18. Kapitel

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„Du spinnst doch. Du kannst doch nicht einfach grundlos aussteigen!", meinte Delancy eingeschnappt. „Schon vergessen, dass wir Tessa eins reinwürgen wollten? Jetzt mehr denn je!"
Meine Schultern sackten nach unten. „Ich weiss doch. Aber so ganz grundlos ist es nicht..."
Nachdem meine Brüder mich gestern krank gemeldet hatten, wollten sie mir nicht noch einen Tag mehr Ruhe gönnen, damit ich vollkommen in meinem Selbsmitleid versinken konnte.
Harper kam zu mir und nahm mich genauso in den Arm, wie es Atlanta in den letzten 36 Stunden um die hundertmal getan hatte. Glücklicherweise fühlte es sich immer gleich gut an.
„Hey. Delancy hat recht. Du kannst jetzt nicht einfach alles hinschmeissen, nur weil das männliche Geschlecht wiedereinmal die reinste Katastrophe ist. Ich bin mir sicher, dass dir etwas Ablenkung wirklich gut tun würde", meinte sie, was mir sogar sehr einleuchtend erschien.
Gerade als ich ihr zustimmen wollte, kam mir Delancy zuvor. „Apropos Ablenkung, was hat es mit den Medikamenten auf sich, die dein Bruder erwähnt hat? Du weisst schon. Auf seinem Zimmer, als du ihn rausgeworfen hast?", platzte sie ungeniert heraus, worauf Harper sie warnend anschaute. Jedoch wusste ich nicht, ob es an der Frage wegen den Medikamenten lag oder daran, dass sie Dylan erwähnt hatte, den ich seit zwei Tagen nicht mehr gesehen hatte. Er war wie vom Erdboden verschwunden und nicht mehr erreichbar.
„Gegenfrage", begann ich, nachdem ich mich wieder in der Gegenwart befand. „Was läuft da zwischen dir und Tessa? Ihr verhaltet euch gegenüber anders, als andere. Es ist, als würdet ihr euch besser kennen, als gesund ist. Wart ihr einmal Freundinnen oder so?"
Delancy machte nicht den Anschein, als wollte sie mir antworten. Ich konnte es ihr nicht verüblen, schliesslich würde ich ihr auch keine Antwort geben. Trotzdem interessierte es mich wirklich brennend.
Chloe gab der kleinen Brünette einen kleinen Stups. „Na los. Sags ihr."
Delancy sah mich an. „Wenn ich es dir sage, dann gibst du mir ebenfalls eine Antwort. Einverstanden?"
Automatisch nickte ich. Ich wusste selbst nicht, weshalb ich mich so schnell drauf einliess. Vielleicht weil sie meine Freundinnen waren und ich ihnen vertrauen konnte, oder einfach nur, weil ich fand, dass ich aufhören sollte mich selbst zu verstecken.
Chloe holte einpaar Mal tief Luft, ehe sie die Bombe geschmackvoll platzen liess:
„Tessa und ich sind Halbschwestern."

Einen Moment lang starrte ich sie bloss verdutzt und absolut sprachlos an. Ihre Worte schlugen Purzelbäume in meinem Kopf.
'Tessa und ich sind Halbschwestern.'
Doch es machte trotz der mangelnden Ähnlichkeit irgendwie Sinn. Einfach nur wenn ich daran dachte, wie sie sich verhielten.
Auch nach einigen Momenten hatte ich mich noch nicht wieder gefasst und ich würde mich nicht wundern, wenn mein Mund offen stehen würde.
„Ja, wir haben den selben Vater, jedoch nicht die selbe Mutter. Mein Dad war mit meiner Mum zusammen und er hatte während dieser Zeit eine Affäre mit Tessas Mum und sie ohne zu wissen mit meiner tollen Halbschwester geschwängert. Etwas später hatte er meine Mutter mit mir geschwängert, da kam Tessa gerade zur Welt. Als er davon Wind bekam, ist er abgehauen und hat meine Mutter und mich alleine gelassen. Dad war schon immer geldgeil und naja, die Hollisters hatten um einiges mehr Geld als wir. Als ich fünf war, wurde meine Mutter Alkoholikerin und mein Erzeuger und seine Neue haben mich gütig wie sie sind, bei sich aufgenommen. Im Nachhinein kann ich nur sagen, dass ich lieber im Heim gelandet wäre, als in dieser kaputten 'Familie'", endete Delancy. Und ich? Ich fand noch immer keine Worte. Diesmal lag es jedoch daran, dass mich ihre Lebensgeschichte zu sehr überrumpelte.
Delancy schaute mich erwartunsgvoll an. „Jetzt bist du an der Reihe, findest du nicht auch?"
„Ich-", begann ich, doch aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie die Jungs (ausgenommen von Dylan und Ethan, versteht sich) den Raum betraten.
Schnell senkte ich meinen Blick auf den Boden. „Ich kann nicht", flüsterte ich.
Ein kurzes Schweigen folgte.
„Das war ja klar", murmelte Delancy. Schnell hob ich meinen Kopf und sah, wie sie Richtung Tür eilte.
Ich wusste, wenn ich jetzt nichts unternahm, so hatte ich auch sie verloren. Sie hatte mir gerade ihre ganze dunkle Lebensgeschichte aufgetischt, die sie vor allen anderen zu verstecken versuchte. Ich würde es nicht ertragen sie jetzt auch noch zu verlieren, wie ich Ethan verloren hatte.
„Ich bin krank."
Delancy hielt inne, meine Brüder schauten mich aus grossen Augen an, auch Oliver versuchte nicht seine Überraschung zu überspielen.
„Sehr krank sogar", fuhr ich fort. Mich durfte nun nicht den Mut verlieren, jetzt da ich bereits angefangen hatte. „Deswegen muss ich Medikamente nehmen, das war das, was Dylan gestern erwähnt hat.
Die Ärzte haben erst vor gut einenhalb Jahren ein wirksames Medikament entdeckt, weshalb ich jetzt hier zur Schule gehen kann. Vorher habe ich meine Kindheit in Kliniken und Krankenhäusern verbracht."
Delancy schaute mich mit Tränen in den Augen an. Es vergingen einige Minuten, in denen niemand etwas zu sagen wagte. Dann sürzte Delancy auf mich zu und warf sich in meine Arme. „Es tut mir so leid! Das konnte ich nicht ahnen!", schluchzte sie darauf los, ich strich ihr beruhigend über den Rücken.
„Mir tuts auch leid", murmelte ich, eher zu mir selbst als zu sonst jemandem.

Nachdem wir das geklärt hatten, sassen wir nun alle zusammen im Musikzimmer. Naja, für mich war es geklärt. Ich konnte vor allem an den Mädchen noch viele Fragen ansehen, auch Oliver würde mich offensichtlich gerne noch das ein oder andere fragen wollen. Ich ging jedoch nicht weiter auf das Thema ein, was eigentlich ziemlich unfair von mir war, schliesslich waren sie meine Freunde und ich hatte ihnen gerade mitgeteilt, dass ich seit meiner Geburt krank war. Da konnte ich ihnen die unausgesprochenen Fragen nicht übel nehmen. Leider konnte ich die Situation weder ändern, noch konnte ich sie rückgängig machen, und so kam es, dass wir uns Namen, Songtitel und natürlich den Ort für die Proben für unsere 'Band' zusammen kratzten.
Das Problem des Ortes war schnell geklärt: Da wir momentan noch nicht so viele sind, könnten wir bei mir zu Hause proben, üben und weiteres. Die Tatsache, dass ich einen Flügel besass trug ebenfalls seinen Anteil an der Entscheidung.
Bei den anderen Punkten merkten wir Mädchen schnell, dass die Jungs keine grosse Hilfe waren. Sie waren so ziemlich das grösste Gegenteil von dem Begriff 'Hilfe'! Wenn sie wirklich etwas zu sagen gehabt hätten, so hätten sie uns definitiv in den tiefsten Abgrund der ganzen USA gestürzt.
Der absolute Katastrophentitel, den sie uns mit der grössten Euphorie vorgestellt hatten, war 'Hard out here' von Lily Allen.
„Wenn ihr auch noch so geil tanzt wie die Schlampen im Video, seid ihr hier Gesprächsthema Nummer eins!", argumentierte Meik.
Normalerweise, wäre das ein klarer Dylan-Vorschlag gewesen, weswegen ich zuerst ziemlich überrumeplt von der Idee war. Wir Mädchen starrten ihn verständnislos an und verschränkten die Arme vor der Brust.
Sogar Mason schaute ihn etwas entsetzt an und rammte ihm den Ellenbogen in die Seite, während sich die anderen Jungs bloss schlapplachten.
„Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Du weisst schon, dass du auch von unserer Schwester redest?", fragte Mase seinen Zwilling und nahm uns allen die Frage ab.
In dem Moment klingelte Olivers Handy, worauf er kurz auf den Display schaute und sich dann in eine Ecke das Raumes verkroch und mit gedämpfter Stimme in den Hörer sprach.
„Warum denn nicht? Sie sehen alle gut aus. Einpaar kanppe Kleider hat noch niemanden umgebracht." Meik zuckte die Achseln, ignorierte Olivers eingegangen Anruf dabei vollkommen und auch Masons Argument, dass ich dabei mitmachte.
Ich wandte meinen Blick von Ethans Cousin zu meinem Bruder und zeigte ihm den Vogel. „Du spinnst doch total! Wir stellen uns selbst doch nicht als Schlampen dar, du verlorener Pudel!"
Die anderen Mädchen mumelten Zustimmend, worauf Meik geschlagen die Hände hoch hielt.
„Na gut, dann eben nicht! Wie wärs mit S&M von Rihanna?"
„Raus!", kreischten wir im Chor und stürzten uns auf meinen Bruder, der kurz darauf lachend den Raum verliess. Ich konnte ihm jedoch ansehen, wie enttäuscht er über unsere Reaktion gewesen war.

Kaum war er weg, drehte ich mich zu den übrigen Wesen um, die sich Männer nannten.
'Da warens nur noch sechs'
„Wenn sonst noch jemand so einen grandiosen Vorschlag auf Lager hat, kann er Meik gleich begleiten. Dann kann ich jedenfalls beruhigt sein, dass er den Weg nach Hause auch wirklich findet", stellte ich fest und schaute sie forschend an. Kurz darauf erhob sich Jacob und marschierte zur Tür. „Das ist doch die totale Zeitverschwendung!"
Die Tür fiel zu.
'So zum Thema, da warens nur noch sechs"
Ich verdrehte die Augen.
„Na der war sowieso keine Hilfe", stellte Chloe nüchtern fest."
„Wie wärs mit einem Song von Queensberry oder Meghan Trainor? Die haben beide gute Titel", fasste Harper das Haupttehma wieder auf.
Wir nickten zustimmend und ich klatschte in die Hände. „Na gut. Dann haben wir da also auch schon ein kleine Ahnung. Ich denke über Namen sollten wir uns noch keine grossen Gedanken machen. Oder habt ihr Jungs irgendwelche erleuchtende Vorschläge?" Ich sah einen nach dem anderen fragend an.
„Sugar Babies!"
„Candies!"
„Sexpops!"
Ich schüttelte lachend den Kopf. „Ja, das dachte ich mir."

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Hallo meine lieben. :)

Laut meiner Lesefee (alias Natis Kater aus dem ersten Band, wer sich noch erinnert?) ist das für einmal ein schönes mildes Kapitel ohne Katastrophe. ;)
Ich hoffe, dass ihr das ebenfalls so empfindet. ;)

Bis bald<3
Eure CatGirl1313

Alive - Wie er mich am Leben hielt Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt