Ein weiterer Tag.
Das sanfte, frühmorgendliche Sonnenlicht schien fahl über den Campus der Schule.
Es war ein kalter, ungemütlicher Herbsttag, aber irgendwie hatte die Sonne es doch geschafft sich vereinzelt durch Löcher in der grauen Wolkendecke zu bohren, sodass die Sonnenstrahlen zwischen den großen Bäumen der Aleen hindurch fielen und im matschigen Boden versickerten.Ich saß gedankenverloren an meinem Schreibtisch, versuchte mich möglichst nicht zu rühren, denn schreckliche Kopfschmerzen plagten mich.
Die Kopfschmerzen hatten gleich nach dem Aufwachen, nach dem letzten Albtraum, begonnen und sie klebten an mir wie schwerer, schwarzer Teer, der einen zu ersticken drohte.
Mein ursprünglicher Trick, wenn man das so nennen konnte, war, die Träume so gut wie möglich zu verdrängen, doch das war leichter gesagt als getan.
Das scharfe Stechen in meinem Kopf wurde stärker und ich stöhnte erschöpft auf.
Wann begannen die Tabletten, die ich eben genommen hatte, endlich zu wirken?
Mühsam wuchtete ich mich hoch, stützte mich dabei an meinem Schreibtisch ab und rückte den Stuhl wieder unter den Tisch.
Dann schob ich meinen kuscheligen, dunkelblauen Lieblibgspulli zurecht und stapfte auf wackeligen Beinen zur Tür.
Dort schlüpfte ich noch schnell in meine schwarzen Stiefeletten, zog mir meine Lederjacke an und schnappte mir meine Schultasche.
Noch einmal schaute ich mich in meinem ordentlich aufgeräumten Zimmer um, hatte keine Ahnung, wonach ich suchte, oder ob ich überhaupt an irgendetwas dachte.
Da war nur Leere in seinem Kopf und dieser stechende Schmerz.***
Die Tür fiel mit einem Klicken hinter mir ins Schloss.
Luis war leider nicht da, wartete nicht auf mich mit einem warmen Kaffee oder einem fröhlichen Lächeln.
Enttäuscht verschränkte ich die Arme vor der Brust und ein Zittern durchfuhr meinen Körper, während ich versuchte die Kopfschmerzen auszublenden, die meine Sicht verschleierten und meinen Gleichgewichtssinn trügten.
'Man ist das kalt.'
Hinter mir ertönte ein Raschel, sodass ich mich ruckartig zu dem Gebüsch umdrehte uns bereits in Angriffsposition gesunken war.
Die Stille begleitete mich wie ein Schatten, war vielleicht der Grund, warum ich mich so aufregte, war vielleicht meine Angst und meine Sorgen in Form der nervigen Paranoia, denn da lauerte nichts, rein gar nichts.Innerlich beschimpfte ich mich selbst, weil niemand den Plan hatte, mich zu beschatten.
Es stimmte zwar nicht mehr, dass diese Schule ein Ort der Sicherheit war, aber ein Ausgeschlossener würde sich ganz bestimmt nicht einfach im Gebüsch verstecken und mich beobachten, weil ich mindestens genauso unwissend war wie er.
Möglichst unauffällig schritt ich voran und folgte dem Kiespfad.
Über die Kopfschmerzen verzog ich nur hartnäckig das Gesicht und sehnte mich nach Entspannung und ruhigem Schlaf.Es waren noch nicht viele Schüler auf dem Campus, aber die wenigen schienen alle bester Laune zu sein. Ich sollte das auch probieren, denn so schlimm war mein Leben doch wirklich nicht.
Ich hechtete die Treppen hinauf und betrat das schon relativ volle Schulgebäude.
Jetzt musste ich mich erstmal auf den Unterricht konzentrieren.
Alles zu seiner Zeit.***
Ich schlenderte über den Campus, ohne ein gewisses Ziel vor Augen zu haben.
Alles, was ich wollte war eine kleine Pause.
Auch wenn die Sonne sich inzwischen zurückgezogen hatte und die Bäume kahl vor mir standen, strahlte alles eine gewisse Ruhe aus, Beständigkeit. In der letzten Zeit hatte ich das Gefühl, dass die Zeit sich schneller bewegte als sonst.
Jeder Tag schien zu einer einzelnen, atemlosen Sekunde zu werden und ich befand mich scheinbar in einer schillernden Seifenblase, die mich einerseits von den Geschehnissen abgrenzte und mir half, alles zu verarbeiten und mich andererseits von einem aufregenden Abenteuer, schrecklichen Mord oder fatalem Geheimnis zum nächsten trug.
Trotzdem würde ich dieses Leben nicht missen wollen.
Vor allem die Zeit mit Luis nicht.
Irgendwo in meinem Hinterkopf sah ich Marc, der mich laut anbrüllte, wie unfair ich sei, Luis ihm vorzuziehen und ich konnte nicht verleugnen, dass ich ihn hängen gelassen hatte.
Ich war immer nur mit mir selbst beschäftigt und hatte keine Zeit mehr für ihn, hatte ihn einfach so links liegen gelassen, als würde er mir gar nichts mehr bedeuten.
Dabei das tat er doch, nur diese Geühle gingen im Trubel des Alltags unter.
Wahrscheinlich hatten wir uns sowieso schon aus den Augen verloren, denn mein Leben war weiter gegangen, in eine andere Richtung fortgeschritten, und seines eben auch, doch das hieß nicht, dass ich meine Schuldgefühle einfach abschütteln konnte, wie ein nasser Hund das Wasser.
Ja, ich war eine richtig schlechte Freundin und man sollte mir den Pokal zur selbstsüchtigsten Freundin überreichen.
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Magisches Erbe - Die Kämpferin
FantasyAls Nias Mutter stirbt, verändert sich ihr gesamtes Leben. Sie muss ihr altes, normales Leben aufgeben, um ein fremdes, magisches Leben voller Abenteuer zu beginnen. Auf dem Internat, an dem ihre Tante arbeitet, lernt sie nicht nur das Kämpfen und...