Kapitel 35

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Dunkle Schatten bewegten sich zu allen Seiten und verwirrten mich.
Ich wusste weder, wo ich war, noch was ich hier tat, denn der Nebel umschloss mich.
Ich versuchte mich umzusehen, aber es war nichts da. Nur Schwärze und Dunkelheit umflossen mich, wie ein Fluss aus rauschendem, schwarzem Wasser. Trotzdem hatte ich nicht das Gefühl zu ertrinken, im Gegenteil.
Die Luft war erfrischend und roch nach Tannennadeln.
Ich war in einem Wald.
Im dunklen Wald.
Mein Herz pochte laut in meiner Brust, als mir all die schmerzhaften Erinnerungen ins Gedächtnis flossen. Sie alle machten mir klar, dass ich mich nicht unter Kontrolle hatte, zeigten mir meine Schwäche, mein Versagen.
Dann schaute ich zu, wie Gabe Hanwen sich die Artefakte schnappte und lachend im Portal verschwand.
Warte, dass hatte ich nicht gesehen. Er manipulierte mich wieder.
So schnell ich konnte, baute ich eine Mauern vor meine Gedanken und schleuderte alle Erinnerungen von mir weg.
Ich wollte nichts behalten, weil alles von ihm beeinflusst war,wollte nichts mehr spüren, weil er den Schmerz in mich pflanzte, der mich innerlich zu zerreißen drohte.
Doch Samen konnten ohne Hilfe nicht wachsen und das Verbrechen hatte ich selbst begangen.

Die Stille in meinem Kopf war beruhigend, spendete mir Trost, bis plötzlich eine dunkle Stimme erklang. Diese grauenvolle Stimme, die mich jedesmal aufs Neue erschreckte.
'Glaub nur nicht, dass es vorbei ist.
Es hat gerade erst angefangen und du bist ein Teil davon, ein Teil vom Bösen in dieser Welt. Gib es zu, du bist ein kaltblütiger Mörder wie ich. Du bist ein Monster.'
Monster hallte das Wort von unsichtbaren Wänden wieder und echote durch den undefinierbaren Raum.
Ein Spiegel erschien vor mir und zuerst konnte ich nur mich erkennen. Meine große, dünne Gestalt, mein schmales Gesicht, meine warmen, braunen Augen.
Doch dann verwandelte ich mich. Meine Pupillen verfärbten sich in ein blutiges Rot, meine Fingernägel wurden zu spitzen Krallen und meine Haut veränderte sich zu einem schwarzen, alles vernichtenden Schleim, bis alle Menschlichkeit aus meinem Körper gewichen war.
'Du bist viel schlimmer als wir alle zusammen.', lachte Gabe Hanwen, mein Spiegelbild verschwand und ich sah mehrere hundert Tote Gewählte vor mir auftauchen.
'Alles deine Schuld. Das Schicksal nimmt seinen Lauf und Menschen sterben wegen deinen Entscheidungen, deinen Taten, deinen Morden. Ja, Morden, denn wenn es einmal angefangen hat, dann hört der Drang nach mehr nicht mehr so schnell wieder auf.', vernahm ich noch, bevor mein schmerzerfüllter Schrei die trügerische Dunkelheit verbannte.

***

Ich schrie immer noch, als ich aufwachte, hörte erst auf, als ich die Augen aufschlug.
Ruckartig setzte ich mich auf und versuchte meinen Atem zu kontrollieren. Es gelang mir nicht.
Mit einem kurzen Blick umfasste ich die Umgebung.
Krankenhauszimmer, wo auch sonst. Ich war zurück auf der Artztstation in unserem Internat.
Ich legte meine Hände vors Gesicht und rieb mir müde den Schlaf aus den Augen, falls ich überhaupt zum Schlafen gekommen war.
Meine Albträume hatten schon lange nicht mehr ausgesetzt und nun konnte ich mir sicher sein, dass er mich noch weiter verfolgen würde. Gabe Hanwen würde immer in meinen Träumen sein, bis an sein oder mein, Lebensende.

Eine warme Hand legte sich auf meinen Arm und einen kurzen Moment lang spürte ich die Macht, die unter der fremden Haut pulsierte. Genau die gleiche Art Macht, die ich Gesine entzogen hatte,um sie zu töten. Sie wollte auch dieses Mal zu mir.
Entsetzt von diesem Gedanken zog ich meine Hand zurück, weil er mich an Gabe Hanwens Prophezeiung erinnerte.
Nein, dass konnte nicht sein. Ich würde doch nicht wirklich noch jemanden umbringen?

Ich versuchte mich soweit wie möglich von der anziehenden Energie zu entfernen.
Niemand durfte mich mehr anfassen, wenn ich mein Umfeld nicht in Gefahr begeben wollte, weil meine Kraft jederzeit wieder die Kontrolle über mich übernehmen und jemanden umbringen konnte.
Um noch mehr Abstand zu schaffen, sprang ich aus dem Bett.
Ich wollte weg von dieser Person, weg aus diesem Krankenzimmer und weg von diesen bedrückende Gedanken und Träumen.
Mein verletztes Bein knickte ein, sodass ich mich am Bettpfosten festkrallen musste, um nicht hilflos aus den kalten Boden zu stürzen.
Erst jetzt bemerkte ich die Gestalt neben mir, die aufgestanden war, damit sie mir aufhelfen konnte.
Luis.
Was würde er von mir halten, wenn er von meinem Mord wusste?
Was würde er von mir denken, wenn er meine grausamen Gedanken kannte?

Magisches Erbe - Die Kämpferin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt