Langsam schritt ich nach rechts und Hannes bewegte sich wie mein Spiegelbild, indem er langsam nach links trat.
Wir umkreisten uns, während er die Axt in seiner Hand lässig hin und her schwang.
Ich blendete den Rest der Halle aus, denn das war der beste Weg sich zu konzentrieren.
Sein Kopf zuckte nur kurz in meine Richtung bevor er lossprang, doch das reichte mir und ich wich rechtzeitig zur Seite aus.
Er wollte sich umdrehen, da schwang ich schon mein Schwert.
Es sauste auf ihn nieder, doch Hannes parierte mühelos und die Waffen schlugen aufeinander.
Wir warfen die Waffen hin und her, in der Erwartung zu treffen, doch der Gegner war immer da, um abzuwehren.
Schweißtropfen kullerten über meinen Rücken, dieser Kampf schien sich hinzuziehen wie Stunden und Hannes war von seiner Technik her im Vorteil.
Sein kurzes, dunkelbraunes Haar klebte an seiner Stirn, doch ansonsten schien er noch ziemlich fit zu sein.
Ich kämpfte erbittert weiter, verbot mir Fehler zu machen, weil sie mein Ende wären.
Dann trat er ein paar Schritte zurück und verschwand plötzlich.
Ich zuckte überrumpelt zusammen. Wo war er hin?
Meine Gedanken schweiften zu Yanschus Tarnerfähigkeit an. Natürlich, Hannes war auch ein Tarner.
In diesem Moment war ich überaus froh, dass ich für diesen Fall geübt hatte, denn nun war mein Vorteil, dass er selbstsicher war und dachte, dass ich schutzlos sei.Voller innerer Ruhe schloss ich die Augen, ließ meine Kraft ausschweifen und der Raum um mich herum glänzte wie ein Regenbogen in verschiedenen Farbtönen.
Er war schwerer aufzuspüren als Yianschu, war ziemlich gut im Nutzen seiner Fähigkeit.
Beim Ausatmen der angehaltenen Luft entdeckte ich Hannes endlich.
Er näherte sich langsam und leise meinem Standpunkt.
Seine Aura schwappte in einem schlammigen, dunklen grün hinter ihm her, schien seine Tarnkraft gut darzustellen.
Diese Mischung aus dunklem Braun und Grasgrün kam immer näher auf mich zu, sodass ich lächeln musste.
Im nächsten Moment kam seine Axt auf mich zu.
Ich blockte geschickt, was nicht sehr schwer war, weil er nicht damit gerechnet hatte, dass ich diesen Schlag kommen sehen würde, und mich mit dem Schlag natürlich auch nicht umbringen wollte.
Er wurde sichtbar und ich zog provozierend eine Augenbraue hoch, weil Hannes noch immer verblüfft wirkte.
Gleichzeitig hatte ich ihm mein Kurzschwert an seine Kehle gelegt.'Wie hast du das gemacht?', fragte er überrascht, 'Das war ziemlich beeindruckend.'
Er legte mir lobend eine Hand auf die Schulter, was mich verlegen werden ließ.
'Danke. Ich hatte aber auch Hilfe. Eine Freundin hat mir beim Üben geholfen.' Hannes drückte seine muskulösen Schultern zurück.
'Das du das schon kannst, habe ich wirklich nicht erwartet. Luis hatte Recht.'
'Er hat Recht?', fragte ich neuguerig und blickte zu Hannes auf, nachdem ich mein Schwert zur Seite legte. Hannes sprach ruhig weiter und klemmte ebenfalls seine Waffe in die Vorrichtung an der Wand.
'Das du schnell Fortschritte machst, einfach weil du potential hast.
Du lernst wirklich schnell, einen Tarner zu erkennen braucht meist etwas mehr Zeit.'
'Achso.', antwortete ich gelassen und konnte einen zufriedenen Unterton nicht verbergen.
Ich strich mir eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht, als er leise lachte.
'Luis hat momentan keine feste Freundin, hatte er schon lange nicht mehr.'
Ich blinzelte verwirrt, hätte nicht im Leben damit gerechnet, dass er dieses Thema zur Sprache bringen würde.
'Und? Was hat das mit mir zu tun?'
Er zuckte mit den Schultern.
'Nichts, ich dachte nur, ich erwähne es mal, falls du dich gefragt hast, ob er noch frei ist.'
Schnell schüttelte ich den Kopf, konnte aber die aufkommende Röte nicht verbergen.
'Nein', stellte ich mit klarer Stimme fest, 'Das interessiert mich nicht. Außerdem hat er doch sicher einige sinnliche Beziehungen, die man nicht mit dem Begriff "feste Freundin" umfassen kann.'
Hannes nickte und legte dann nachdenklich den Kopf schief, wusste genau worauf ich hinaus wollte.
'Ja, aber das ist nie etwas Ernstes, das kann man nicht vergleichen.'Irgendwie war es komisch mit jemandem anderen außer Jen über dieses Thema zu reden, doch Hannes schien das lockerer zu sehen.
'Eine Freundin, mit der er keine körperliche Beziehung hatte, gab es auch schon lange nicht mehr in seinem Leben.', er grinste verschlagen, 'Er lässt die Frauen einfach nicht näher an sich heran.
Aber ihr beiden seid Freunde, du siehst gut aus, wieso sollte er da nein sagen.'
Ich schluckte laut, weil mein Hals aus einem mir unerklärlichen Grund staubtrocken geworden war, bevor ich ihm stur antwortete.
'Naja, dafür müsste ich ja erst einmal ja sagen und ich suche gerade nicht nach einer Beziehung.
Er ist mein Kampftrainer, vergessen?'
'Klar.', murmelte er mit rauer Stimme, 'aber Kämpfen kann manchmal ganz schön intim sein, man lernt den Anderen dadurch besser kennen und man kommt sie ziemlich nahe. Wie ich Luis kenne, wird er das früher oder später mal ausnutzen.'
Er zwinkerte mir verschwörerisch zu und ich nickte langsam.
Ja, das hatte er schon ein oder zweimal, aber er war mir dabei nie unangenehm nah gekommen.
'Aber gut, ich muss jetzt gehen. Der Kampf hat Spaß gemacht.'
'Ja, das hat er.', erwiederte ich und grinste fröhlich, 'Vor allem der Sieg.'
Hannes verzog das Gesicht qualvoll zu einer Grimasse und verpasste mir dann einen Klapps auf die Schulter.
'Das nächste Mal wird das anders enden.', versprach er, drehte sich um und verließ den Raum.
Luis hatte wirklich einen guten Freund.
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Magisches Erbe - Die Kämpferin
FantasyAls Nias Mutter stirbt, verändert sich ihr gesamtes Leben. Sie muss ihr altes, normales Leben aufgeben, um ein fremdes, magisches Leben voller Abenteuer zu beginnen. Auf dem Internat, an dem ihre Tante arbeitet, lernt sie nicht nur das Kämpfen und...