Nun stand ich also hier und starrte in die lodernden Flammen. Das kleine Fachwerkhaus war nicht mehr zu sehen zwischen dem lodernden Rot und Gelb, welches es züngelnd nach und nach verschlang.
Es war nicht so schlimm, dass es brannte. Niemand war drinnen und ich lebe da drinnen, beziehungsweise lebte.
Jeder würde sich jetzt wohl fragen: "Warum hat sie bitte ihr eigenes Haus angezündet?"
Gute Frage, es gibt mehrere Möglichkeiten:
1) Ich hatte Lust drauf und werde nach dem Löschen des Brandes nicht ins Gefängnis sondern in die Anstalt gebracht.
2) Ich wollte nicht, dass wildfremde bei der Zwangsversteigerung meine Sachen erhalten, was tatsächlich nach mir klingt.
oder
3) Es war, weil dort drinnen das Leben war, was ich mir nicht ausgesucht hatte.
Es stimmt, nächste Woche würde eine Zwangsversteigerung stattfinden. Das Haus selbst würde an ein Maklerbüro übergeben werden und ich hätte Live dabei sein können, wie andere mein Leben in den letzten 16 Jahren kaufen würden.
Es ist nicht so, dass ich dieses Haus nicht mochte, im Gegenteil sogar, aber ich wollte meinen Neuanfang auch symbolisch darstellen und ein Ende, wie auch einen Anfang symbolisiert man am besten mit einem Knall.
Es ist auch nicht so, dass ich wollte, dass jeder diesen Brand bemerkt, doch eine Handvoll Personen sollten wissen, dass ich sie am liebsten in diesem Haus gesehen hätte.
Wie gesagt, im Haus war kein Lebewesen mehr.
Vielleicht reagiere ich manchmal über, aber dieser Brand war kein bisschen überrreagiert.
Besonders wollte ich, dass die Gedanken, Erinnerungen und Situationen, die in diesem Haus geschahen, mit ihm in Flammen aufgingen und verschwanden.
Vielleicht wollte ich auch ein kleines bisschen mich selbst damit auslöschen. Nicht viel von mir, nur meinen linken Arm, oder den Rechten, oder beide, damit es gerecht ist.
Vielleicht hätte ich manchmal weniger trinken sollen oder wenigstens nicht an Wochentagen.
Vielleicht hätte ich mein Haus nicht angezündet, hätte ich meinen Ex-Mann nicht mit meiner Schwester oder ehemaligen Schwester erwischt.
Vielleicht hätte ich deshalb auch nicht gekündigt bekommen, meine Tochter wäre noch bei mir, ich hätte nicht jeden Abend ein Glas mehr getrunken und jetzt nun mein Haus angezündet.
Vielleicht hätte ich dann sein Haus angezündet. Irgendwas musste Brennen, in Kompensation zum Vodka in meiner Kehle und den Gefühlen in meiner Seele.
Vielleicht hätte auch ein Streichholz gereicht, mit welchem ich seine noch hiergebliebenen Klamotten angezündet hätte.
Vielleicht hätte ich mich auch einfach selbst angezündet.
Ich kann es nicht mehr wissen, was ich vielleicht getan hätte, denn ich habe mein Haus angezündet und damit die erste Option gewählt.
Nun heißt es nur noch eines:
Warten bis die Feuerwehr kommt und solange das züngeln der Flammen um die Vergangenheit beobachten.
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Warum ich mein Haus anzündete - Kurzgeschichten
Short Story"Jeder würde sich jetzt wohl fragen: 'Warum hat sie ihr eigenes Haus angezündet?' Gute Frage, es gibt mehrere Möglichkeiten..." Eine Kurzgeschichtensammlung über die Welt, das Leben und alles drumherum. Wer Lust hat, kann mal in die ein oder andere...