„Darf ich kurz ins Hotel fahren?", fragte Lyjana eine der nächsten Polizisten, die ihr über den Weg lief. Verwirrt wurde sie einige Sekunden angeschaut, dann nickte die Frau. „Ja natürlich", antwortete diese. Lyjana nickte dankbar. Sie musste hier raus. Nach einer guten Stunde sinnlosem Däumchen drehen, musste sie raus aus diesem Gebäude. Man hatte ihr gesagt, dass die Verhandlungen heute nicht mehr weitergingen, was sie als recht angenehm empfand. Es waren einfach zu viele Erinnerungen, die mit der Zeit wieder hochkamen. Sie wollte nicht in der Vergangenheit versinken und doch erinnerte sie so gut wie alles an die gemeinsame Zeit mit Erik.
Frische Luft wehte ihr durch die Haare, als sie das große Gebäude des Amtsgerichtes in Hamburg verließ. Seelig atmete sie ein und schloss für einen Moment die Augen. Wie gerne würde sie jetzt die starken Arme von Erik um sich spüren, genauso wie in der Nacht ihres Fluchtversuches. Durch den Regen, die durchweichten Kleider und die Angst zitterte sie am ganzen Körper, als sie an dem schicken kleinen Haus am See ankamen. Das Motorrad, auf dem sie einen großen Teil der Strecke gefahren waren, hatte er einfach in den nächsten Busch geworfen und war die letzten Kilometer mit ihr gelaufen. Doch anstatt sie mit roher Gewalt hinter sich her zu ziehen, lief er gemächlich in ihrem Tempo und bot ihr sogar seine Jacke an. Aber zu diesem Zeitpunkt konnte sie noch nichts mit der Nettigkeit ihres Entführers anfangen und lehnte alles höflich ab. In dem Haus angekommen, ging er mit ihr widererwartend in ein großes geräumiges Wohnzimmer und befahl ihr auf der schwarzen Ledercoach Platz zu nehmen. Er selbst ging zu dem großen Kamin und machte ein Feuer. Dann verließ er den Raum, wobei sie ihn bereits einige Augenblicke später im Raum nebenan verschiedene Schränke und Schubladen öffnen und schließen hörte. In der festen Überzeugung gleich wieder gefoltert zu werden, begann sie voller Angst am ganzen Leib zitterte.
„Ist dir noch immer kalt", hörte sie auf einmal Eriks Stimme hinter sich. Erschrocken fuhr sie zusammen. Hektisch schüttelte sie den Kopf, begann aber gleichzeitig noch stärker zu zittern. „Hör auf zu zittern", befahl er ihr sanft, „versuch dich zu entspannen" Mit aller Kraft versuchte sie den Worten ihres Entführers Folge zu leisten, doch es wollte ihr einfach nicht gelingen. Panik stieg in ihr auf, kannte sie doch mittlerweile die Ungeduld dessen. Keine zwei Sekunden später ertönte wieder seine Stimme in ihrem Rücken. „Trink das", riet er ihr und reichte ihr ein Glas. Skeptisch beäugte sie es. „Ich habe eine Beruhigungstablette darin aufgelöst. Du stehst unter Schock", erklärte er ihr, bevor er ihr erneut befahl zu trinken.
Dieses Mal tat sie es, spürte auch fast sofort die Wirkung des Medikamentes. Jetzt endlich trat er in ihr Gesichtsfeld und sie sah, was er in den Händen hielt- Verbandsmaterial. Er wollte tatsächlich ihre Wunden versorgen. Willig ließ sie es geschehen und betrachte dabei den teuer und edel eingerichteten Raum. Das Mobiliar bestand aus rotem Marmor, schwarzem Leder, Glas und jeder Menge Technik. In diesem Raum verband sich ohne Zweifel jede Menge Geld, doch es wirkte zu keiner Zeit kitschig oder überheblich, sondern einfach nur edel und schön. „Gefällt dir, was du siehst?", hörte sie eine leise Stimme in der Ferne. Sie wollte antworten, doch ihre Lieder waren auf einmal so schwer und ihre Kehle fühlte sich rau und trocken an. Wer immer etwas von ihr wollte; er konnte warten. Jetzt wollte sie zuerst einmal schlafen.
„Miss Hathaway?!", rief eine Stimme entnervt, „Miss Hathaway?! Haben sie nun dieses Taxi bestellt oder nicht?" Erschrocken öffnete sie die Augen und erblickte ein Taxi direkt auf dem Bürgersteig vor ihr. Ein ziemlich übellauniger Mann ausländischer Herkunft schaut sie an, wobei seine Finger nervös auf die Außenseite seiner Wagentür trommeln. „Ich komme", antwortet Lyjana dem Fahrer und steigt hastig ein. „Wohin?", schnauzt er sie an, kaum, dass sie sitzt. „Einen Moment", erbittet Lyjana sich und sucht nach dem Zettel, den ihr Erik zugesteckt hat. Als sie ihn in den Tiefen ihrer Handtasche findet, muss sie unwillkürlich schmunzeln. Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten stand darauf- ohne Zweifel das beste Hotel der Stadt. Als sie dem Fahrer die Adresse nannte, staunte dieser nicht schlecht. Von einer auf die andere Sekunde veränderte sich seine gesamte Haltung ihr gegenüber. Traurig, dachte Lyjana so bei sich. Traurig, dass es in dieser Welt nur noch um Geld und Macht ging.
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Sag es!
HorrorWenn der Tod einem begegnet können die meisten Menschen nicht mehr entfliehen, doch für Lyjana Hathaway ist der Tod nicht das Ende - nein. Der Tod will sie und er spielt ein grausames Spiel mit ihr in dem nicht nur ihr Leben der Einsatz ist, jede S...