Trotzphasen

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Cathéa entfernte sich langsam von der Tanzfläche und dachte ein wenig über den Jungen nach, da er Eindruck bei ihr hinterlassen hatte. War er tatsächlich ein Graf? Er schien viel zu jung dafür, und es war eigentlich auch ziemlich unrealistisch, einen französischen Graf auf einer einfachen, schulischen Veranstaltung zu treffen. Cathéa schüttelte den Kopf leicht. Wahrscheinlich war er ein einfacher Schüler, der sich einen Spaß erlaubte.

Sie ging herüber zum Buffet, an dem Vermont stand und sich mit zwei anderen Jungen unterhielt. Der eine war ziemlich hoch gewachsen, hatte wellige, blonde Haare mit türkisen Spitzen und gräulich-blaue Augen, der andere etwas längere, schwarze Haare mit dunkelroten Strähnen und dunkelbraune Augen, die leicht rot schimmerten.

„Hallo!", machte Cathéa lächelnd auf sich aufmerksam und gesellte sich zu den Jungen. „Oh, hey, Chérie", kam es von Vermont, „Das sind Lucas und Aleksander." Lucas schenkte ihr ein leichtes Lächeln, während Aleksander sich mit konzentriertem Blick umschaute.

„Wo ist Coco eigentlich?", fragte sie Vermont stirnrunzelnd, als sie bemerkte, dass sie nicht bei ihm war. Er seufzte leise, ehe er antwortete: „Beauté hatte eine Idee, und hat Princesse und mon Amour überredet mitzumachen." Er deutete in Richtung Bühne, auf die Malayka und Coco in dem Moment unter Jubelrufen von Taynara stiegen, während Rayn stumm neben ihr stand und das Szenario mit zweifelndem Blick betrachtete. Cathéa sah überrascht zu, wie Malayka zum DJ, der die klassische Musik die ganze Zeit durch die Lautsprecher dröhnen ließ, ging und etwas zu ihm sagte. „Elles sont folles...", murmelte Vermont und schlug sich die Hand gegen die Stirn.

Der DJ sah Malayka entgeistert an, bevor er den Kopf schüttelte und sie und mit einer Handbewegung wegschickte. Mit hängenden Köpfen kamen die Beiden wieder von der Bühne herunter zu Taynara, die auch ein wenig enttäuscht aussah, Rayn hingegen seufzte erleichtert. Cathéa schmunzelte leicht und ließ ihren Blick weiter durch die große Aula schweifen. Nicht weit von sich entfernt sah sie Anemos und Hyou tanzen. Hyou hatte eine Frauenperücke an und tat offensichtlich so, als wäre er ein Mädchen, wobei sich Anemos während des Tanzens sich die ganze Zeit kaputtlachte. Grinsend beobachtete Cathéa sie dabei, Vermont fing wieder ein Gespräch mit Lucas und Aleksander an, doch eigentlich sprach er hauptsächlich mit Lucas, da Aleksander kaum etwas sagte.

Nach einer Weile hörten Anemos und Hyou auf zu tanzen und kamen herüber zu Cathéa. „Hallo, ich bin... Hyna, Anemos' neue Freundin", sagte Hyou mit hoher Stimme und hielt ihr grinsend die Hand entgegen, woraufhin Anemos wieder anfing zu lachen. „Hey, Hyna, nett, dich kennenzulernen", kicherte sie und schüttelte seine Hand. Hyou strahlte sie an, ehe er sich wieder zu Anemos drehte. „Du wirst mich niemals verlassen, oder Schatzi?", fragte er ihn und klimperte mit den Wimpern. „Natürlich nicht", sagte Anemos grinsend, wobei er aus Spaß einen Kussmund machte. Hyou machte ebenfalls einen übertriebenen Kussmund und kam Anemos näher, weshalb Cathéa wieder kicherte.

Plötzlich sprangen die beiden Jungs auseinander und wischten sich hektisch über den Mund. Sie brauchte erstmal ein wenig, um zu verstehen, was passiert war, ehe sie laut loslachte. „Bah! Warum hast du mich geküsst, du Schlitzauge?!", kam es angeekelt von Anemos. „Ich dachte, du würdest zurückweichen, du Windbeutel!", konterte Hyou verärgert, während er sich weiterhin den Mund abwischte. „Ich dachte, du würdest zurückweichen, du Kaonashi!". „Ich bin kein Kaonashi, du Wölkchen!". Sie starrten sich feindselig an, bis Anemos bemerkte, dass Cathéa noch da war und noch immer lachte. Er bemerkte ebenfalls, wie lustig diese Situation eigentlich war, weshalb auch er anfing zu lachen, und Hyou lachte dann mit.

***

„Leándre?".

„Hm?".

„Spürst du auch diese magische Präsenz?".

Leándre blieb stehen und schaute sich auf der Straße um. „Ja... Vorhin habe ich auch welche gespürt, aber das...". „Eiserner Willen", murmelte Aco, und ein finsteres Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. Leándre musterte seinen Freund von der Seite und vergrub seine Hände in den Hosentaschen. „Was hast du vor?". Aco schaute empor zum Nachthimmel, an dem in dieser Nacht viele Sterne funkelten. „Was wohl?". Leándre seufzte leise: „Der Alte wird es nicht gestatten."

„Warum denn nicht?". Aco sah wieder zu ihm, in seinen Augen lag ein böses Funkeln. „Was hätte er denn dagegen einzuwenden? Das könnte doch ganz lustig werden. Ich habe sowieso keine Lust mehr zu warten. Er hat schon dafür gesorgt, dass wir auf dem neusten Stand der Dinge sind." „Aber du vergisst mein Problem", warf Leándre ein und kratzte sich am Hinterkopf. „Problem? Es ist doch kein Problem, es ist fantastisch! Im Kampf mehr Überraschungseffekte", meinte Aco begeistert, „Außerdem... Ich spüre es. Von wem auch immer diese Magie kommt, es wird etwas passieren. Also, warum sollten wir das Ganze nicht einfach ein wenig beschleunigen?". Kurz sah Leándre ihn nachdenklich an, bevor er ebenfalls anfing zu grinsen und sagte: „Eigentlich hast du ja Recht. Der Alte wird es wahrscheinlich auch gut finden." Er lief vor, in die Richtung, aus der die Energie ausgestrahlt wurde, und Aco folgte ihm zufrieden.

„Was denkst du? Männlich oder weiblich?".

„Weiß nicht so recht", antwortete Leándre und legte den Kopf schief. „Aber ich glaube, er oder sie ist schon etwas älter. Ich frage mich, was der Magier wohl vorhat..."

„Bald werden wir es ja erfahren", meinte Aco und lachte anschließend finster. Plötzlich sprang etwas aus dem Gebüsch und blieb vor ihm stehen. Eine Katze starrte ihn aus großen Augen an. Aco verzog keine Miene, sah die Katze ausdruckslos an, und im nächsten Moment gab sie ein seltsames Geräusch von sich und krümmte sich zusammen. Leándre drehte sich um und betrachtete die Katze. „Eine Katze? Wirklich? Bei Menschen ist es doch viel lustiger", meinte er stirnrunzelnd. Aco sah mit einem Lächeln wieder zu ihm hoch. „Ich weiß. Aber mir ist langweilig."

***

Tief in der Nacht kamen die jungen Magier vom Ball zurück nachhause. Alle waren gut gelaunt, Taynara schlief und wurde von Rayn getragen. Als sie vor der Tür standen, wollte Matteo an der Tür klopfen, doch als seine Faust das antike Holz berührte, wurde er plötzlich zurückgeschleudert. „Matteo!", rief Cathéa entsetzt und kniete sich neben ihn, Joel tat es ihr gleich. Matteo stöhnte schmerzerfüllt auf und sah auf seine Hand. An seinen Fingerknöcheln war seine Haut verbrannt. Schockiert sah Cathéa herüber zur Tür. Was war passiert? Plötzlich wurde sie von Milan aufgerissen. Seine Haare standen zu Berge, wie bei einem Stromschlag.

„Nicht weinen Kiki, alles ist gut, bitte, hör auf zu weinen", sagte er verzweifelt, Kiki stand neben ihm und schluchzte. Coco stupste Joel hektisch an. „Los! Mach was!". Kurz blinzelte er sie irritiert an, ehe er verstand was sie meinte und die Kontrolle über Kiki übernahm. „Ähm... Schlaf ein!", befahl er spontan, woraufhin das kleine Mädchen sofort einschlief. Milan fing sie auf, bevor sie auf den Boden fallen konnte. „Was ist passiert?", fragte Vermont völlig überfordert und schaute Milan besorgt an. „Ich weiß es nicht. Kiki stand verzweifelt weinend im Flur und niemand wusste, was los war. Jeder, der ihr zu nahe gekommen ist, hat einen Stromschlag bekommen." Ratlos sah er auf die Kleine in seinen Armen hinab.

„Sie hat nicht ohne Grund geweint. Es muss etwas Schlimmes passiert sein", stellte Rayn fest, „Wo sind die anderen, die zuhause geblieben sind?". Milan überlegte: „Meisterin Rosalia ist in der Bibliothek und sucht nach einem Weg, Chaosmagie zu kontrollieren, und Laika ist noch auf ihrem Zimmer." „Wann hast du sie zuletzt gesehen?", erkundigte sich nun Hyou ernst, während Rayn Taynara weckte, um Matteo zu verarzten. „Die Meisterin eben gerade, und Laika... Ich weiß nicht genau. Sie kam die ganze Zeit über nicht herunter."

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