XXII. Besprechungen für die Zukunft

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Langsam Trat Eragon vor den Spiegel. Er war extrem nervös und unruhig. Jetzt würde er gleich alle, fast alle, wiedersehen, die er vermisst hatte. Doch würde er nicht richtig mit ihnen reden können. Er würde als das Oberhaupt der zukünftigen Drachenreiter, als der Schattentöter, der Königsmörder, mit ihnen, den Oberhäuptern Alagaësias die Zukunft des Landes und des neuen Ordens sprechen.

Und diesmal würde er sich nicht einfach zurückziehen können. Diesmal musste er stehen, stark und ungebrochen, optimistisch und kompromissbereit. ‚Sei einfach du selbst, Kleiner. Niemand verlangt von dir das du etwas vorgibst zu sein, was du nicht bist. Rede mit ihnen ernsthaft, aber nicht steif. Rede mit ihnen als ein Freund. Und bewahre einen kühlen Kopf.' Dabei ließ sie ihn all ihre Zuneigung und Zuversicht spüren. Langsam atmete Eragon aus. Ja, sie hatte recht.

Er gab sich einen Ruck, und zog geschwind das Tuch von seinem Mannshohen Spiegel. Und nun gab der Spiegel den Blick auf einen riesigen Saal frei. An dem Tisch saßen zwei Personen, und an jeweils einem freien Platz stand ein Spiegel.

In einem Von ihnen war Orik, der König der Zwerge zu sehen. Sein roter Bart war mehrmals geflochten und er trug eine Stahlgraue, und kräftige Rüstung und den Hammer aller Könige, Volund.

In einem anderen Spiegel war Nar Garthzvog zu sehen. Er war unbewaffnet, was für einen Kull ungewöhnlich war, und er trug auch nur schlichte Gewänder.

Im nächsten Spiegel konnte Eragon den König Surdas, Orrin, sehen. Er war prächtig bekleidet, mit einem juwelenbesetzten Weinbecher in der Hand.

Im letzten Spiegel konnte Eragon einen Elf sehen, den er aber nicht kannte. Er den Umhang aus Schwanenfedern und trug das Diadem auf dem Kopf. Er wirkte ruhig, klug und freundlich.

Die sechs Personen sprachen miteinander, ohne Eragons verspätete Anwesenheit zu beachten. Am Anfang wusste Eragon noch nicht, worüber sie sprachen, da er schließlich mitten in ihren Besprechungen aufgetaucht war. Doch nachdem Eragon sich zwang einfach mit zuzuhören, seine Nervosität bekämpfend, begann er langsam zu verstehen.

Sie sprachen von allgemeinen Gesetzen, welche sie verwerfen, und welche sie annehmen sollten. Sie sprachen über die allgemeine neue Ordnung aller vier Völker.

Langsam wechselte das Thema wieder zu der Problematik mit der Magie.

„Wir sollten ein Gesetz verhängen, dass allen Magiern in diesem Land verbietet diese zu benutzen, solange sie nicht die Genehmigung des Landes haben! Wir sollten Wachen dafür einstellen und alle überwachen, und jede Gesetzwidrige Anwendung der Magie mit dem Kerker ahnden!" Orrins Worte schalten durch den Raum, und die eben noch entspannten Züge der Anwesenden wurden augenblicklich wachsam.

Der offensichtlich neue König der Elfen erhob das Wort: „Wir würden viel zu weit in die Privatsphäre unserer Bürger eindringen, wenn wir eine volle Überwachung zulassen würden! Und wie sollten wir uns Elfen überprüfen, keine Magie zu wirken? Wir alle haben sie in uns, gebrauchen sie zu guten Zwecken und niemand hier in Du Weldenvarden würde sich freiwillig von ihr lossagen!"

Eragon öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch genau als er den ersten Laut aussprechen wollte, erstickte ihm die Stimme. Ein einziger Gedanke hatte sich gerade in seinen Kopf gebrannt.

Arya hatte abgedankt! Er hatte das überhaupt nicht wahrgenommen. Erst jetzt viel es ihm wirklich auf. Das erklärte ihr Verhalten am letzten Abend! Seine Nervosität wurde beiseite gefegt und machte Freude Platz. Doch als er in das Gesicht von Arya warf, wie sie mit steinerner Maske dort am Tisch saß verflog seine Freude sofort. Nein, diesen Enthusiasmus, den er verspürt hatte, der war falsch gewesen. Und genauin diesem Augenblick wusste er auch, was sie vorhatte, als Drachenreiterin inAlagaësia zu tun: genau das, wofür sie verpflichtet war. Sie würde die Eierbeschützen, bewachen und verteilen. Sie würde die neuen Reiter ausbilden, bissie bereit waren, hier her zu reisen. Doch er würde trotzdem nochmal mit ihrdarüber reden. Aber nicht jetzt. 

Nur zu gut wusste er von Aryas Pflichtbewusstsein, und wie sie sich für ihr Volk einsetzen wollte. Sie hatte ihren Posten aufgegeben, und Eragon wusste nicht, was sie jetzt genau fühlte.

„Ich hätte eine Idee, um das Problem mit den Magiern zu lösen." Eragons Stimme zerschnitt förmlich die Anspannung zwischen den Oberhäuptern Alagaësias. Alle Blicke schossen zu dem jungen Mann, der jetzt dort im Spiegel erschienen war.

Eragons Hände verkrampften sich, und er ballte sie zu Fäusten, um sich selbst wieder in den Griff zu bekommen. Jetzt wo alle Aufmerksamkeit der Anführer, seiner Freunde, bei ihm lag, wollte er wegrennen weg von der Politik, er wollte nach Alagaësia rennen, um ihnen richtig gegenüberzustehen, um mit ihnen befreit reden zu können.

Doch er konnte nicht. Es würde das Gleichgewicht zerstören.

Noch einmal blickte Eragon jeder Person in die Augen, doch bei Arya blieb er hängen. Der Hauch eines Lächelns hatte sich auf ihrem makellosen Gesicht gezeigt. Sie nickte ihm aufmunternd zu.

„Wie ihr alle inzwischen wissen solltet, haben wir eine passende Heimat für die Reiter gefunden." Kurz beschrieb er diesen wundersamen Ort. „Und wir haben vor, jenen, die in dem Krieg gegen Galbatorix alles verloren haben, oder jenen, die ihren inneren Frieden nicht finden, bei uns eine neue Heimat zu geben." Orrin unterbrach ihn: „Was hat das, was du uns gerade beschreibst, mit den Magiern zu tun?" Eragon sah ihm einen kurzen Augenblick in die Augen. Orrin hatte sich gebessert. Er hatte Nasuada akzeptiert, und diese Frage war nicht arrogant, sondern ehrlich gewesen.

„Es wird bei uns Schulen geben, und eine dafür wird für Magier sein. Es werden alle Magier aufgerufen, sich von uns in eben dieser Schule unterrichten zu lassen. Sie werden lernen, mit ihren Kräften umzugehen, und sie nicht zu missbrauchen."

Kurz herrschte Stille. Nun erhob Nasuada das Wort: „Es ist wohl die bisher beste Idee, die wir haben." Sie machte eine kurze Pause, und Eragon wusste, dass sie noch nicht fertig war. Deshalb gab er ihr den Schub, den sie anscheinend brauchte, um Kritik an ihm zu üben. „Aber..." Kurz lächelte Nasuada. „Aber wie willst du wissen, dass sich alle Eltern dafür bereit erklären, ihre Kinder für Jahre wegzuschicken? Woher willst du wissen das sich alle Kinder freiwillig melden werden, deine Schulen zu besuchen?"

Eragon hatte sich über diese Situation schon Gedanken gemacht, nicht viele, aber ausreichende. „Die Eltern des Kindes dürfen es für die Ausbildung begleiten, oder wenn das wegen ihrer Arbeit nicht geht, es immer wieder Besuchen. Aber du hast recht, alle werden sich keinesfalls dafür melden, aber die die es tun, können sie bemerken, und auf sie aufpassen, und ich bin zuversichtlich, dass sie das auch tun würden."

Nun sprach keiner ein Wort, alle bedachten ihre Entscheidung, ob Eragons Idee ausreichend war. Und mit jeder Sekunde die verstrich, stieg in Eragon die Angst, dass sie diese Lösung nicht annehmen würden. Diese Schule war ein Schlüsselteil seines Vorhabens, eine Stadt am Fuße des Gebirges, das das Hjarta abr Mor'ranr umschloss, zu gründen.

Auf einmal flutete Saphiras Bewusstsein in das seine, schmiegte sich an ihn, und sie zeigte ihm ihre Zuversicht und ließ das warme Gefühl der Fürsorglichkeit in ihn hineinfließen.

Langsam entspannte sich Eragon wieder, stand locker da, und zeigte Saphira seine Dankbarkeit.

„Eragons Vorschlag ist wohl der beste und friedlichste, den wir finden werden. Er mag zwar nicht perfekt sein, aber ich bin für ihn." Überrascht sah Eragon zu Orrin. Er hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit, das ihm Orrin freiwillig zustimmte. Doch das Gesicht des Königs von Surda zeigte deutlich seinen Missmut, Eragons Vorschlag anzunehmen.

„Ich gebe König Orrin recht, der Plan meines Clan-Bruders ist der wohl einzige Vernünftige, den wir je haben werden."

„Das Volk der Urgals schließt sich deiner Meinung an, Feuerschwert!"

„Ich werde mich ebenfalls für deine Idee der Schule der Magie anschließen."

„Doch was ist mit uns Elfen? Wir könnten unsere wenigen Kinder selbst unterrichten, und haben eine solche Aktion nicht nötig. Ihr habt eine sehr gute Idee, doch uns betrifft sie nicht, und ich glaube nicht, dass die anderen Völker eine Ausnahme bei diesem Thema akzeptieren würden."

Wieder herrschte Stille, als alle Anwesenden auf Eragons Antwort darauf warteten.


Eragon V; Krieg für den FriedenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt