39. Kapitel

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„Und? Was sagt ihr?", fragte uns Dylan, nachdem das Video zu ende war.
Ich war sprachlos. Ohne zu übertreiben einfach nur sprachlos. Mir war bewusst, dass es nicht das beste auf Erden war, aber wir haben dies selbst gemacht und das war ein unbeschreibliches Gefühl.
„Ich finds richtig geil! Wenn wir damit nicht gewinnen, dann weiss ich auch nicht", meinte Derek grinsend.
„Das finde ich auch. Die Idee mit den Zwischenschnitten von Nati und den Plakaten mit Informationen ist wirklich genial, Harper. Man versteht sofort, was Sache ist", lobte Aiden, worauf Harper irgendetwas murmelte, das ich nicht verstand.
Delancy lachte auf. „Also ich finde ja, dass wir meine Schwester perfekt getroffen haben. Man kann die fies grinsen, so eine Schnepfe."
„Wüsste ich nicht, wie schlimm Tessa ist, wäre ich jetzt schockiert", lachte auch Oliver.
„Nati? Was sagst du dazu?", fragte Mason und legte mir seine Hand auf meine Schulter.
Ich lächelte ihn an. „Es ist unfassbar gut geworden. Das hätte ich gar nicht erwartet. Und der Song, Listen, der passt noch besser, als ich gedacht habe."
„Willst du mich verarschen? Du hattest gar nicht so grosse Erwartungen an diese Sache? Wir haben uns alle ein Bein dafür ausgerissen!"
„Delancy, klappe halten", fuhr Roxie sie an, um mich zu verteidigen.
Wieder musste ich  lachen. „So habe ich das gar nicht gemeint. Ich wusste, dass es mit eurer Hilfe wirklich gut werden würde, aber dass es so berührend wird, das hätte ich nicht gedacht."
„Sag mal, Nati. Wie konntest du nicht erwarten, dass es berührend ist? Unser Video handelt von einer Schwerkranken, die in der Schule deswegen verstossen wird. Das ist total traurig!", beschwerte sich Madison bei mir.
Darauf wusste ich kurz nichts zu antworten, bis mir ein kleines Licht aufging. „Auf mich wirkt es wohl einfach nicht so, weil ich ja euch habe, nicht wahr? Ihr habt mir geholfen und ihr steht mir zur Seite. Ich wüsste nicht, was ich ohne euch anstellen würde. Ganz ehrlich, Leute."
Roxie nahm mich von der Seite in den Arm. „Dafür sind Freunde doch da. Und so schnell wirst du uns auch nicht wieder los."

„Da wäre ich mir nicht so sicher", begann Delancy. „Also wenn ich die High School fertig habe, so werde ich so weit weg verschwinden, wie nur möglich. Damit das klar ist."
„Das ist nur halb so schlimm. Dich werden wir sowieso nicht vermissen", konterte Dylan und streckte ihr die Zunge heraus.
„Dich werde ich ganz bestimmt auch nicht vermissen, wenn es denn so weit ist, Idioten-Ocean", giftete sie zurück.
„Dir ist aber schon klar, dass ich vor dir mit der High School fertig werden oder?"
„So blöd wie du bist, wirst du wahrscheinlich noch ewig hier festsitzen."
Während ich nur den Kopf schüttelte, kassierte Delancy von Harper, Madison und Chloe bloss einen Klaps auf die Schulter oder das Knie.
Oliver beugte sich zu mir und flüsterte: „Keine Sorge. Wir wissen ja beide, dass sie sich in ihrem tiefsten Innern mögen."
Ich lachte, während Derek hinter mir einen Hustenanfall bekam. Jacob klopfte ihm auf den Rücken, um ihm zu helfen.
„Nicht auf den Rücken klopfen, das macht es nur noch schlimmer!", warnte Harper, worauf Jacob augenblicklich aufhörte. Nach einigen Augenblicken hob Derek die Hand, um zu signalisieren, dass es bereits wieder besser ging.
„Also noch einmal zum Mitschreiben", begann ich. „Wir müssen nur noch Mr Parker um Erlaubnis fragen, weil wir auf dem Schulgelände gefilmt haben. Unsere Mitschüler sind ja kein Problem mehr."
Die anderen nickten.
Dylan legte fragend die Stirn in Falten. „Warum sind unsere Mitschüler denn kein Problem mehr?", fragte er.
„Das erklär ich dir, wenn die anderen gegangen sind", antwortete ich und tätschelte ihm das Knie.

„Können wir jetzt endlich reingehen?", fragte Dylan ungeduldig, worauf ich ihm am Unterarm zurückhielt, damit er nicht das Sekretariat stürzte.
„Gleich. Wir müssen noch auf Roxie warten", erklärte ich.
„Diese Frau soll sich einfach beeilen. Sie ist schon fast fünf Minuten zu spät", nörgelte mein Bruder munter weiter.
Jacob lachte und schlug ihm auf die Schulter. „Komm schon! Normalerweise bist du mindestens eine halbe Stunde zu spät."
Wir anderen lachten bloss. Da hatte er durchaus recht.
„Ja, aber heute ist nicht normalerweise! Ich will jetzt da rein und mir ist egal, ob die kleine Nervensä-" - „Tut mir leid, ich bin schon da. Ich wurde noch bei der Schülerzeitung aufgehalten. Kaum zu glauben, dass es Leute gibt, die nicht wissen, wie man im richtigen Format ausdruckt!", unterbrach Roxie das Gemotze meines Bruders.
„Das wurde aber auch Zeit! Du hättest dich ruhig etwas beeilen können", beschwerte sich Dylan weiter.
Ich verdrehte nur die Augen.
„Wie bitte? Ich habe mich doch jetzt gerade erklärt, weshalb ich spät dran war!", gab Roxie entnervt zurück und ich konnte es ihr nicht übelnehmen. Manchmal konnte Dylan wirklich ein Idiot sein!
„Da wir ja jetzt komplett sind, können wir rein oder nicht?", unterbrach ich die beiden, bevor diese Diskussion wieder einmal eskalierte.
„Na klar, worauf warten wir noch?", fragte Harper und rieb sich die Hände.
„Meine Worte, Schwester", antwortete Delancy, griff nach dem Türgriff und trat als erste ins Sekretariat ein. Wir folgten ihr. Hinter dem Tresen stand die Schulsekretärin auf und betrachtete unsere Gruppe misstrauisch.
„Kann ich Ihnen helfen?", fragte sie uns so gefasst wie möglich.
„Wir wollen zu Mr Parker", antwortete Aiden pflichtbewusst.
„Haben Sie einen Termin?"
„Hat denn ein Schuldirektor wirklich so viel zu tun, dass man für jede Kleinigkeit einen Termin braucht?", hackte Oliver nach.
„Mr Parker ist durchaus sehr beschäftig", antwortete die Sekretärin ganz seriös. Sie schien uns noch immer nicht so ganz zu vertrauen, denn sie stand noch immer.
„Es könnte ja sein, dass jemand im Schulflur gerade erstickt, bräuchten wir dann auch einen Termin?", meinte Dylan, ganz der Klugscheisser.
„Erstickt denn jemand im Schulflur?", fragte die Sekretärin unberührt. Ich mochte diese Frau bereits seit meinem ersten Schultag hier nicht. Die Freundlichkeit in Person war sie jedenfalls nicht. Wahrscheinlich kannte sie das Wort 'freundlich' noch nicht einmal.
„Also das wird mir jetzt wirklich zu blöd hier. Was für ein Kindergarten!", stöhnte Delancy entnervt und ging zur Tür, die zum Büro des Direktors führte.
„Junge Dame -",  warnte die Hexe.
„Fragen wir Mr Parker doch einfach selber, ob er gerade Zeit für uns hat. Seine Auskunft scheint es ja selbst nicht zu wissen." Ohne zu klopfen riss sie die Tür auf und streckte den Kopf in den Raum.
Die Mädchen und ich hielten uns die Hand an die Stirn. Diese Frau hatte wirklich viel zu viel Temperament!
„Wenn das hier in die Hose geht, so müssen wir jedenfalls nicht lange nach einem Sündenbock suchen", meinte Dylan neben mir.
„Ach bitte, nur weil sie keinen Hauch von Geduld besitzt, heisst das noch lange nicht, dass sie unser Sündenbock ist", verteidigte Derek sie.
„Willst du denn der Sündenbock sein?", fragte Dylan provokant.
„Jungs, es wird gar keinen Sündenbock geben, verstanden?" Ich stemmte die Hände in meine Hüften und blickte die beiden tadelnd an. "Es wird schon alles gut laufen." Ich gab zu, dass ich das grösstenteils mir selbst sagte, um mir Mut zuzusprechen.
„Okay, Leute. Mr Parker ist so freundlich und nimmt sich Zeit für uns", meinte Delancy zuckersüss lächelnd und öffnete uns die Tür.
Was hatte sie wohl jetzt schon wieder ausgefressen?
Wir betraten allesamt das Büro, in dem uns ein ernst dreinblickender Schuldirektor empfing. Das konnte ja noch heiter werden.
„Also", begann Mr Parker Delancy gewandt, „was ist nun diese strengvertrauliche Sache von der Sie mir erzählt haben?"
„Das sollte Ihnen vielleicht Natalia erklären. Es betrifft vor allem sie", antwortete diese und schenkte mir ein schrecklich falsches Lächeln. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, von wem sie dieses hatte.
Mr Parker sah mich erwartungsvoll an. Ausgerechnet ich, die unbegabteste im Umgang mit Worten in Gesprächen!
„Na gut. Sie wissen ja, dass unsere Mitschüler mich zur Zeit nicht mögen. Naja... Sie hassen mich. Sie hassen mich, weil ich krank bin und ich - wir - finden das absolut daneben und unmenschlich." Ich machte eine Pause, Mr Parker nickte und Oliver legte mir seine Hand auf meine Schulter.
„Kürzlich bin ich über das Anmeldeformular für den Internetwettbewerb 'The Loudest Voice' gestossen. Es geht darum, eine Geschichte zu erzählen, die gehört werden sollte. Wir haben gemeinsam beschlossen, daran teilzunehmen und haben ein Video zu meiner Situation aufgenommen. Darin kommen Ausschnitte vor, die wir auf dem Schulgelände gedreht haben, als wir unsere Mitschüler filmten."
„Sie haben Ihre Mitschüler gefilmt?", fragte Mr Parker und wir nickten alle synchron. „Na gut. Und worauf wollen Sie nun hinaus?"
„Wir wollen Ihnen das Video zeigen", meldete sich Mason und stellte seinen Laptop auf den Schreibtisch direkt vor unserem Direktor.
„Nun gut, ich schaue es mir gerne an. Und was wollen Sie dann erreichen?"
„Wir wollen Ihre Erlaubnis, dieses Video einschicken zu dürfen", antwortete ich und sah ihm dabei direkt in die Augen.
Mr Parker nickte und klickte auf Play, um das Video zu starten. Während das Video lief, hielt ich erwartungsvoll den Atem an und es kam mir so vor, als würde sich auch sonst niemand im Raum bewegen.

Vier Minuten später hob Mr Parker den Kopf und strich sich über die Haare.
„Ich muss sagen, dass Ihnen dieses Video wirklich gelungen ist, aber einige eurer Mitschüler kommen nicht gerade gut weg, das ich Ihnen klar, oder?", meinte er und musterte uns ernst einen nach dem anderen.
Ich wippte unruhig hin und her.
„Ja, das wissen wir. Aber darum geht es in unserer Frage nicht. Es geht darum, dass wir auf dem Schulgelände gefilmt haben und wir Ihr Einverständnis haben möchten", antwortete Oliver selbstbewusst und die anderen nickten.
„Ich habe nichts dagegen. Aber was ich nicht gut finde, ist, dass Sie Ihre Mitschüler offenbar bewusst an den Pranger stellen und es Ihnen nichts auszumachen scheint", meinte er kritisch.
„Wir können im Nachhinein immer noch behaupten, dass alles nur gespielt ist, meinen Sie nicht?", fragte nun auch Jacob.
Unser Direktor kratzte sich am Hinterkopf.
„Ich bitte Sie, Mr Parker! Es würde mir so viel bedeuten, wenn wir dieses Video einschicken könnten. Ehrlich! Und vielleicht würden sich auch einige Schüler dieser Schule verbessern und sich mir gegenüber wieder fairer verhalten. Um ehrlich zu sein, war auch das ein Ziel meinerseits", bat ich verzweifelt, denn dieses Gespräch nahm definitiv eine falsche Richtung ein.
„Wenn Sie dieses Video ins Netz stellen, können nicht nur Sie Probleme bekommen, sondern auch ich", meinte unser Gegenüber noch immer ernst.
„Sie könnten behaupten, dass Sie uns die Erlaubnis gegeben haben, ein Video auf dem Schulgelände zu drehen, ohne zu wissen, worum es geht", versuchte ich es verzweifelt weiter.
Mr Parker lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Sie legen es durchaus darauf an Probleme zu kriegen oder wie ist das zu verstehen?"
„Hören Sie: Wir haben ihre Erlaubnis, was die Sache mit dem Schulgelände angeht, nicht wahr? Also wollen wir auch nichts weiteres mehr. Vielen Dank für Ihre Zeit. Wir müssen in den Unterricht", antwortete Delancy, noch bevor ich etwas hätte sagen können. Sie packte meinen Arm und zog mich aus dem Raum, während sie auch die anderen hinaus scheuchte. Draussen knallte sie die Tür zu und marschierte an der Sekretärin vorbei in den Schulflur.
„Verdammt, Lancy! Was sollte das denn gerade?", rief ihr Madison hinterher und sprach wohl genau das aus, was wir alle ebenfalls dachten.
Sie drehte sich um und lächelte. „Ich habe uns das geholt, was wir alle wollten. Bitte gern geschehen!" Damit drehte sie sich um und marschierte davon. Ich vermutete in den Unterricht, aber bei diesem Mädchen konnte man ja nie wissen.
„Warum habe ich das Gefühl, dass wir von Mr Parker noch zu hören bekommen?", fragte Mason, der sich neben mich gestellt hatte.
„Ich kann mir ebenfalls vorstellen, dass da noch was kommt, aber ich muss Delancy recht geben: Wir haben seine Erlaubnis wegen dem Dreh auf dem Schulgelände. Mehr wollten wir nicht."
„Das ist ziemlich naiv, Nati", meinte Aiden und verschränkte seine Arme vor der Brust.
„Mag sein, aber ich will es riskieren", meinte ich schulterzuckend.
Da niemand mehr etwas darauf antwortete, lief auch ich in Richtung meines nächsten Unterrichtsraumes, Meik und Mason folgten mir direkt.

Nach der Schule zu Hause checkte ich zuerst meine E-Mails, um zu sehen, ob Mr Parker noch einmal seine Meinung geäussert hatte.
Da dem nicht so war, schickte ich unser Video ein. Jetzt gab es kein zurück mehr.

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Hallo meine Lieben :)
Ein extra langes Überraschungskapitel für euch. ;)

Ich weiss, es ist nicht besonders spektakulär, aber es muss eben doch sein.
Ausserdem habe ich nicht wirklich viel Ahnung von dem ganzen rechtlichen Kram, was dieses Video betrifft, deshalb bitte ich euch, nicht zu streng mit mir zu sein :D

Bis nächsten Sonntag
Eure DancingPalabras

P.S. Macht euch auf etwas gefasst, ich bin zurzeit gerade total im Schreiberfluss! ;)
Ausserdem nähern wir uns dem Höhepunkt. :P

Alive - Wie er mich am Leben hielt Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt