Mir ist warm und meine Lippen sind taub.
Ich schwanke zu der Marmorplatte in der Küche und greife nach meinem Handy. Ich entsperre und drücke auf ihren Kontakt. Auf ihrem Profilfoto ist der Köter zu sehen. Ich hasse diesen Köter.„Hallo, wer ist da?", fragt sie in den Hörer.
„Ich bin einsam.", antworte ich. Auf der anderen Seite höre ich schnelle Schritte. Eine Tür fällt zu.
„Wir wollten das doch bleiben lassen." Sie klingt sauer.
„Ich weiß."
„Das war dein Vorschlag."
„Ich weiß." Ich stütze mich auf der Platte ab, setze mich auf den Hocker und höre wieder keinen Ton von der anderen Seite.
„Ich bin verlobt."
Natürlich. Verlobt ist sie. Weiß ich schon. Ich hab ihren Ring gesehen. Sie hat ihn in aller Ausführlichkeit meiner Chefin gezeigt. „Er ist ein Idiot."
„Sag mal, bist du betrunken?"
Ich lache. „Was glaubst du denn?"
„Mein Gott du-" Sie bricht ab. „Es ist Mittwoch."
Ich zucke mit den Schultern und gucke auf die Uhr neben dem Kühlschrank. „Donnerstag."
„Ich lege jetzt auf."
„Nein, warte." Ich stoße auf. Mein Mund schmeckt nach Kotze.
„Was ist?"
„Valerie." Ich starre die Uhr an. Der längste Zeiger geht immer um eins weiter. Tick, tick, tick. „Ich vermisse dich."
„Du vermisst meinen Körper und sonst nichts." Ich könnte schwören sie rollt gerade mit den Augen und streicht sich durch die krausen Haare.
„Nein, nein. Ich vermisse dich. Dich." Die Uhr hat einen roten Rahmen aus Holz. Sie ist hässlich.
„Ich will, dass du bei mir bist, ich will dich nur ansehen. Nur deine braunen Augen. Und dann" Ich zucke mit den Schultern. „Dann könnten wir vielleicht was machen."
Valerie stöhnt auf. „Wie viel hast du getrunken?"
Ich kneife meine Augen zusammen und gähne. „Geht noch." Der Wodka ist billig und schmeckt wie Benzin. Immer noch besser als diesen widerlichen Geschmack von Kotze in meinem Mund zu haben. Ich öffne die Flasche und versuche an mein Glas zu kommen. Es steht direkt neben dem Herd. Bevor ich es zu fassen bekomme rutscht es die Platte runter und zerspringt auf dem Boden.
„Ist alles gut?" Sie klingt panisch.
„Mhm.", meine ich und beuge mich über um die Scherben anzusehen. Der Wodka kippt um und fließt mir über die Hand. Er tropft langsam den Tisch und meine Finger hinab.
„Hallo?", ruft Valerie wieder. Der ganze Boden glitzert und glänzt. Das kann ich wohl nicht mehr trinken.
„Hallo?", antworte ich.
„Ist alles gut bei dir?"
„Nein."
„Was ist passiert?"
„Du hast mich verlassen." Ich rutsche vom Hocker und tappe Richtung Sofa. Ein Glassplitter ist anscheinend weit geflogen. Er bohrt sich in meinen Fuß. Ich hüpfe ein paar Meter auf einem Bein und falle auf den Teppich. Hier bleibe ich liegen.
„Was redest du da für einen Stuss?"
„Valerie." Ich drehe mich auf den Rücken und starre die nackte Glühbirne an. „Ich glaube ich liebe dich."
„Der Alkohol spricht aus dir."
Ich grinse. „Betrunkene sagen immer die Wahrheit."
„Du bist ständig betrunken und trotzdem ein Lügner."
„Kannst du gar nicht wissen. Du besuchst mich ja nicht mehr." Ich setze mich langsam auf und stelle mein Handy auf Lautsprecher, deshalb bekomme ich den ersten Teil auch nicht mit. Es war eine Beleidigung. Bin ich mir ziemlich sicher.
„...Wir wissen beide, dass es so besser ist. Und ich lege jetzt auf."
„Warte." Ich rutsche wieder dem Teppich entgegen und knalle mit dem Kopf gegen den Boden. Mein Mund fühlt sich pelzig an.
„Warum sollte ich?"
„Ich will deine Stimme hören." Ich schließe meine Augen. „Lass mich deine Stimme hören bis ich einschlafe. Wird sowieso nicht lange dauern. Nur kurz – deine Stimme hören."
„Gute Nacht.", meint sie so sanft wie immer und der Anruf wird unterbrochen.
Der Teppich ist borstig und voller Staub. Ich niese und schlucke zum letzten Mal für heute Nacht meine Kotze runter.
Ich berühre meine Lippen.
Sie kribbeln.
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Warum ich mein Haus anzündete - Kurzgeschichten
Short Story"Jeder würde sich jetzt wohl fragen: 'Warum hat sie ihr eigenes Haus angezündet?' Gute Frage, es gibt mehrere Möglichkeiten..." Eine Kurzgeschichtensammlung über die Welt, das Leben und alles drumherum. Wer Lust hat, kann mal in die ein oder andere...