Teil 17

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Lyjana war wie geplant zum ehemaligen Grundstück der Tankstelle gejoggt und befand sich nun auf dem Weg nach Hause. Zuerst hatte sie gezögert in das fremde Auto einzusteigen, aber dann hatte sie doch der Gedanke gepackt, dass es das letzte Fahrzeug für Stunden hätte sein können. Aus eigener Erfahrung wusste sie schließlich, dass dieses Waldstück von den Menschen gemieden wurde und eher selten sich ein Lebewesen hierher verirrte. Sogar die Tiere hatten anscheinend Angst vor dem, was in den letzten Jahren hier sein Revier markiert hatte. Überall war das Blut von jungen Frauen zu finden und wenn man ganz genau hinhörte, konnte man die Schreie der Mädchen wahrnehmen.

Aber das alles störte das junge Paar anscheinend nicht, das Lyjana an der Straße aufgesammelt hatte und nun wieder zurück nach Hamburg fuhr. Sie plauderten munter drauf los und erzählten ihr alles über sich. Ganz automatisch kam ihr dabei Erik in den Sinn. Was würde er mit all diesen Informationen machen? Natürlich, er würde sie in sich aufnehmen und sofort analysieren, wie man diese gegen das Paar verwenden konnte. Erst jetzt bemerkte sie, wie gefährlich es eigentlich war mit Menschen zu reden, die man nicht kannte. In diesem Punkt hatten die Eltern also doch Recht, dass man nicht mit fremden Menschen reden sollte.

Und gleichzeitig verfluchte sie sich. Warum konnte sie diese Zeit des Friedens nicht einfach genießen. Anstatt glücklich zu sein, dass diese jungen Menschen so ein tolles Leben hatten, war sie nur genervt und suchte nach Informationen, die man gegen sie verwenden konnte. Wie fies und böse war diese Welt eigentlich geworden? Sie konnte dies alles natürlich auf ihren Hirntumor schieben, aber sie wusste sehr gut, dass es dieser ausnahmsweise nicht war. Sie wusste einfach nicht mehr, was Glück und Friede war. Deswegen erschien es ihr auch als so komisch.

„Alles in Ordnung? Geht es Ihnen nicht gut? Sollen wir anhalten?", riss die erschrockene Stimme der jungen Frau Lyjana aus ihren Gedanken. Überrascht stellte sie fest, dass eine einzelne Träne ihr die Wange hinunterlief. Irritiert darüber schüttelte sie den Kopf und beteuerte, dass es ihr gut gehe. Daraufhin plauderte das Paar fröhlich weiter. Und Lyjana...sie versuchte an dem Gespräch teilzuhaben. Ein bisschen Zeit zu stehlen und diesen Augenblick zu genießen. Sie hatte sich fest vorgenommen, kein Trübsal zu blasen, sondern in der kurzen Zeit, die ihr wahrscheinlich noch blieb, das Leben in die Hand zu nehmen und es zu genießen. Ein unbefangenes Gespräch war hierbei genau das richtige. Keiner fragte sie, was sie dort im Wald gemacht hatte. Die unangenehmen Fragen blieben ausnahmsweise aus. Für das junge Paar war sie eine Studentin, die im Wald joggen war und nun kein Geld für ein Taxi zurück hatte. Natürlich ließ sie sich nicht direkt vor das Hotel fahren sondern bat den Mann am Steuer zwei Straßen weiterweg zu halten und sie aussteigen zu lassen. Auch hierbei überkam sie für Sekunden die Nagst, dass er dies nicht tun würde, aber alles lief reibungslos und schon bald stand sie am Lift des Hotels.

Kurz dachte sie an die Zeit, in der sie verkleidet und möglichst unerkannt mit Erik um die Welt gereist war. Was hatte sie doch schon alles gesehen. Paris- oh sie durfte überhaupt nicht daran denken, was in der Stadt der Liebe alles passiert war. London- noch heute lief ihr ein Schauer über den Rücken, wenn sie an den Tower dachte. Rom- die ewige Stadt. Als sie an das riesige Kolosseum dachte, wollte sie schon wieder ehrfürchtig noch oben starren, fast automatisch klappte ihr Mund auf. Sie hoffte so, dass Rom die Ewigkeit überdauern würde. Es war ein Geschenk der Zeit, was dort erhalten geblieben war. Dubai- die Stadt der Superlative. Es gab nichts, was es nicht gab.

So in ihre Gedanken versunken, bemerkte sie überhaupt nicht, dass der Fahrstuhl noch überhaupt nicht gestartete war. In letzter Sekunde schob sich ein Mann hinein. Lyjana beachtete ihn nicht sonderlich. Warum auch. Sie waren hier in einem der besten Hotels der Stadt. Es war also kein Wunder, dass noch mehr Menschen außer ihr anwesend waren. Er stellte sich ihr gegenüber. Die Türen schlossen sich und der Aufzug fuhr los. Doch es ging nicht lange und schon kam es zu einem furchtbaren Rumpeln und Quietschen. Mit einem Mal stand der Aufzug. Das Licht flackerte bedrohlich und Lyjana betete alle Engel und Heiligen an, dass es bloß nicht ausgehen möge. Anscheinend wurden ihre Gebete sogar erhört, denn nach einem kurzen Augenblick des Schreckens erholte sich das Licht schnell wieder. Aber im Lift schien die Temperatur mit jeder Sekunde zu sinken. Da half auch dem besten Licht nichts.

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