Kapitel 18

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Ich hatte mir, seit ich zum ersten mal von einem Fenriswolf gehört hatte, gewünscht ihn zu reiten, den beißenden Wind im Gesicht und unter mir das weiche, graue Fell zu spüren.
Nur kurz konnte ich dieses überschwängliche Gefühl der Freiheit  genießen, denn schon viel zu schnell verlor ich aufgrund meines gestörten Kreislaufes das Bewusstsein, mein Kopf sackte kraftlos auf den Rücken des Wesens und seine warme Aura hüllte mich ein.
Ich bekam so gut wie nichts mehr mit, blinzelte nur ein oder zwei Mal, wenn wir über ein Hindernis sprangen, weil ich dann kräftig durchgeschüttelt wurde, sodass meine schmerzenden Wunden mich vom Träumen fernhielten.

Ich wurde sanft auf den Boden gehoben, stützte mich nach einer Weile des blinden Tastens an einem Baumstumpf ab und öffnete vorsichtig die Augen in der Hoffnung, dass wir jetzt in Sicherheit waren.
Der Fenriswolf hatte seinen Kopf schief gelegt, sodass er aussah wie ein nach einem Leckerli bettelnden Hund. Seine Augen schienen mich und meine Tante zu bewachen.
Ich kämpfte gegen den aufkommenden Schwindel an, der meinen Körper durchfuhr, sobald ich mich aufsetzte.
Ein weites Stück könnte ich nicht mehr gehen, doch das war auch gar nicht nötig, denn wir saßen vor dem Tor unserer Schule und demnach  waren es nur noch wenige Meter, bis wir im Internat und in Sicherheit waren.
Ich schaute den großen Wolf lächelnd an und ließ eine Welle der Dankbarkeit auf ihn zurollen.
'Du hast uns das Leben gerettet.
Ich denke, dass ich dir etwas schuldig bin.'
Der Fenriswolf stieß einen Laut aus, der wie ein zufriedenes Schnurren klang, was mich zum Lächeln brachte. 
Danach neigte er den Kopf und verschwand eilig im Wald, wollte wohl verschwinden, bevor ihn jemand entdeckte.
Ich sah ihm gebannt hinterher, hiefte dann meine Tante hoch, die immer noch in einem halbwachen Zustand war, und humpelte mit ihr zum Tor, um sie dagegen zu stützen.
Wie konnte sie nur so friedlich dösen  und von all den Geschehnissen nichts mitbekommen?
Ich schüttelte schmunzelnd den Kopf und mein Blick glitt auf den Platz.
Wir mussten nur noch hier rein kommen, doch niemand war zu sehen.

Erschöpft stemmte ich meine Hände gegen die großen Eisenstäbe und rüttelte daran.
Nicht einmal ein kleines Kind hätte ganz hindurchgepasst.
Wäre ich superstark könnte ich vielleicht das Tor öffnen.
Aufgrund eines schnellen Gedankens holte ich mein Handy aus der Hosentasche, welches einen schmalen Riss hatte, von dem mehrere Verzweigungen abgingen.
Hoffnungsvoll drückte ich mehrmals den An-Knopf, doch nichts geschah. Kaputt.
Auch noch das.
Verärgert stopfte ich es zurück in meine Tasche und blickte ein weiteres Mal durch die Gitterstäbe auf den leeren Campus.
'Hilfe!', rief ich, so laut es mir möglich war über den Platz.
Nichts passierte.
'Lasst mich doch rein!', sagte ich laut, verzweifelter, wollte mir nicht eingestehen, dass unsere Rückkehr an diesem rostigen Tor scheiterte.

'Komm schon.', japste ich, sprach eher zu mir selbst, als plötzlich Kalvin über den Hof schritt.
Ich rüttelte lauter an den Gitterstäben, sodass er überrascht zu mir sah.
'Nia?', fragte er verwirrt und erfasste im nächsten Augenblick die Situation. Schnell rannte er zu uns, zog eilig einen Schlüssel aus der Tasche und öffnete das quitschende Tor.
Ich stolperte unbeholfen ein paar Schritte ins Innere des Internats.
Wir waren am Leben, in Sicherheit, hatten es geschafft.
'Was ist passiert?', hörte ich Kalvins besorgte Stimme, als er meine Tante entdeckte.
Ich blickte ihn ausdruckslos an und versuchte den Strudel aus schwarzen und weißen Schleiern, der mich in sich hinein zu reißen schien, auszublenden.
'Wir wurden angegriffen.'
Mehr bekam ich von diesem Tag nicht mehr mit, der restliche Abend rauschte an mir vorbei, als hätte er nie stattgefunden.

***

Ich schreckte hoch und mein Blick fuhr suchend herum, versuchte zu verstehen, wo ich war.
Ich lag in einem weißen Krankenbett und der Geruch von Desinfektionsmittel kroch mir in die Nase. Das warme Licht an der Decke leuchtete nur schwach.
Trotzdem musste ich mehrmals blinzeln, bevor ich etwas sehen konnte. Mit einer Hand schirmte ich meine Augen ab, während ich durch den kleinen Raum sah. Im Bett neben mir konnte ich unter der Decke einen dunkelbraunen Haarbüschel hervorlugen sehen und ich war mir ziemlich sicher, dass meine Tante dort lag und schlief. Außerdem entdeckte ich noch einen montierten Wandfernsehen, eine große Pflanze und einen alten Holzstuhl neben mir, die typische Einrichtung in Krankenhäuser, welche ich aus tiefstem Herzen hasste.
Beruhigt schloss ich wieder meine Augen und kuschelte mich in mein warmgelegenes, weißes Kissen.
Es war trotz dem intensiven Waschmittelgeruch bequem.
Ich fühlte innerlich in meinen Körper, um zu schauen, wo ich verletzt war. Neben meiner Kopfwunde, die mir immer noch leichte Kopfschmerzen bereiteten und einer schmerzenden Schnittwunde im Arm besaß ich nur mehrere blaue Flecken und Schrammen.

Magisches Erbe - Die Kämpferin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt