Gute Karten - So spielt das Leben

25. Der Neue oder: Eine Zerreißprobe der Nerven

„Jason Steele, richtig?" Mein Blick glitt von den Papieren vor mir auf dem Schreibtisch hoch zu dem jungen Mann, der mit unerklärlichem Gesichtsausdruck vor mir auf einem Stuhl saß, die Beine lässig ausgestreckt.

„Richtig", erwiderte er einsilbig, ohne mich wirklich anzuschauen. Ich hatte das dringende Bedürfnis, vor seinem Gesicht zu schnipsen, wie ich es bei Ajay oft tat, um seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Doch Jason sah im Gegensatz zu meinem Sohn nicht so aus, als würde das bei ihm etwas bewirken.

„Gut", murmelte ich deshalb nur und blickte wieder auf die Papiere. Hunter hatte mir die Akte zu dem jungen Wrestler bereits vor einigen Tagen zustellen lassen, doch zu meiner Schande musste ich gestehen, dass ich erst heute Morgen kurz einen Blick hineingeworfen hatte. Deshalb war ich nun auch ein wenig überfordert, was die ganzen Informationen über ihn anging, versuchte jedoch professionell zu bleiben. Wobei, ich hätte wohl auch hier vorne eine Clowns-Nase aufsetzen können, es wäre nicht aufgefallen. Jason hatte noch immer seinen rasierten Kopf über sein Smartphone gesenkt, welches er zwischendurch entsperrte. Vermutlich, um auf die Uhr zu schauen.

Hunter hatte mir den Jungen ja bereits als Sonderfall angekündigt, doch mit so viel Ignoranz und Desinteresse hatte ich wahrlich nicht gerechnet. Ich hätte am liebsten jetzt schon das Handtuch geschmissen, weil ich wenig Lust hatte, mich mit so einem Kerl rumzuschlagen, doch leider war dies nun mal mein Job und ich konnte schlecht nach den ersten Minuten schon einen Cut setzen. Er hatte mir ja nichts getan, also musste ich wohl oder übel die Zähne zusammen beißen. In Gedanken setzte ich ihn jedoch schon einmal auf die Liste von Tina, damit sie ihm eine ihrer Spezialbehandlungen verpassen konnte. Oh ja, er konnte sich schon darauf einstellen, dass sie ihm das Desinteresse vom Gesicht wischte. Danach würde er mir an den Lippen hängen, wenn sie das wollte, so viel stand fest.

Nur schmerzlich befreite ich mich von diesen Rachegedanken und ging wieder zum Alltag über. Eigentlich war das Gespräch mit Jason hier keine große Sache, mehr so eine Art Kennenlernen und dabei schauen, wie der aktuelle Stand der Dinge war. Zwar sagten mir das die Papiere schon von alleine, doch ich hatte alles lieber persönlicher.

Ich räusperte mich. „Du bist aktuell bei NXT beschäftigt, ja?"

„Klar, wo denn sonst."

Ich ignorierte die patzige Antwort einfach. Noch versuchte ich das alles positiv zu sehen, doch mein Geduldsfaden würde nicht ewig halten.

„Reine Kontrolle, ob die Angaben stimmen", meinte ich trotzdem und blätterte eine Seite um. „Am 03.03. geboren, neunzehn Jahre alt, richtig?"

„Ich kann auch meinen Ausweis vorzeigen, wenn es unbedingt sein muss", entgegnete Jason entnervt und blickte wieder ungeduldig auf sein Handy.

In mir brodelte es. Bisher waren alle mir zugeordneten Wrestler außerordentlich höflich und hilfsbereit gewesen, was die Zusammenarbeit sehr erleichtert hatte. Nun so einen Härtefall vor mir zu haben und ihm nicht einen Bleistift in die Augen zu rammen, war eine echte Geduldsprobe für mich. Wenn er so weiter machte, sah ich mich mein ungeborenes Kind schon in einem Frauengefängnis zur Welt bringen und aufziehen. Die Schwangerschaft war dieses Mal um einiges emotionaler als die Erste, bei der ich für so etwas wie Stimmungsschwankungen gar keine Zeit gehabt hatte. Nun führte ich ein recht geregeltes und annehmbares Leben und schon bekam ich solche Luxusprobleme.

„Muss es nicht", erwiderte ich nach einer kurzen Pause, in welcher ich mich wieder gesammelt hatte. „Mir reichen einfache Antworten." Wenn sie dann noch freundlich wären, umso besser.

„Dann mal weiter, ich habe heute nicht ewig Zeit."

Aha, arrogant waren wir also auch noch. Nur mit Mühe konnte ich meine Wut unterdrücken und musterte ihn mit zusammengekniffenen Lippen, hielt jedoch die Klappe. Ansonsten wären mir wohl einige unfeine Ausdrücke herausgerutscht, die nur für weitere Probleme sorgen würden.