5.Kapitel

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Lady Elionor Badford war ganz außer sich vor Freude, als sie auf der Heimfahrt die Ereignisse des Abends auswertete.

"Mr Kingsley hat unsere Sophie gleich drei mal zum Tanzen aufgefordert... Zwei Mal kann ein Gentleman eine junge Dame auffordern, ohne dass er dadurch irgendwelche Absichten Preis gibt, doch wenn er eine junge Lady an einem Abend gleich drei mal auffordert, drückt er damit eine deutliche Vorliebe für diese Dame aus..."

"Ach meine Liebe" Mr Badford, der bisher dem Freudenausbruch seiner Frau amüsiert gelauscht hatte, wandte ein: "du solltest Sophies Erwartungen nicht ganz so hoch hinaus treiben. Denn umso schmerzhafter wird es sein, wenn sie am Ende doch enttäuscht werden sollte."

Lord Badford war ein sehr kluger und Welterfahrener Mann, der es amüsant fand, wie sehr sich seine Frau darum bemühte Ehemänner für ihre beiden Töchter zu finden.
Täglich lag sie ihm mit diesem Thema in den Ohren. Aber sie hatte Recht, die Beiden mussten heiraten um sich dauerhaft eine Gesellschaftliche Position, Ansehen und ein Vermögen zu sichern. Denn sie würden niemals seinen Titel oder sein Anwesen erben können. Alles was er besaß, würde nach seinem Tod seinem Neffen James gehören und seiner Frau und seinen Kindern würde nur ein kleines Auskommen bleiben...

Am nächsten Morgen herrschte im Hause Badford getrübte Stimmung. Die beiden jungen Misses saßen mit hängenden Köpfen und dunklen Schatten unter den Augen am Frühstückstisch. Lady Badford war aufgebrachter, nervöser und ungeschickter als sie es für gewöhnlich war. Nur Lord Badford schien guter Dinge zu sein. Mit einer seligen Miene studierte er aufmerksam die Tageszeitungen. Und nur gelegentlich warf er einen Blick auf seine Frau, die am Vorabend etwas zu tief in den Punsch geschaut hatte und seine beiden Töchter, denen vom vielen Tanzen noch immer die Füße schmerzten.
Die Dienstboten schlichen wie verängstigte Hunde von einem Raum zum nächsten, stets darauf bedacht, so wenig Geräusche wie möglich von sich zu geben.

Am Nachmittag, als die Sonne schon weit über den Zenit hinaus gestiegen war, saßen die drei Damen im Salon beisammen.
Die Mutter hing ihren eigenen Gedanken nach und naschte gelegentlich von den auserlesenen Pralinen, die in einer Glasschale auf einem Tischchen standen, während ihre älteste Tochter Ann sich einer filigranen Stickerei widmete. Sophie, die nichts für das besticken von Kissen oder Strickarbeiten übrig hatte, vertiefte sich in einen Brief, an ihre Cousine Amalia.

"Hat Mr Cole sich gestern nicht sehr höflich und zuvorkommend verhalten" versuchte Lady Elionor, die sich zu langweilen begann ein Gespräch mit Ann zu beginnen. "Das war er in der Tat" pflichtete Miss Ann ihrer Mutter bei und ein verträumter Ausdruck trat in ihre Augen. In Gedanken versunken hob sie den Blick von ihrer Handarbeit und blickte aus dem Fenster. Sophie die ihre ältere Schwester aufmerksam beobachtete fragte sich, ob es wirklich Mr Cole war, der es Verstand solche Gefühle im Herzen ihrer Schwester zu wecken und sie so zum träumen brachte. Dass Ann kein besonders hübsches Mädchen war, wurde an früherer Stelle schon einmal erwähnt,
doch Ann war ein eitles junges Ding. Stundenlang konnte sie vor dem Spiegel stehen, sich bewundernd und sie hatte den Eindruck, dass alle Welt sich nur um sie drehe. Außerdem war sie darauf bedacht sich durch eine kluge Heirat finanziell abzusichern. Und dies führte ihre Schwester Sophie zu dem Schluss dass Mr Kingsley oder auch Mr Wragsdale sehr viel eher Anns Geschmack entsprachen als Mr Cole, der nicht nur ärmer, sondern auch langweiliger und ungebildeter war als die beiden strahlenden Gentleman.

Sophie schüttelte den Kopf, als wollte sie einen unangenehmen Gedanken verscheuchen. Schwungvoll beendete sie ihren Brief und streckte ihre Finger. Vorsichtig blies sie die Tinte trocken, bevor sie das geschriebene noch einmal las.

"Wer kommt da über die kleine Brücke" rief Ann aufgeregt und spähte aus dem Fenster. "Wer ist es?" Stimmte auch Lady Badford in die Aufregung ihrer Tochter ein und spähte neugierig durch die Gardinen.

"Es ist Mr Wragsdale" kicherte Ann und hielt sich die Hand vor den Mund. Plötzlich riss sie sich vom Anblick des Gentleman los und fragte aufgeregt: "sehe ich vorzeigbar aus?"
"Oh natürlich, meine Liebe" antwortete Lady Elionor kurz angebunden und begann an dem Kleid ihrer Tochter herum zu fummeln.

"Was ist wenn er eigentlich Papa brauchen möchte" wandte Sophie ein, ohne dass jemand ihr Beachtung geschenkt hätte, "dann wäre die ganze Hektik und die Mühe für Umsonst gewesen..." Ann und Elionor erstarrten mitten in der Bewegung. "Papperlapp, was sollte er bei deinem Vater wollen?" Die Aufregung nahm kein Ende und Lady und Miss Badford scheuten keine Mühe um das Zimmer in einen Vorzeigbaren Zustand zu versetzen. Bücher wurden ins Regal gestellt, Federkile und Stricknadeln wurden aufgesammelt und die Schokolade verschwand in einem Schrank.

Wie durch ein Wunder saßen die zwei Damen sittsam über eine Strickarbeit gebeugt, als die Tür sich öffnete und der Butler eintrat um "Mr Wragsdale anzukündigen. Und einen Augenblick später trat der hochgewachsene Gentleman in den Lichtdurchfluteten Raum. Bei seinem Anblick strahlte miss Ann über das ganze Gesicht, doch ihrer Schwester Sophie viel auf, dass Mr Wragsdale ihre Zuneigung nicht teilte und ihr lediglich ein höfliches lächeln schenkte.

"Ich hoffe sie haben den Ball gestern gut überstanden" fragte er des Anstandes wegen, oder um ein Gespräch in Gang zu bringen. Miss Sophie vermutete, dass er nicht im Stande war aus dem Stehgreif ein anderes Thema zu finden.
"Oh sehr gut" versicherte Lady Badford ihm unverzüglich und legte ihre Handarbeit, an der sie schon längst das Interesse verloren hatte zur Seite.
"Es ist sehr nett von ihnen, dass sie heute hier her gekommen sind um sich zu vergewissern."

Sophie konnte über das Verhalten ihrer Mutter nur den Kopf schütteln. Das Gespräch schleppte sich schon bald nur noch dahin und miss Sophie bemerkte, dass Mr Wragsdale nichts mehr zu sagen hatte, sobald alle Höflichkeiten ausgetauscht waren. Amüsiert beobachtete sie das Gebaren ihrer Schwester... doch obwohl die junge Dame eine gute Beobachterin war und über einen scharfen Verstand verfügte entgingen ihr die Blicke des jungen Mannes, der immer wieder versuchte das Gespräch an sie zu richten.

Mr Wragsdales Besuch bei den Badfords endete damit, dass Lady Badford ihn für den kommenden Abend zum Dinner einlud. Und dies war eine Einladung, die der junge Mr Wragsdale nur zu bereitwillig annahm.

Miss SophieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt