Der Ball

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Laika saß auf ihrem Bett und übersetzte das Buch über die Zeitmagie. Mehr als die Hälfte hatte sie schon. Sie wollte diese Magie unbedingt erlernen, hatte aber nicht vor, Rosalia danach zu fragen. Immerhin gab es in dem Buch so einige Warnhinweise, dass diese Magie sehr mächtig und gefährlich sein konnte. Aber genau das war der Grund, warum Laika sich so brennend dafür interessierte. Sie wollte es sich selbst beibringen, zusätzlich zu ihrer Gravitationsmagie.

Sie blätterte um, um sich die nächste Seite vorzunehmen, da klopfte es an der Tür. Schnell versteckte Laika die Bücher unter ihrem Kissen, ehe sie sagte: „Herein!". Niemand sollte wissen, was sie vorhatte. Die Türklinke wurde heruntergedrückt, und Joel kam rein. „Hey", grüßte er mit einem leichten Grinsen. „Hallo", murmelte Laika leise und lächelte schüchtern. Er begann ohne Umschweife zu erzählen: „Vielleicht war Vermont ja schon hier, aber morgen Abend soll irgendwo ein öffentlicher Ball stattfinden. So ein altmodischer. Würdest du kommen?". Sie überlegte ein wenig. Es klang zwar ganz interessant, aber sie würde lieber weiter ihr Buch übersetzen. „Ich weiß nicht", begann sie schließlich unsicher, „Ich glaube, ich würde lieber hier bleiben." „Oh, okay", sagte Joel mit einem leichten Lächeln und ging wieder zur Tür. „Dann, gute Nacht." „Nacht", sagte Laika leise, aber da hatte er die Tür schon wieder geschlossen.

Sie biss sich unsicher auf die Unterlippe. Hatte sie gerade eine Gelegenheit verpasst? Wollte Joel sie etwa einladen, als seine Begleitung mitzukommen? Schnell schüttelte Laika den Kopf. Nein, bestimmt nicht, was dachte sie sich da nur? Leise seufzte sie und holte die Bücher wieder aus ihrem Versteck hervor.

*

„Vermont? Kannst du mir vielleicht die Haare machen?", bat Cathéa den Franzosen, der gerade Coco schminkte. „Vous en prie, Chérie! Ich muss nur noch Princesse fertig kriegen..." Cathéa sah neugierig zu, wie er Coco für den Ball fertig machte. Die Haare waren zu einer aufwendigen Frisur hochgesteckt, und sie trug ein langes, gelbes Kleid, welches wunderbar zu ihrem dunklen Teint passte. „Voilá!", rief Vermont kurz darauf und klatschte fröhlich in die Hände. „Danke, Vermont", sagte Coco leicht grinsend und drehte sich zu Cathéa. „Und? Wie sehe ich aus?". „Echt toll", meinte sie staunend und betrachtete ihre Freundin. „So, Cherié, jetzt bist du dran", sagte Vermont lächelnd zu Cathéa. Als er jedoch sah, dass sie noch ganz normale Kleidung und keine Schminke trug, verblasste sein Lächeln. „Was? Du möchtest nur eine Frisur? Cherié, du bist wirklich joli, aber wir gehen auf einen richtigen Ball! Ach, ich mache einfach alles. Bien, stell dich vor mich." Sie gehorchte ihm, stellte sich vor ihn und schaute ihm in die grauen Augen. Kurz betrachtete Vermont die Eismagierin skeptisch, ehe er eine Handbewegung machte, woraufhin ihre Haare kunstvoll geflochten herunterhingen. Nun schlich sich wieder ein zufriedenes Grinsen auf sein Gesicht. „Magnifique, schon besser...". Erneut musterte er sie und machte eine andere Handbewegung, die ihre Kleidung in ein knielanges, purpurfarbenes Kleid verwandelte. Vermonts Grinsen wurde etwas breiter, und er machte sich selbstsicher an ihr Make-Up.

Vorsichtig stöckelte Cathéa die Treppe herunter in den Eingangsbereich der Villa. Vermont hatte ihr noch hochhackige, schwarze Schuhe angedreht, jedoch konnte sie in diesen nicht sonderlich gut laufen. Unten vor der Tür standen Joel, Anemos, Coco und Hyou, die auf die anderen warteten. Als sie die Treppe mit Mühe bewältigt hatte, lief sie langsam zu den anderen. Hyou bemerkte sie als erstes. „Brauchst du Hilfe?", fragte er mit einem leichten Grinsen. Er trug einen dunkelgrünen Anzug und hatte seine schwarzen Haare wie immer, sodass sie ihm ins Gesicht hingen und seine Schlitzaugen fast komplett bedeckten. „Nein, danke...", murmelte sie und atmete erleichtert aus, als sie endlich bei ihren Freunden angekommen war. Joel sah zu ihr, stockte bei ihrem Anblick kurz und musterte sie beeindruckt. „Wow, siehst echt gut aus. Vermonts Werk?". Cathéa nickte lächelnd.

„Wo findet der Ball eigentlich statt?", fragte Anemos, welcher einen einfachen, schwarzen Anzug trug, stirnrunzelnd in die Runde. Coco antwortete: „In dieser großen Schule da. Ist eine Veranstaltung von denen." „Ich bin schon gespannt, was da so für Leute sind", sagte Hyou leicht grinsend. „Und ich bin gespannt, was es zu essen gibt", kam es von Anemos, was die anderen zum Lachen brachte.

Nach einiger Zeit kamen noch Malayka, Taynara, Rayn und Matteo dazu. Sein Anzug passte Matteo wie angegossen. „Gehen wir?", fragte Taynara aufgeregt. Sie trug ein moosgrünes Kleid, welches gut zu ihren roten Locken passte. „Wir müssen noch auf Vermont warten", sagte Coco und schaute zur Treppe. „Bin schon hier, Princesse", kam es von oben, und er kam die Treppe herunter. „Bien, los geht's!".

Als Cathéa mit den anderen die große Aula der Schule, in der der Ball stattfand, betrat, schaute sie sich begeistert um. Es war festlich dekoriert, aber im altmodischen Stil. An der Decke der Aula waren einige antike Kronleuchter montiert worden, und alles war in schlichten Farbtönen gehalten. Es wimmelte nur so von allen möglichen Menschen in den verschiedensten Anzügen. Ein fremdes Mädchen mit blonden Haaren kam lächelnd auf sie zu. „Hallo! Willkommen auf dem Ball. Ihr seid keine Schüler von hier, oder?". Cathéa schüttelte den Kopf, und das Mädchen sprach weiter: „Ah, okay. Dann viel Spaß noch!". Sie schenkte der Gruppe noch ein herzliches Lächeln, bevor sie wieder in der Menschenmenge verschwand.

„Alors, willst du mit mir tanzen, Princesse?", fragte Vermont Coco mit einem leichten Grinsen. „Gerne doch", gab sie lächelnd zurück, und im nächsten Moment waren sie auch schon auf der Tanzfläche verschwunden. „Joel? Ich will auch tanzen!", sagte Cathéa mit funkelnden Augen, während Anemos und Hyou sich zum Buffet schlichen. „Uh... okay", sagte Joel mit einem verschmitzen Grinsen und versuchte, mit ihr zu tanzen, scheiterte aber kläglich und trat ihr ständig auf die Füße. Matteo lachte ihn aus, ehe er sagte: „Warte, ich zeige dir wie das geht." „Pff, du kannst es bestimmt nicht besser", grummelte Joel, machte ihm aber Platz, um mit Cathéa zu tanzen. Matteo grinste leicht, legte seine Hände leicht an ihre Hüfte und begann mit ihr zu tanzen. Anders, als Joel und auch Cathéa es erwartet hatten, tanzte Matteo sogar ziemlich gut. Joel brummelte irgendetwas vor sich hin, und Cathéa lachte über ihn.

„Partnertausch!", rief eine Stimme von weiter vorne, und jeder bekam einen neuen Tanzpartner. Nun tanzte Cathéa mit einem Jungen mit orangenen Haaren, blauen Augen und schwarzer Brille, er wirkte wie ein Schüler aus der Schule. „Ich bin Phillip", stellte er sich grinsend vor, während sie tanzten. „Ich bin Cathéa", sagte sie lächelnd. „Interessanter Name", meinte er stirnrunzelnd, „Du gehst nicht auf unsere Schule, oder? Deinen Namen hätte ich bestimmt nicht vergessen." „Nein, ich habe Privatunterricht", erzählte sie lächelnd. Die beiden plauderten noch ein wenig weiter, bis zum nächsten Partnertausch.

Beim nächsten Tausch bekam Cathéa einen jungen Mann mit einem hübschen Gesicht und hellbraunen Haaren ab. Seine Augen waren hellgrün und wurden von etwas längeren, dunklen Wimpern umrahmt. „Guten Abend, die Dame. Mit wem habe ich das Vergnügen?", fragte er sie mit einem charmanten Lächeln. „Ich bin Cathéa", antwortete sie etwas verblüfft über den geschwollenen Sprachstil; Der Junge sah nicht viel älter aus als sie selbst. „Oh, welch ein reizender Name. Entschuldigt, ich habe mich selbst noch nicht vorgestellt: Mein Name ist Lavourne. Comte de Lavourne", stellte er sich selbst vor. Cathéa war noch verblüffter als zuvor. Ein französischer Graf? „Du bist ein waschechter Adliger? Was machst du denn hier? Und warum bist auf einem einfachen Schulball?", fragte sie, und hoffte, dass die Frage nicht allzu unfreundlich herüberkam. „Wer weiß...", hauchte er mit einem geheimnisvollen Lächeln, doch bevor sie eine weitere Frage stellen konnte, zum Beispiel wie sein Vorname lautete, war auch schon der nächste Partnertausch, und der Fremde verschwand in der Masse.

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