14. Kapitel

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Ich musste ganz ehrlich gestehen, dass ich mir wünschte, dass ich heute zu Hause geblieben wäre. Ich mochte die Schule wirklich, aber an einem Geburtstag war sie die reinste Qual. Vor allem wenn man ein Wochenende wie ich verbringen musste: Samstag Besuch bei Emily's für die gewohnte Monatskontrolle, bei der ich ebenfalls Abygail in einem grauenvollen Zustand gegenüberstand (John hat mir genau das gesagt wie immer: Alles ist in Ordnung, aber ich würde noch immer nicht darum herum kommen, nächsten Sommer auf 'Wunder-Entzug' gehen zu müssen), Sonntag versetzte mich mein Freund ein weiteres Mal mit der Ausrede, er müsse meinen Geburtstag planen (er war am Telefon viel zu nervös und distanziert, als dass es so eine Lapalie wie mein Geburtstag hätte sein können) und gestern war irgendwie niemand in der Schule ausser die Zwillinge, Roxie und Logan. Von dem ganzen Rest meiner Freunde und Familie war keine Spur. Sie waren weder zu erreichen, noch wusste irgendeine Menschenseele, wo sie sich hätten aufhalten können. In meiner Verzweiflung hatte ich sogar Tessa gefragt, da sie sonst immer weiss, wo sich die Badboys befanden. Ich habe tatsächlich Tessa Hollister um Hilfe gebeten!
Um das Desaster noch zu vergrössern, waren Dylan und Aiden über Nacht nicht nach Hause gekommen. Mason redete mir immer wieder ein, dass ich mir keine Sorgen machen musste, da sie schon auf sich selbst aufpassen könnnten. Mich beschlich dabei jedoch das Gefühl, dass die Zwillinge an diesem Tag sehr wohl Kontakt mit ihnen hatten. Ich beschloss darüber nicht nachzudenken, da ich sonst den Verstand verlieren würde.
Ich wusste, dass meine Brüder wie auch Ethan, Jacob, Derek und Jason alles andere als eine reine Weste hatten. Ich wusste schon immer, dass sie Dinge taten, die illegal waren, aber ich wollte nie etwas davon wissen. Vor allem weil ich bei meinen Brüdern wusste, dass ich selbst beziehungsweise meine Krankheit daran Schuld waren. Bei Ethan und seinen Freunden wollte ich es einfach gar nicht wissen. Einerseits war es eine Angewohnheit, da mir meine Brüder nie etwas erzählt hatten und andererseits wollte ich es schlicht und einfach gar nicht wissen, das es mich nichts anging und ich das respektierte. Wenn Ethan etwas mit mir besprechen oder mir etwas erzählen wollen würde, so würde er von alleine zu mir kommen. Ich würde es ihm ganz bestimmt nicht aus der Nase ziehen. Solche Mädchen, die bei jeder Kleinikeit dachten, dass ihr Freund ihnen fremd ging, konnte ich sowieso noch nie leiden. So wollte ich auf gar keinen Fall enden.
Die Tatsache, dass Atlanta am Samstagabend von New York zurückkam, war mein einziger Lichtblick. Und zu meiner eigenen Verteidigung konnte ich sagen, dass sie sich mindestens genauso viele Sorgen um Dylan und Aiden gemacht hatte, wie ich es tat. Sie war zur Zeit auch die Älteste im Haus, aber trotzdem!

„Was machst du denn für ein Gesicht, Geburtstagskind?", versuchte Mason mich aufzuhietern.
Ich zuckte die Schultern, ein Lächeln konnte ich mir noch nicht einmal erzwingen. „Ich mache mir ja wirklich nicht viel aus meinem Geburtstag, aber wenn mehr als die Hälfte der Familie nicht da ist und unübertrieben zwei Fünftel meiner Freunde verschollen ist, so ist sogar mir das zu viel.
Ausserdem ertrage ich all diese oberflächlichen Geburtstagsglückwünsche der anderen keine Sekunde länger!", schmollte ich darauf los.
Hörte ich noch ein einziges Mal von jemandem ein 'Alles Gute zum Geburtstag, Natalia!' und sah dabei zusätzlich ein aufgesetztes, falsches Lächeln -  viele davon sollten sogar provokativ wirken, da war ich mir sicher! - würde ich in die Luft gehen. Es sollten mir doch ganz einfach diese Leute gratulieren, die sich etwas um mich scherten!
„Reg dich nicht auf, Schwesterherz! Wie wärs, wenn wir am Nachmittag die Schule schwänzen und ins Kino gehen?", fragte Meik mich und Mason bedachte ihn mit einem seltsamen Blick, den ich nicht deuten konnte.
Für mich stank das alles bis zum Himmel hoch und wieder zurück. Aber da ich keine Lust hatte mir darüber noch mehr Gedanken zu machen, als gesund für mich war, willigte ich ein.
Naja... so verlief also mein Tag.
Ich machte mir während des Unterrichts die ganze Zeit Gedanken und Sorgen um Ethan und meine beiden Brüder, wartete auf irgendein Lebenszeichen ihrerseits, doch da kam nichts.

Alive - Wie er mich am Leben hielt Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt