6. Die Freundin oder: Eine Seele in zwei Körpern

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„Nun raus mit der Sprache: Wie war der Sex?"

„Tina!", rief ich empört aus. „Kannst du dich nicht mal auf andere Gesprächsthemen konzentrieren? Zumindest hier?"

Wir waren nämlich gerade im kleinen Stadtpark spazieren, an Sommertagen ein beliebter Treffpunkt der alten Damen. Und die alten Damen waren das Schrecklichste, was einem hier passieren konnte, denn sie waren es meistens, die Gerüchte in die Welt setzten und sich über jeden, aber auch absolut jeden das Maul zerrissen. Da wäre meine Story mit Allen innerhalb weniger Sekunden Top-Thema und wenn ich nicht aufpasste, wüsste morgen bereits der US-Präsident von dem ganzen Bescheid. Ich kannte die Furien, denn ihre Männer kamen oft genug in meine Kneipe, um vor ihnen zu flüchten.

Das war der Nachteil an meinem Beruf und meinem Standort, denn man wusste schnell über jegliche Probleme der ganzen Stadt Bescheid und auch die Themen, die man eher weniger wissen wollte, wurden nicht verschont. Deshalb war ich Tina jetzt gerade auch nicht sehr dankbar, dass sie nun auf mein kleines Näherkommen mit Allen anspielte. Doch anhand ihres Blickes konnte ich nur zu gut erkennen, dass sie es trotzdem wissen wollte und dieses Wissen auch mit jedem Mittel bekommen würde. Also konnte ich es auch gleich sagen.

„Ja verdammt, der war wirklich gut." Ohne ihr Gesicht zu sehne konnte ich die zweite Frage schon erahnen. „Und ja, es war auch besser als während unserer Affäre." Ich schnaubte verbittert auf. „Sind wohl beide etwas reicher an Erfahrung geworden."

„Hach, ist das schön", seufzte Tina daraufhin, „einmal Sex und schon seid ihr wieder auf einer Wellenlänge."

„Genau genommen waren es zwei Mal", gestand ich kleinlaut und wurde tiefrot.

Meine Freundin blieb wie angewurzelt stehen und nun war es an Jack, ihr in die Hacken zu laufen. Der Pitbull sah verwirrt zu ihr hoch, seufzte dann schwer auf und umrundete ihre Beine, um sich nach einem geeigneten Platz für seine Geschäfte umzuschauen.

Tina hingegen starrte mich nun an, als ob ich aus einem zweiten Universum kommen würde. „Bitte was? Ganze zwei Mal?!", kam es nach einer Ewigkeit von ihr.

„Naja", murmelte ich und versuchte, das Geschehene nett in Worte zu verpacken, „einmal nach unserem kleinen Trinkgelage und dann in den frühen Morgenstunden irgendwann nochmal. Das ist auch der Grund, warum ich verpennt habe, Ajay in den Kindergarten zu bringen."

„Oh mein Gott", hauchte meine Freundin und setzte sich wieder in Bewegung. „Und euer Gespräch? Ist er da auch gleich wieder über dich hergefallen?"

„Nein", entgegnete ich und entschied im Inneren, dass es besser war, ihr nichts von dem Kuss in meiner Küche zu erzählen. „Wir werden heute Abend mit Ajay darüber reden. Aber bisher sind wir so verblieben, dass er jederzeit kommen kann, wenn er Zeit hat und wir ihn bei ein paar seiner Matches besuchen kommen."

„Ihr seid also seine Fans?"

Ich seufzte leise und antwortete dann mit beherrschter Stimme: „Wenn du es so sagen willst, dann mach es. Ich werde aber definitiv nicht im T-Shirt mit seinem Namen drauf sein Entrance-Lied anstimmen."

„Schade", grinste sie. „Kann ich dann mitkommen."

Gleichgültig zuckte ich mit der Schulter. „Klar, warum ni ... " Ich hielt plötzlich inne und musterte sie scharf. „Moment mal, da steckt doch etwa nicht deine neue Bekanntschaft von gestern Abend hinter?"

Ihr ertapptes Grinsen sagte mir alles, was ich wissen musste und ich sah sie auffordernd an, um mir nun ihrerseits alles zu erzählen, was sie gestern mit dem Champion getrieben hatte. Gleichberechtigung wurde doch immer groß geschrieben, also bestand ich auch darauf. Im Gegensatz zu mir machte es meiner Freundin nur nichts aus, über ihre Triumphe zu berichten.

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