11. Kapitel

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Als mir jemand eine Hand auf die Schulter legte, schreckte ich aus meinen Gedanken heraus. Aufgelöst schaute ich in Delancys mitfühlendes Gesicht.
„Was war das denn?", brummte Aiden, worauf die anderen bloss mit den Schultern zucken konnten. Ich musste mich schrecklich zusammenreissen, damit mir nicht die Tränen in die Augen schossen. Natürlich wusste ich, dass Ethan es nicht leicht hatte, dass er es noch nie leicht gehabt hatte. Aber trotzdem tat es weh, so von ihm behandelt zu werden. Fragend wandte ich mich an Jacob: „Hast du eine Ahnung, was mit ihm sein könnte?" - „Weshalb sollte ich? Ich bin nicht sein Babysitter!", gab Jacob gereizt zurück, worauf auch ich wütend wurde. „Nein, aber du bist sein bester Freund!"
Jacob kam drohend einige Schritte auf mich zu, doch er kam nicht weit, da Meik ihm seinen Arm auf die Brust legte und er nicht mehr näher kommen konnte. „Wir sind nicht wie ihr Frauen, die sich alles erzählen. Wir kommen auch ohne Hilfe klar." Mit diesen Worten drehte er sich um und ging denselben Weg nach draussen, wie es Ethan bloss einen Augenblick zurvor getan hatte. Was war denn heute mit allen los?

Harper räusperte sich. „Nunja. Es dauert noch ganz schön lange, bis der Unterricht weitergeht. Wollen wir vielleicht, noch etwas an die frische Luft gehen? Wir kennen uns schliesslich noch nicht so gut und wenn wir eine Gruppe gründen wollen, wäre es an der Zeit dies zu ändern." Während sie das sagte, entging mir nicht, wie sie kurz zu Aiden hinüberschielte, der - typisch Mann - nichts davon mitbekam.
Ich versuchte zu lächeln und war dankbar für den schnellen Themawechsel. „Hört sich gut an."
Auch die restlichen Jungs nickten zustimmend und zusammen gingen wir den Korridor herunter an die frische Luft. Während wir gingen fiel ich etwas zurück und dachte über Ethans Verhalten nach. Er war nicht zum ersten Mal so seltsam zu mir. Als sein Vater ihn angerufen hatte, weil ich angeblich mit Rylie durchgebrannt sein sollte, war er auch so. Schon da hatte er mich angefahren, obwohl er mich dieses Mal ja eigentlich nicht angeschnauzt hatte. Wohl eher links liegen lassen. Das traf es eher.

Mason stellte sich zu mir und legte mir dabei seinen Arm um die Schultern. Traurig lächelnd schaute ich zu ihm hoch.
„Mach dir keine zu grosse Gedanken darüber, Schwesterherz. Vielleicht hat Ethan wieder Stress mit seinem Alten. Du kennst ihn ja. Wahrscheinlich sogar besser als sonst einer von uns." Flüsternd fügte er noch hinzu: „Und ich bin nicht sicher, ob ich das so gut finden sollte."
Darauf wusste ich nichts zu antworten. Eigentlich wusste ich schon etwas, aber ich konnte ihm schlecht sagen, dass ich es definitiv nicht gut fand, Ethans Vater so gut zu kennen.
„Na, kommt schon, ihr Schnecken! Das ist ja katastrophal! Und so etwas nennt sich eine sportliche Familie!", brüllte Meik zu uns herüber. Die anderen lachten und liessen sich auf den Bänken nieder.
„Ihr setzt euch doch hin! Da holen wir euch auch ein, ohne uns zu beeilen", meinte ich augenverdrehend, doch Meik liess sich nicht so leicht abwimmeln. „Wenn ihr so weiter macht, dann sind wir auch sitzend schneller als ihr!"
Ich lachte und schüttelte den Kopf.
Als wir bei den anderen angekommen waren, stellte Meik sich auf Masons andere Seite und schlug ihm auf die Schulter. „Na geht doch, mein Gebärmutterteiler", stichelte er. Die Jungs lachten, die Mädchen sahen mich irritiert an und ich vergrub mein Gesicht kurz in den Händen. Ging es noch schlimmer? 'Gebärmutterteiler?!' Der hatte manchmal wirklich noch einen grösseren Dachschaden als Dylan!
„Zwillinge", meinte ich entschuldigend und die Mädchen nickten. Ich konnte ihnen ansehen, dass sie dennoch keinen Schimmer hatten, was da gerade vor sich ging. Also half ich ihnen noch etwas mehr auf die Sprünge: „Sie mussten sich leider einen IQ teilen, deshalb die niedrige Intelligenz." Ich zuckte die Schultern und Mason pieckste mir in die Seite. Meik ging um uns herum an meine andere Seite und versuchte mir einen Schlag auf den Hinterkopf zu versetzten, doch ich konnte gerade noch rechtzeitig den Kopf einziehen. Chloe kicherte. „Und wie kann man euch beide auseinanderhalten?", fragte sie an meine Brüder gewandt.
Bevor irgendjemand etwas hätte antworten können, meldete ich mich wieder achselzuckend zu Wort: „Naja... Einer ist dümmer als der andere."
Darauf musste ich so heftig lachen, dass ich mich krümmte. Auch die anderen auf den Bänken prusteten laut los.
„Lauf!", befielen mir die Zwillinge synchorn, was ich mir nicht zweimal sagen liess. Sofort spurtete ich los und merkte erst zu spät, dass es nicht die beste Idee war um einen Baum zu rennen, wenn man von zwei Personen verfolgt wurde. Folglich rannte ich volle Kanne in Meik, der mich über seine Schulter warf, als wäre ich so schwer wie ein Keks. Mit mir über der Schulter marschierte er zurück zu den anderen. Mason tat auf beleidigt, weil sein Zwilling mich zuerst erwischt hatte und ich? Ich baumelte hin und her, hin und her... Was eine beruhigende Wirkung gehabt hätte, hinge ich nicht kopfüber über dem Hintern meines Bruders.
Sogar als wir wieder bei unseren Freunden standen, machte er keine Anstalten, mich wieder auf die sichere Erde zu stellen.

„Ähm... Hallo? Kleine süsse Schwester an seltsamen grossen Bruder? Ich habe Füsse. Die wollen auf den Boden. Jetzt. Bitte!", bemühte ich mich meine Bitte so klar wie möglich auszudürcken.
„Nö."
Ich stöhnte frustriert auf. Sein Ernst?
„Na gut. Du bist der, der mit der Zeit müde wird. Ausserdem geniesse ich hier einfach mal meine Aussicht", versuchte ich eine neue Strategie und schlug ihm auf den Hintern.
„Ich weiss nicht, ob ich darüber froh sein sollte oder doch eher beängstigt", bemerkte Meik, worauf ich irritiert die Augenbrauen zusammen zog. „Weshalb solltest du denn darüber froh sein?" Ich verstand gar nichts mehr und auch wenn ich mich ihn meinen Bruder hineinversetzte - oder es zumindest versuchte -, wurde ich aus diesem Wesen nicht schlau.
„Also wenn du meine Aussicht geniessen kannst, dann bedeutet das, dass du eine gewisse andere Aussicht nicht besonders oft zu Gesicht bekommst." Ich hörte, wie die anderen verzweifelt versuchten sich nicht über uns totzulachen.
Ich verstand jedoch nur noch weniger als vorher. „Hör auf in Meik-Rätseln zu reden! Ich verstehe rein gar nichts!"
Meik lachte (ich wusste, dass er es war, da sein ganzer Oberkörper debei bebte). „Und du hast eine Klasse übersprungen. War wohl die, in der man zweideutige Bemerkungen in den Wortschatz gebrannt kriegt, was?"
Sofort ging mir ein Licht auf und ich schlug mit Fäusten auf Meiks Hintern ein. „Verdammt, Meik! Musste das jetzt wirklich sein? Lass mich jetzt runter oder du hast gleich keine Hosen mehr an!", kreischte ich an der Grenze der Hysterie, bis er mich endlich abstellte.
„Och, wie süss! Du bist ja ganz rot geworden!", neckte er mich und piekte mich in die vor Scham gerötete Wange. „Das ist bloss, weil ich so lange kopfüber über deiner Schulter gehangen bin", log ich und schürzte die Lippen, als die allesamt Badboys losprusteten. Auch Harper hielt sich die Hand vor den Mund und lachte leise.
„Gut. Wir gründen also doch einen Club?", fragte ich mit der Absicht eines Themawechsels.
Die Mädchen nickten und ich wandte mich an Delancy. „Was brachte dich dazu, deine Meinung zu ändern? Du warst doch die ganze Zeit total dagegen."
Delancy zuckte die Achseln. „Ich habe es mir einfach anders überlegt", meinte sie trocken. Ich nickte.
Vorsichtig stupste Chloe sie mit dem Ellenbogen in die Seite und wies mit dem Kopf in meine Richtung. „Sag es ihr!", flüsterte sie, doch ich hörte es, wie vermutlich alle anderen, ebenfalls. Delancy schüttelte den Kopf und ich beschloss gar nicht weiter darauf einzugehen. Wenn es etwas Wichtiges zu erzählen gab, so würde sie es mir früher oder später schon von selbst sagen.
„Also. Was brauchen wir alles?", fragte ich.
„Population", meinte Roxie. „Die könnte ich euch per Schülerzeitung beschaffen. So wie Sympathie, die wohl im Moment vor allem Nati nötig hat. Sorry, Süsse." Zustimmend nickte ich. Die hatte ich definitiv nötig.
„Ein kreativer Name, vielleicht?", warf Madison ein, doch Chloe schüttelte den Kopf. „Am dringensten brauchen wir wohl einen Raum zum Proben. Mit Instrumenten und viel Platz imbegriffen. Das dürfte der schwierigste Punkt sein."
„Ihr braucht eine gute Playlist", meinte Aidan. Fragend sahen wir ihn an. „So wie Nati mir das erklärt hatte, sollte eure Gruppe eine neue Version der Cheerleader sein. Die Cheerleader sind nicht nur zum Anfeuern des Teams da, sondern sie unterhalten die Zuschauer. Dafür braucht ihr die richtigen Songs."
Das leuchtete natürlich ein.
„Schön. Sobald wir diese Punkte haben, können wir damit zu Mr Parker und hoffen, dass er uns absegnet", stellte ich zufrieden fest.
„Wie gesagt, kann ich einen Artikel in der Schülerzeitung verfassen", erinnerte Roxie.
„Ich habe eine Idee für einen möglichen Probenraum. Das kann ich also übernehmen", überlegte Chloe.
„Das ist gut!" Ich nickte lächelnd. „Wegen den Songs und dem Namen können wir uns alle Gedanken machen. Und", fügte ich hinzu, „vielleicht helfen uns die Jungs dabei?"
Meine Brüder begannen zu grinsen.
„Das sieht wie ein Ja aus. Ein sehr bängstigendes Ja", stellte Harper fest, die meine grinsenden Brüder musterte. Ich lachte, denn da konnte ich ihr nur recht geben.

Ich war wirklich zuversichtlich und freute mich über unser Vorhaben. Dass ich dabei Ethan vollkommen vergessen hatte und dass hinter seinem Verhalten wohl mehr als eine alberne Laune seines Dads oder von sich selbst steckte, erfuhr ich erst später. Und da war mit der guten Laune auch schon wieder fertig.

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Guten Abend, ihr Lieben! :D

Naja, irgendwie habe ich heute nichts besonders zu sagen, deshalb nehme ich euch nicht weiter eure Zeit und wünsche euch noch einen schönen Rest der Woche! :)

Eure CatGirl1313

Alive - Wie er mich am Leben hielt Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt