„Oh Gott, Tina, ich sehe schrecklich aus", stöhnte ich jammernd und blickte voller Panik in den kleinen Badezimmerspiegel ihrer Wohnung.
Nach dem Besuch bei meinen Eltern waren es anderthalb Monate voller Stress, Tränen, aber auch immenser Vorfreude geworden, bis unser Hochzeitstagtag bevor stand. Allen und ich hatten uns für eine Heirat im kleinen Kreise entschieden, das sagte uns beiden zu und sparte mehr Zeit und Geld. Es war sowieso schon schlimm genug, dass unsere Verlobung im Mittelpunkt des WWE-Universums stand, da durfte die Hochzeit ruhig stiller verlaufen. Genau genommen beschränkten sich die Feierlichkeiten nur auf die Zeremonie in einer kleinen Kapelle irgendwo im Nirgendwo, danach gab es ein beschauliches Festessen in einer alten Scheune, die zum Restaurant umgebaut worden war. Anwesend sein würden nur die engsten Familienmitglieder und Freunde, eine große Party gab es nicht.
Grund dafür war die zweite Hochzeit von Tina und Jon. Die beiden wollten den besonderen Moment gerne noch einmal nüchtern erleben und würden zwei Monate nach Allen und mir erneuert heiraten, da dort eine ganze Reihe an Wrestlern frei bekommen hatte dank Weihachten. Zwei Tage davor fand ihre richtige Trauung statt, danach am Abend feierten wir vier alle zusammen dann eine gemeinsame, große Hochzeitsfeier. So hatte sich auch Tinas Traum einer Doppelhochzeit erfüllt, den sie mir seit beinahe schon Jahrzehnten vorschwärmte.
Ein Haus hatten Allen und ich übrigens mittlerweile auch gefunden, nur eine halbe Stunde von meiner Arbeitsstelle in Orlando entfernt. Es war ein schönes Holzhaus mit nur einem Erdgeschoss, dafür aber trotzdem viel Platz. Villa konnte man es zwar nicht nennen, aber wir würden ohne große Probleme darin unterkommen, genug Räume für weitere Potenzielle Kinder und vor allem für Gäste waren geboten. Dazu kam sogar eine kleine Scheune mit Pferdeboxen und Weide, sodass meine Lovely und Tinas Ashva direkt am Haus stehen konnten. Das Sahnehäubchen war ein netter Garten mit genug Auslauf für Jack, wenn dieser sich dann und wann mal bewegte.
Auch auf der Arbeit lief alles gut. Entgegen meiner Erwartung hatte ich mich recht schnell in die Papiere und Formalitäten der WWE hinein gefunden, meine Ausbildung in der Verwaltung hatte sich also doch bezahlt gemacht. Im Performance-Center, wo ich mein eigenes Büro hatte, herrschte die meiste Zeit immer eine gute Atmosphäre, ich hatte nette Kollegen und auch mit den Wrestlerinnen und Wrestlern konnte man angenehm arbeiten.
Diese ganzen, rasanten Entwicklungen der letzten Monate hatten für mich momentan jedoch keine Bedeutung, denn ich war gerade zu besorgt darüber, ob ich einigermaßen passabel aussehend die Zeremonie erreichen würde. Da musste ich auf Tinas Zauberkünste vertrauen, die sich angeboten hatte, mir beim Make-Up und der Frisur zu helfen. Sie hatte dafür glücklicherweise ein gutes Händchen für und ich legte mein ganzes Vertrauen in ihre Fähigkeiten.
Aufgrund meines Hilfeschreis aus dem Badezimmer war sie nun zu mir getreten und blickte mich mit gerunzelter Stirn an. „Ach Süße, nun mal nicht gleich den Teufel an die Wand. Du siehst nur etwas müde aus, aber mit ein wenig Make-Up bekommen wir das schon hin. Erstmal solltest du etwas essen und trinken, so blass, wie du aussiehst."
Sanft wie eine geistig Senile schob sie mich in ihre Küche, wo bereits Rührei sowie eine Schale mit Müsli und Jogurt bereit standen. Erleichtert ließ ich mich auf den Stuhl fallen und nahm sofort mit der Gabel ein wenig Ei, denn ich hatte tatsächlich großen Hunger. Wortlos schenkte Tina mir Kaffee ein und ich nahm dankend die Tasse entgegen. Sie wusste einfach, wie sie mich bei solchen Sachen ruhig halten konnte und dafür könnte ich ihr immer wieder die Füße küssen.
Nachdem ich fast alles aufgegessen hatte trotz der Aufregung in mir drin, wurde ich wieder von meiner Freundin vorsichtig ins Badezimmer verfrachtet, auf einen Stuhl gesetzt und angewiesen, mich zu beruhigen und die Klappe zu halten. Tina brauchte insgesamt nur einundfünfzig Minuten, in denen sie mich vom hässlichen Entlein zum wunderschönen Schwan verwandelte. Ihr neuer Rekord. Meine Haare hatte sie locker hinten hochgesteckt, einige Strähnen fielen vorne in Locken heraus und umrahmten fein mein Gesicht. Das Make-Up hatte sie schlicht und Gold und Braun gehalten, die Augenringe waren verschwunden.
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Gute Karten - So spielt das Leben
General FictionDas Leben von Toni, einer jungen Kneipenbesitzerin im kleinen Städtchen Stoneville, gerät aus allen Fugen, als sie eines Tages Allen wieder sieht. Mit diesem hatte sie vor vielen Jahren eine Affäre, aus der ihr kleiner Sohn Ajay entstanden ist, doch...