte und würde ihnen doch gar nichts antun. Ich hatte einfach nur Angst. Ich tat nichts! Ich kam mir vor wie das kleine ängstliche Mäuslein, das sich von allen herumschubsen ließ.

„Nicolas will nun einmal etwas Neues entdecken. Alle wissen, dass Thomas sein Wirtskörper ist und suchen nach ihm, um ihn zu entfernen. An dich, liebe May, wird niemand denken, deswegen bist du das perfekte neue Opfer. Herzlichen Glückwunsch, bald wird das Leben nicht mehr langweilig für dich und du bekommst deinen Gast. Du lebst doch sowieso mit deinem besten Freund Nicolas in einem Haus und nun könnte man sagen, dass ihr euch noch auf sehr viel engerem Raum befindet. Es wird zu machen sein für dich, May, du bist stark. Ich wünsche dir viel Spaß!"

Kai lachte sein typisches Lachen und kam mit dem Mädchen, wie ich auch vermutet hatte, auf mich zu und stellte sich mit verschränkten Armen vor mich. Er nickte dem Mädchen zu, die mich daraufhin ansah und auf mich zutrat und ihre Hände an meinen Kopf legte.

Als sie anfing, zu sprechen, eine Sprache von der ich noch nie etwas gehört hatte, hatte der Schmerz schon eingesetzt und das einzige, das ich merkte, war, dass ich kein Messer mehr an meinem Hals hatte und trotzdem fast vor dem Zusammenbrechen stand. Ich konnte nichts mehr sehen, nicht mehr denken, ich hatte solche Schmerzen.

Sie war eine Hexe! Sie verzauberte mich gerade, sprach einen Zauberspruch auf mich. Sie würden es wirklich tun, ich hatte nicht verstanden, was Kai gemeint hatte, doch nun verstand ich es, dass der Traveller Nicolas nun in mich gehen würde und ich sein neuer Wirt sein würde. Jetzt musste ich all das durchmachen, was Thomas durchgemacht hatte. Ich hatte Angst, panische Angst, doch ich musste auch daran denken, dass Thomas nun frei war. Er würde wieder er selbst sein können und das tun können, was er wollte. Das Leiden hatte für ihn ein Ende. Einfach so. Doch zusammen konnten wir dennoch nicht sein! Ich war nun die Gestrafte und musste Abstand zu ihm wahren, damit Nicolas ihn nicht verletzte. Er würde das ausnutzen und ihm alles antun, was Thomas nicht ertragen würde. Wahrscheinlich würde er mich sogar noch verletzen, damit Thomas leiden würde.

Ich hatte ein großes Problem: Ich war ein Mensch, was bedeutete, dass ich sterben würde, wenn man mir das Messer in den Körper rammen würde. Man musste es nämlich so tief in den Körper rammen, dass es eigentlich nicht weiter ging. Und das wäre dann automatisch mein sicherer Tod. Ich könnte nie mehr mit Thomas zusammen sein. Mit ihm glücklich sein. Das konnten wir vergessen. Nichts konnten wir tun, damit wir zusammen sein könnten.

Erst, wenn ich tot wäre und er irgendwann auch, dann könnten wir an einem anderen Ort zusammen sein. Mein Leben war nun gelaufen und jegliche Hoffnung auf eine Beziehung zwischen uns auch. Es war vorbei. Ich könnte ihn nie mehr küssen. Nie wieder seine Luft einatmen können und ihn berühren können, während ich auf meinen Herzschlag hörte, der immer schneller wurde und nicht mehr langsamer werden wollte.

Nie mehr könnte ich glücklich sein und ihn lieben können, wie ich das wollte und wie er es wollte. Ich könnte nicht genießen, was die Zukunft bringen würde. Keine gemeinsamen Erinnerungen mit Thomas haben können, Tage, die wir zusammen verbracht hatten und unsere gemeinsamen Insider. All das konnte ich vergessen.

Doch wenn ich daran dachte, dass ich, wenn ich leiden würde, ihn dafür die Freiheit schenkte, nahm ich es in Kauf. Er würde sein Leben leben können, tolle Sachen unternehmen und die Zeit, die er verpasst hatte, wieder aufholen. Ich hatte ihn dann gerettet, wenn er nun frei sein würde. Ich tat es, zwar nicht freiwillig, doch eigentlich hätte ich mich dafür bereitstellen müssen.

Ich liebte ihn so sehr, mehr als alles andere auf der Welt. Tschüss, Thomas! Ich liebe dich, wir werden uns irgendwann wiedersehen und zusammen sein können, das verspreche ich dir.

Ich wurde ohnmächtig, ich konnte noch wissen, was passierte, aber dennoch war ich wach, als Nicolas die Kontrolle von mir übernahm.

[Du hast hier jetzt nichts mehr zu melden, May. Das Leben ist für dich gelaufen!], sprach er in meinem Kopf.

Uninvited guests [TVD/ Thomas Sangster]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt