Teil 16

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„Sie haben Besuch", sagte der Wärter und führte ihn in Handschellen in einen kargen Raum. Gott wie sehr er dieses Gefängnis verachtete. Alles war grau und seine Gefängnisklamotten ließen ihn aussehen wie einen gewöhnlichen Kriminellen und er war doch so viel mehr. Man setzte ihn auf einem Plastik Stuhl vor ihm war eine Glasscheibe und ein Lautsprecher mit Mikrofon erlaubte ihm seinen noch unbekannten Gegenüber zu sehen. Trotzdem aktivierte er das Aufnahmegerät das er in seiner Tasche hatte und gab dem Wärter das Zeichen alles aufzunehmen.

Als dann sein Gesicht sich gegenüber auf dem Stuhl niederließ hätte er am liebsten laut geschrien und wäre durch die Wand gesprungen. Der einzige Unterschied zwischen Ihnen war ihr Alter, die leichten Falten, das angegraute Haar. Doch ansonsten hätte er sich auch einen Spiegel vor die Nase halten können und es wäre dasselbe Ergebnis herausgekommen.

„Hallo Vater", spuckte Erik die Bezeichnung förmlich aus und war sich wohl bewusst, dass er ihn genauso gut hätte beleidigen können. „Sieh an, mein Missratener Sohn bekommt was er verdient."

Der Mann schlug die Hände übereinander und der goldene Ehering glänzte. Er trug ihn nur um Erik damit jede Sekunde in ewige Qual zu senden. Erik erinnerte sich noch an diese quälenden letzten Tage in denen sein Vater immer öfter die Kontrolle verlor, seine Mutter hatte den Abdruck des Eherings oft in ihrem Gesicht getragen zusammen mit dem bläulichen Umriss seiner Faust. Schon alleine dieses Flashback kostete ihn jegliches Quäntchen an Selbstbeherrschung. Er durfte nicht der erste sein, der die Kontrolle verlor. Nicht hier. Nicht heute. Heute ging es nicht um ihn.

Er würde seine Mutter rächen. Das hatte er sich an dem Tag, als sie den letzten Atemzug tat und ihm dabei noch ihre letzten Worte zugerufen hatte, geschworen. Ihre Botschaft war eindeutig gewesen und er hatte ihren letzten Wunsch befolgt. Er war gelaufen, geflohen, hatte alles hinter sich gelassen und war aus Angst noch nicht einmal zu ihrer Beerdigung gegangen.

„Glaubst du wirklich deine Wort verletzten mich noch? Nach all den Jahren bist du nichts weiter als ein nerviges Würmchen das immer wieder versucht zurückzukommen." Erik musste sich beherrschen sein Vater sollte und durfte nichts von dem Plan mitbekommen. Wenn man glaubte Erik wäre ein Psychopath, dann war sein Vater jenseits von Gut und Böse.

Ein Foto knallte direkt vor ihm gegen die Glasscheibe blieb mit dem Bild nach oben liegen, zeigte seine Lyjana. Sie saß ihn einem Sessel und trug ein weißes Kleid, scheinbar trank sie etwas aus einer Tasse und schaute traurig in der Suite umher. „Deine kleine Hure war beim See Haus? Was wollte sie da, Beweise verscharren?"

Erik ließ sich das Stocken seines Herzens nicht anmerken, atmete tief ein und aus und starrte wieder das Bild an. Er hatte nicht gedacht, dass sein Vater sie beobachten lassen würde, er hatte zum ersten Mal einen verdammten Fehler gemacht!

„Sohn, du hast vielleicht alle hier bestochen aber ich hab meine Fäden in der Polizei und diese überwachen ihre Kronzeugin nun einmal und glaub mir wenn ich es einem von ihnen befehle und ihnen genug Geld in den Arsch schiebe, dann erschießt er sie auf mein Kommando."

„Du wagst es nicht sie anzufassen. Hör auf sie zu bedrohen! Nur weil sie die Hand deiner Leiche gefunden hat, wieso kannst du sie nicht einfach in Ruhe lassen!", mit den Händen hämmerte er auf den Tisch. Oh wie dumm doch sein Vater war mit seinem Besuch hatte er ihm gerade den Grundstein für seinen Freispruch gelegt.

„Ich habe sie entführt gottverdammt damit du sie nicht töten kannst, ich habe mich ausgeliefert und wir erzählen beide die Geschichte die du uns aufzwingst. Wieso bedrohst du sie noch immer reicht dir nicht was du angerichtet hast?"

Wärter stürmten jetzt in den Raum und sein Vater starrte ihn aus undurchdringlichen Augen an, als man ihn vom Stuhl zerrte, Erik hätte am liebsten gelacht war sein Vater so dumm? Verstand er wirklich gar nichts. Während man ihn rausschleifte, schrie er immer wieder, denselben Satz so dass ihn jeder hören konnte.

„Er darf Lyjana nichts tun, er wird sie umbringen!"

Sobald seine Zellentür zugeschlagen war lies Erik seine Fassade fallen und hörte auf den hysterischen zu spielen. Auf seinem Bett lag ein Paket und er wusste bereits was er in dem braunen Papier finden würde. Ein Handy wahrscheinlich um mit John Kontakt aufzunehmen, alles was er gerade aufgenommen hatte war perfekt, es würde ihm das Genick retten.

Er zog die Verpackung auf und tatsächlich fiel ihm ein neues Smartphone in die Hände er öffnete es und zu seiner Verwunderung begann zuerst ein Video zu spielen. Keine Musik war dabei aber er erkannte die Umgebung, die Kamera wackelte kurz wurde scheinbar gerichtet und dann wehte ein weißer Rock ins Bild.

Erik lies sich auf dem quietschenden Bett nieder und starrte in das kleine Bild, da war sie. Sein Engel in dem weißen Kleid das er so liebte, ihre Beine strichen über das Gras vollführten Wendungen und Drehungen an dem Ort wo er zuerst versucht hatte ihr die Eleganz die ihr gebührte einzuflößen.

Ihre Bewegungen waren nicht mehr vollkommen perfekt ein deutliches Zeichen für den Tumor in ihrem Kopf, seinem größten Feind. Und genau das machte ihm Angst. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit war es nicht mehr er, der die komplette Kontrolle über alles hatte. Er hatte jemanden gefunden, der mächtiger als er sein konnte, der sein Lebe zerstören konnte. Doch nicht nur er würde dann alles verlieren, sondern auch sein Engel- seine Lyjana. Aber trotz der für ihn sichtbaren Zeichen ihrer Krankheit drehte sie sich in einer unglaublichen Leichtigkeit und Schönheit die ihm den Atem raubte. Sie tanzte nur für ihn und das bedeutete ihm mehr als alles andere. Ihre Haare wirbelten um sie herum und er würde nur zu gerne mit den Fingern durch sie hindurch fahren.

Ihr Tanz endete und sie blickte direkt in die Kamera sah ihn an und dann wurde alles schwarz. Erik lies das Handy sinken und klickte dann auf Wiederholung, während er sich immer und immer wieder ihr Antlitz ansah und die sanften Drehungen ihres Körpers, stieg der Hass auf seinen Vater. Es war eigentlich ein guter Tag gewesen, sein Vater hatte sich wieder entschuldigt und alle Geschenke der Welt vor die blau und grün geschlagenen Füße seiner Frau gelegt.

Doch dann war es passiert Erik war gestürzt und hatte dabei eine teure Weinflasche vom Tisch auf den Boden gerissen, seine Mutter war so entsetzt gewesen wie er aber dann kam sein Vater angelockt vom Lärm wie eine Motte vom Licht. Die Tür war hart in die Wand gekracht als sein Vater auftauchte und auf sie zustürmte. Erik hasste selbstlose Menschen bis zu diesem Tag, denn anstatt zuzulassen das er die Schuld für seinen Fehler trug, nahm seine Mutter alles auf sich.

Erik hatte geschrien als sein Vater ganz ruhig ihren Kopf in die Hände genommen hatte und erst gestoppt als er realisiert, dass sein Vater sanft über ihre Wangen strich. Gott als naives Kind hatte er geglaubt das alles gut werden würde. Er hatte sie ein wenig an die Küchentheke gedrückt dort wo die spitzen Hängeschränke waren an denen Erik sich oft die Stirn aufgeschlagen hatte.

„Das war sehr dumm mein Schatz sehr dumm." Mit einem Ruck knallte ihr Hinterkopf an die Ecke Eriks Stimme versagte so laut schrie er, seine Kehle rieb sich auf und doch hörte er nicht auf. Immer wieder krachte der Schädel seine Mutter auf die Kante des Regals und ihre Augen blieben einfach offen ein milchiger Blick in ihnen. Er hatte losgelassen irgendwann und Erik war wie seine Mutter zu Boden gefallen und hatte sich an ihren Körper geklammert. Ein einziges Wort war noch über ihre Lippen gekommen. „Lauf!"

Das Handy landete mit einem Krachen auf dem Boden holte ihn in die Gegenwart, sein Vater hatte ihn von der Leiche seiner Mutter gezogen ihn in eine Badewanne geworfen und gewartet bis all das rote Blut abgewaschen war. Danach hatte Erik sein Zimmer für Monate nicht verlassen – sein Vater hätte das sowieso nicht erlaubt. Aber in diesen Monaten war er zu einem anderen Menschen geworden, hatte Pläne geschmiedet und den Hass gegenüber seinem Vater weiterhin gepflegt und gehegt.

Oh er würde diesen grausamen Mann zu Fall bringen er würde ihn nicht umbringen er würde ihm nur alles nehmen was er einst besaß oder gedachte zu besitzen. Und wenn er auf den Trümmer der Tyrannei seines Vaters stand würde er ihm beweisen, dass er nicht so war wie er. Der Tumor in ihrem Kopf würde verschwinden, er würde ihn entfernen lassen und dann würde er gewinnen. Lyjanas Bauch würde sich wölben und sein Kind unter dem Herzen tragen. Er würde dieses Kind lieben und pflegen, er würde seine Hand halten in Nächten voller Albträume und er würde zusehen wie seine Frau, seine Lyjana ihr kleines Kind in den Schlaf sang. Er würde ein besserer Mensch werden, hatte sich das schon geschworen, als es fast zu spät war. Er würde für sie ein besserer Mensch werden. Für seine Lyjana.


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