Kapitel 18 - Emma

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»Autsch, was zum...« Das gab einen blauen Fleck. Emma landete direkt auf ihrem Arm, und ihr Aufprall hallte. Sie war in einem Palast und wie sie schnell feststellte, in dem Palast der Bösen Königin.

Sofort griffen sie zwei Soldaten unter die Arme »Ein Eindringling!«, rief der eine und packte Emma fester.

»Ich bin kein Eindringling. Ich möchte nur mit dem König sprechen!«, wehrte sich Emma.

»Ihr meint wohl mit der Königin. Tja, netter Versuch. Bringen wir sie in den Kerker!«, rief der Soldat zu Emmas Rechten und zog sie unsanft mit sich. Die Königin - etwa Regina? Ein bisschen wunderte sich Emma schon, dass sie immer in ihrer Nähe herauskam. Der Märchenwald war schließlich groß. Als sie länger darüber nachdachte, wunderte sie es kein bisschen. Sie war Reginas Happy End - und das stand schon lange fest. Lange bevor sie sich überhaupt kennenlernten. Mit einer gekonnten Umdrehung wandte sich Emma aus den Griffen der Soldaten und versetzte ihn mit dem Ellenbogen einen Stoß in den Bauch, sodass dieser sich krümmte und von ihr abließ. Auch den zweiten Soldaten konnte Emma mit ihrer langjährigen Erfahrung überwältigen, sodass sie verschwinden konnte, ehe ihr die Soldaten mit ihrer schweren Rüstung folgen konnten.

Sie irrte durch die Gänge und fühlte sich als wäre sie in einem Labyrinth gefangen. Wer wollte hier schon freiwillig leben? Alles war kalt und dunkel, die Wände mit einem feuchten Film bezogen. Endlich erreichte Emma eine Tür, die nicht wie der Eingang zu einer Abstellkammer aussah. Gerade, als Emma sie öffnen wollte, flog sie von selbst auf und sie schaffte es gerade noch einen Satz zur Seite zu machen, um nicht gesehen zu werden.

»Wage es nicht ohne zurückzukommen«, drohte eine Stimme von drinnen und ein kleiner, dürrer Mann lief durch die Tür nach draußen. Er bemerkte Emma nicht, die sich hinter einem Türflügel versteckte. Kurz bevor die Tür wieder zuzuschwingen drohte, schlupfte Emma hindurch und fand sich im Reich der Bösen Königin wieder.

Regina war gerade damit beschäftigt, ihr Spiegelbild zu betrachten und ihre pompöse Frisur zu richten. Sie trug ein majestätisches Kleid mit tiefem Ausschnitt und Makeup, dass man auch aus hundert Metern Entfernung noch bemerkte.

»R... Regina?«, fragte Emma vorsichtig und ging in Deckung. Zurecht, denn ehe sie sich versah flog auch schon ein Feuerball in ihre Richtung. »Warte! Ich möchte nur mit dir reden! Wir kennen uns!«, versuchte sie sich zu verteidigen, aber die Königin war nicht in Plauderstimmung.

»Verschwindet aus meinen Mauern, oder ihr Eindringen wird das Letzte sein, was sie getan haben«, drohte die Frau, die gerade versuchte Emma umzubringen.

Sie suchte hinter dem Schminktisch Schutz und bemerkte die pechschwarze Krone auf Reginas Haar. Irgendwie musste sie an diese herankommen. Mit einer Fingerbewegung flog der Tisch zur Seite und Emma war der Königin ausgeliefert.

»Erinnerst du dich nicht an mich? Ich bins, Leia. Euer Stallmädchen für einen Tag.« Emma war sich dem Risiko bewusst und ging in Deckung, als ein weiterer Feuerball in ihre Richtung flog. Mit dieser Regina war nicht zu Spaßen. »Ich brauche die Krone, Regina.«

»Ich kenne keine Leia. Was wagt Ihr es in mein Schloss einzudringen und Forderungen zu stellen?«, fauchte Regina, oder zumindest das, was von ihr übrig geblieben war.

Emma huschte hinter das Bett und bahnte sich dann den Weg durch das Zimmer, sodass sie Regina von hinten überraschen konnte. Reden brachte hier gar nichts, aber sie brauchte die Krone. Unbedingt. Geistesgegenwärtig packte die Böse Königin von hinten und riss ihr die Krone vom Kopf. Sie wartete auf den Stromschlag, von dem Regina erzählt hatte. Die Magie, die durch die Adern fließt. Man spürte es sofort, hatte sie gemeint. Aber es tat sich nichts.

Mit einer Fingerbewegung klebte Emma an der Wand, unfähig sich zu bewegen. Die Krone fiel zu Boden. »Was zum... Regina ich wollte dir nichts tun!«

Die Böse Königin verlor keine Zeit, sondern legte eine Hand um Emmas Hals und drückte zu. Emma würgte. »Bitte, ich...«, presste sie hervor. »Du kennst mich.«

»Einer Ratte wie Euch bin ich nie begegnet. Ihr werdet es noch bereuen eure Königin ohne Respekt angesprochen zu haben.« Reginas Finger drückten in Emmas Haut. »Für Euch bin ich Ihre Majestät.«

»Stimmt. Von der Regina, die mich kannte, ist nicht mehr viel übrig«, hauchte Emma und starrte in Reginas hasserfüllte, fast schwarze Augen. Es bestand keine Gefahr, sie konnte jederzeit zurückspringen. Irgendetwas in ihr wollte Regina aber nicht so zurücklassen.

»Ihre. Majestät.«, Reginas Lippen verengten sich zu einem Schlitz.

»Regina, die Frau, die Pferde liebt. Regina, die Magie hasst. Was ist aus ihr geworden?«

Emma sah in Reginas Augen, dass etwas in ihr brach. Es war nur ein kurzes Lidzucken, für einen winzigen Augenblick verschwand der Hass. Langsam wurden die Bilder unscharf und sie kämpfte um Luft. Regina verstärkte ihren Griff und Emma wurde schwarz vor Augen.

******

Als Emma wieder das Bewusstsein erlangte, befand sie sich nicht mehr in Reginas Gemächern. Der Raum war dunkel, nur das fahle Mondlicht verriet ihr, dass sie hinter Gittern verweilte. »Verdammt«, fluchte Emma, trat gegen die Stäbe und rüttelte daran. Sie fasste sich an ihren Hals, der immer noch ganz schön schmerzte. Dann versuchte sie sich konzentrieren, um zurückzuspringen, doch nichts tat sich. »Was zum...«

»Magie ist hier nutzlos, my Dear«, sagte eine Stimme, die aus der Zelle neben Emma kam. Sie konnte die Person nicht sehen, aber sie wusste ganz genau wer das war. Der raue und bedrohliche Unterton konnte nur der Bösen Königin gehören.

»Was tut Ihr denn hier, eure Majestät«, sagte Emma sarkastisch, während sie sich nach einer Lösung umsah. »Ich dachte Ihr würdet euren Palast bevorzugen, so als Königin.« Die Gitterstäbe konnte sie ohne Magie und Werkzeug nicht zerbrechen. Wie sollte sie jetzt in ihre Zeit zurückkommen?

»Ich warte nur auf den richtigen Moment um Snow White ein für alle mal zu erledigen.« Emma konnte hören, dass Regina die Zähne fletschte.

»Und was dann? Glaubst du, dann bist du glücklich?«

»Ja. Snow Whites Verderben ist mein Glück.«

Obwohl Emma am liebsten versucht hätte, Regina umzustimmen, verdrehte sie lieber die Augen und erinnerte sich daran, dass Regina das nicht gelingen würde. Wenn sie nichts veränderte, würde alles gut werden. Sie fragte sich, wie lange sie wohl ohne Bewusstsein gewesen war. Es musste schon einige Zeit gewesen sein, schließlich hatten sie Regina inzwischen gefangen genommen.

Auf einmal hörte Emma Schritte und klappernde Ketten. Snow White erschien vor ihrer Zelle, in Begleitung eines Soldaten. »Wie ist Ihr Name?«, fragte sie Emma.

»Leia, Prinzessin Leia.«

»Was wolltet Ihr im Schloss der Bösen Königin?«

»Nichts, wir... sind alte Freunde und ich wollte mit ihr sprechen. Der Wunsch war wohl einseitig.« Emma versuchte so überzeugend wie möglich zu klingen, damit sie freigelassen wurde und zurückspringen konnte. Der Plan schien aufzugehen. Snow nestelte am Schloss der Gitterstäbe herum, bis es sich löste und die Tür aufging. Bevor Emma Snow White nach draußen folgte, ließ sie es sich nicht nehmen und spähte noch einmal in Reginas Zelle. Die in ein graues Gewand gehüllte Königin konzentrierte sich auf die Kerze, die vor ihr flackerte. Ihre Haare zu einem Zopf zusammengebunden. Sie wirkte alles andere als einschüchtern. Irgendwie zwar immer noch majestätisch und anmutig, aber nicht einschüchternd. Emma war sich nicht sicher, ob es an ihren Gefühlen für sie lag, oder ob Regina in anderen auch das Bedürfnis erweckte sie in den Arm zu nehmen und ihr zu versprechen, dass alles gut werden würde. Regina richtete ihren Blick auf Emma und zog einen Mundwinkel nach oben. Dabei rümpfte sie die Nase. So sehr Emma sie liebte - den Hass und die Wut konnte sie nicht aus ihr heraus zaubern. Sie hatte verstanden, dass Regina glücklich werden konnte, aber dafür musste sie durch das hier hindurch. Es brachte auch nichts diese Seite an ihr zu verleugnen. Es war ihre Vergangenheit und Emma wollte Regina, die ganze Regina. Die mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie lächelte zuversichtlich und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass ihr Herz bei dem Gedanken Regina ihrem Schicksal zu überlassen beinahe in tausend Stücke zerbrach. »Was du tust ist falsch. Aber irgendwann wirst du dich für die richtige Seite entscheiden und es wird Leute geben, die dich lieben. Machs gut Regina.«

Broken CrownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt