28.Kapitel

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Es war keine Zeit mehr gewesen, um Sophies Familie von ihrer baldigen Rückkehr zu unterrichten.

Die Freude und Überraschung bei ihrer unerwarteten Heimkehr hätten kaum größer sein können. Ihre Mutter, die vom Fenster aus beobachtet hatte, wie Sophie aus der Postkutsche stieg, stürmte mit Ann im Schlepptau die Treppe hinunter um ihre geliebte Tochter zu begrüßen.

Nachdem sie gemeinsam Sophies Gepäckstücke die steile und außerordentlich schmale Treppe hinauf gehievt hatten, konnten Elionor und Ann ihre Neugier kaum noch zurück halten.

Sie waren begierig darauf jedes Detail über Sophies Aufenthalt auf dem Land zu erfahren.

"Hast du Mr Cole gesehen" fragte Ann, nachdem sie alle unverfänglichen Themen bis ins Detail erörtert hatten.

Sophie war dieses Thema ebenso unangenehm wie ihrer Mutter, der sie einen kurzen Blick zugeworfen hatte. Schließlich antwortete sie: "ich habe Mr Cole tatsächlich gesehen. Allerdings nur zu sehr raren Begebenheiten und ich hatte nie die Gelegenheit ein Gespräch mit ihm zu führen."

Unglücklich blickte Ann in ihre halb leere Teetasse und versuchte vergeblich ihre Tränen zu unterdrücken.

***

Während ihrer Zeit auf dem Land hatte Sophie beinahe vergessen, wie kräftezehrend ihr Londoner Leben war. Aber schon am Abend nach ihrer Ankunft war sie bereits wieder in ihrem Alltagstrott angekommen.

Mit einem großen Korb der bis zum Rand mit Holz gefüllt war begegnete sie Phillip, der vollkommen unerwartet früher als gewöhnlich von der Arbeit nach Hause gekommen war.

"Darf ich dir den Korb abnehemen" fragte er, ohne sich lange mit einer Begrüßung aufzuhalten.

Noch bevor Sophie zustimmen konnte hatte er ihr den schweren Korb abgenommen und trug ihn durch das schummrige Treppenhaus bis vor ihre Wohnungstür. Er hatte die kleine Wohnung in der Sophie mit ihrer Familie lebte noch nie betreten. Nicht weil Sophie ihn nicht eingeladen hätte, sondern weil er befürchtete, dass Sophies Mutter und Schwester über seine Gegenwart nicht sonderlich erfreut wären.

"Danke" murmelte Sophie und musterte Phillip im düsteren Licht des Treppenhauses.

"Ich hätte nich erwartet, dass du so bald wieder hier sein würdest" flüsterte er und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen.

Flüsternd antwortete Sophie: "es war auch eine sehr kurzfristige Entscheidung."

"Gab es irgendwelche Probleme?" Wollte der junge Mann wissen und musterte sie besorgt.

"Ja, aber keine die erwähnenswert wären."

Ihre Antwort fiel so knapp und für Phillip unbefriedigend aus, da Sophie keine Lust verspürte ihre Herzensangelegenheiten mit Phillip zu diskutieren.

"Wie geht es Beth?" Fragte die junge Dame um das für sie so lästige Thema so schnell wie möglich hinter sich zu lassen.

"Es geht ihr phantastisch" antwortete Phillip, "und sie würde sich freuen dich zu sehen."

***

Beth strahlte wie die Sonne als Phillip und Sophie gemeinsam die Wohnung betraten. Es war deutlich ordentlicher in dem kleinen Zimmer als es bei ihrem letzten Besuch gewesen war. Insgeheim hegte Sophie die Vermutung, dass Phillip für diesen so plötzlichen Wandel von Beths Lebensgewohnheiten verantwortlich war.

Die alte Dame, die auf einem wackligen Stuhl nahe des Feuers saß war wieder ganz sie selbst. Rüstig, gut gelaunt und schlagfertiger als ein Parlamnets Abgeordneter.

Eine Weile saß das ungewöhnliche Trio plaudernd am Kamin. Bis Sophie wieder in den Sinn kam, dass ihre Mutter und ihre Schwester auf Brennholz warteten.

Überstürzt verabschiedete Sophie sich von ihren beiden sehr unterschiedlichen Freunden und verließ den winzigen vollgestopften Raum.



"Du magst sie? Oder?" fragte Beth, als sie sicher war, dass die junge Frau sich nicht mehr in Hörweite aufhielt.

Statt einer Antwort gab Phillip nur ein unverständliches Knurren von sich.

"Selbst ein Blinder mit Krückstock könnte erkennen, dass du vollkommen in dieses Mädchen vernarrt bist."

"Bitte sag ihr nichts" bat Phillip, der sich noch nie zuvor so verletzlich gefühlt hatte.

Beth kicherte leise vor sich hin "warum sollte ich es ihr sagen?"

Erleichtert blickte der junge Mann von seinen Händen auf.

"Aber ich hoffe doch, dass du es ihr sagen wirst" fügte die alte Frau verschmitzt lächelnd hinzu, "schließlich wollen wir doch nicht, dass ein anderer sie dir weg schnappt."

***

Phillip war ein Mann, dem viele Eigenschaften zugeschrieben werden konnten. Er war wie ein Fels in der Brandung, treu... aber keineswegs gut in allen Dingen, die Gefühle involvierten.

Gefühle gehörten zu den wenigen Dingen im Leben, die ihn in Angst und Schrecken versetzen konnten. Und Gefühle zu zeigen ängstigte ihn noch mehr als Gefühle zu haben.

***

Wie gewöhnlich brachte Sophie Phillip an jenem Abend eine Schüssel Eintopf auf sein Zimmer.

In den vergangenen Monaten war Sophie die kleine, spärlich möblierte Kammer, die Phillip bewohnte sehr vertraut geworden.

Selbstverständlich ließ Sophie sich an dem kleinen, ramponierten Tisch nieder um Phillip gesellschaft zu leisten, während er sein karges Mahl verzehrte. Meist herrschte Schweigen zwischen den Beiden, was Beiden durchaus recht war.

Phillip, der weil er ein äußerst wortkager Mensch war und Sophie, da sie die Stille und Ruhe genoss, die sie in ihrem Leben nur noch höchst selten verspürte.

"Darf ich fragen, warum du so plötzlich nach Hause zurückgekehrt bist" brach er das Schweigen, nachdem er seine Mahlzeit beendet hatte.

Sophie, die nicht wusste, was sie antworten sollte flüsterte: " es war kompliziert."

Phillip nickte nachdenklich, "möchtest du nicht darüber reden?"

"Mr Wragsdale hat mir erneut einen Heiratsantrag gemacht" platzte es aus ihr heraus nachdem Phillip sich erhoben hatte um das Geschirr zu spülen.

Ein wenig verwirrt drehte der junge Mann sich um und musterte Sophie unglücklich. War ihm tatsächlich schon jemand zuvor gekommen?

Natürlich hatte er gewusst, dass seine Freundin eine auffallend schöne junge Dame war und er sicherlich nicht der einzige Mann war, der dies bemerkte.

Aber er hätte nicht damit gerechnet, dass ein anderer ihm so bald schon zuvorkommen würde.

"Hast du seinen Antrag angenommen?" fragte er entgeistert und sehr darum bemüht seine Gefühle zu beherrschen. Denn was nützte es ihm seine Gefühle nun zu verraten, da es zu spät war. Dies würde nur ihre Freundschaft belasten oder gar zerstören.

"Nein, das habe ich nicht..." flüsterte Sophie.

Es gibt wohl keine Worte, die geeignet wären um um die Erleichterung Phillips in diesem Moment zu beschreiben.

Miss SophieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt