Carmilla

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Liebe Carmilla,

Es ist nicht so, dass ich Dich nie geliebt hätte, das wäre gelogen. Ich habe Dich geliebt. Vielleicht wäre ich Dir sogar bis über den Tellerrand gefolgt.
Vielleicht hätte ich mich wegen Dir meiner Phobie vor Amphibien gestellt, weil Du so gerne einen Glasfrosch haben wolltest.

Warum wolltest Du gerade so ein Tier in Deiner Wohnung haben?
Wolltest Du, dass ich von Deinen vier Wänden möglichst fern bleibe?
Dachtest Du vielleicht, dass sich der Frosch in einen Prinzen verwandelt, sobald Du ihn küssen würdest?
War ich Dir schon damals nicht gut genug?
Brauchtest Du wirklich diesen einen Prinzen, der ich nicht war?
Wir wissen die Antwort beide,
nicht wahr?

Eigentlich wollte ich Dir nicht schreiben, ich wollte eigentlich noch nicht mal an Dich denken. Offiziell bin ich schon über Dich hinweg, Carmilla. Jetzt schreibe ich Dir doch. Jetzt denke ich doch noch an Dich.

Manchmal frage ich mich, ob Du das noch immer gerne mit mir machst. Ob Du Dir immer noch einen Spaß daraus machst, dass ich auf Dich reingefallen bin.
Waren Deine Tränen echt, als ich mit Dir Schluss machte?
War überhaupt irgendetwas echt?
Bitte sag mir wenigstens nur ein einziges Mal, was ich von Dir halten soll, Carmilla!
Darf ich Dich überhaupt noch so toll finden? – durfte ich das je?

Du warst und Du bist mir die einzig bekannte Person auf der kompletten Welt, die durch violetten Lippenstift so unglaublich gut aussieht. Du hast ihn ständig bei mir vergessen, kannst Du Dich daran noch erinnern? - oder hast Du das schon vergessen?

Hast Du unsere Zeit schon vergessen?
Hast Du mich schon vergessen?

Carmilla, ich sollte so sauer auf Dich sein. Wie viele waren es?
Wer hatte noch mit Dir auf Deinem Himmelbett geschlafen?
Wussten sie alle von mir, Deinem Freund -damals?
Wie hätte ich mich denn Deiner Meinung nach verhalten sollen, wenn nicht so? Hätte ich vielleicht weniger erschrocken sein sollen? Ich habe Dir vertraut.

Das war Dir wohl egal.

Hattest, hast Du womöglich eine Bindungsphobie?
Hättest Du es einfach nur deshalb nicht anders beenden können?
Ich sollte Dich vielleicht so sehr hassen, wie es mir meine Freunde raten. Ganz recht, jetzt sind es nur noch meine Freunde. Sie wollen nichts mehr mit Dir zu tun haben, so wie Deine Freunde nichts mehr mit mir zu tun haben wollen. Sie haben sich mit uns getrennt. Das müsste Dir klar sein.

Ich sollte mit Dir abschließen, damit endlich klarkommen und akzeptieren, dass Du einfach Du bist. Dass Du nicht bei einem wie mir bleiben wolltest,
weil ich weder Glasfrosch noch Prinz bin.

Nur noch eine letzte Frage beschäftigt mich:
Hätte es wirklich so enden müssen?
Hättest Du nicht Dich nicht einfach schon von mir trennen können, bevor Du mich betrogen hast?
Hättest Du nicht genau das tun können, bevor Du es mit meinem Bruder getan hast?

Es würde weniger schmerzen.

Nein, ich bin nicht wirklich sauer auf Dich. Vielleicht bin ich etwas traurig. Vielleicht bin ich etwas einsam, doch, vor allem, Carmilla,
vor allem bin ich enttäuscht von Dir getäuscht worden zu sein.

Damit endet es jetzt, mit diesem Brief und mit uns.
Endgültig.

Der, der weder Glasfrosch noch Prinz ist.

P.S. Hör endlich auf mir Woche für Woche meine alten Pullover zu schicken. Sie riechen nach Dir und dieser Geruch macht mich verrückt.

Warum ich mein Haus anzündete - KurzgeschichtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt