Die Zeit schien innnerhalb der nächsten Wochen nur so dahin zu fliegen. Ein jeder ging seinem Tagewerk nach.
Sophie besorgte die Wäsche der wohlhabenden Familien. Ihre Mutter und ihre Schwester kümmerten sich fleißiger und geschickter denn je um ihren kleinen Haushalt.
Und Phillip schuftete härter denn je zuvor. Der Gedanke an die junge Dame und die gemeinsame Zukunft die er sich mit ihr erhoffte, trieben ihn an. Er wollte aufsteigen um sich und seiner Angebeteten eine bessere Zukunft ermöglichen zu können.
Die Abendstunden verbrachte er meist überglücklich in der Gesellschaft von Sophie. Für ihn war es der Himmel auf Erden, wenn er nach einem langen und harten Arbeitstag mit ihr in seiner Kammer saß.
Sie hatte begonnen ihm Bücher zu leihen, die sie sich entweder vorlasen oder die er in den einsamen Stunden der Nacht verschlang. In Gedanken war er dabei immer bei seiner Liebsten.
Doch am liebsten hatte Phillip es, wenn er die Stimme seiner geliebten Sophie hörte und sie ihm voller Begeisterung von den kleinen Freuden ihres Alltags berichtete. Er schätzte ihre Liebe für die einfachen Dinge im Leben. Sie brauchte nicht viel um glücklich zu sein. Was sie grundlegend von ihrer unzufriedenen, hochnäsigen Schwester unterschied, für die nie etwas gut genug war. Und er vergötterte ihre optimistische Sichtweise mit dem sie nicht nur ihr Leben sondern auch seines erhellte.
Phillip brauchte sehr lange um sich vollends über seine Gefühle für Sophie klar zu werden. Doch als ihm bewusst wurde, dass dieses Gefühl Liebe sein musste bekam er es mit der Angst zu tun. Und noch viel länger brauchte er um eine Entscheidung darüber zu treffen, was er zu tun gedachte.
***
Nach einigen Wochen war seine Entscheidung gefallen. Ein Leben ohne Sophie gehörte für ihn zu einer schier unerträglichen Vorstellung. Er würde alles versuchen um sie als seine Frau gewinnen zu können. Was ihm trotz all der langen durchgrübelten Nachtstunden nicht klar geworden war, war wie er es Sophie am besten sagen sollte.
Am Ende hatten all seine Grübeleien sich als vollkommen nutzlos erwiesen, denn so übereifrig und ungeduldig wie er war, hatte er nicht die Geduld auf den rechten Augenblick zu warten.
Nach einer schlaflosen Nacht hatte Phillip sich früh nach unten geschleppt um Sophie wie gewöhnlich seine Hilfe anzubieten.
"Ich habe das Buch, welches du mir geliehen hast schon ausgelesen" erzählte Phillip während Sophie einen Eimer an der Pumpe mit Wasser füllte.
"So schnell" fragte Sophie, die sich wunderte, wann Phillip neben seiner Arbeit so viel Zeit zum Lesen gefunden hatte.
"Hat es dir gefallen" erkundigte sie sich und unterbrach ihre Arbeit für eine kurze Verschnaufpause.
"Sehr" flüsterte der junge Mann mit etwas heiserer Stimme und blickte sich in dem kleinen Innenhof, der bis auf Beths Hühner vollkommen verlassen war, um.
Vorsichtig, um sie nicht zu verschrecken, näherte er sich der jungen Dame und strich ihr sanft eine Haarsträhne, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte, aus dem Gesicht.
Ein leichter Nieselregen setzte ein und durchnässte ihre dünnen Kleider. Von dem leichten Regen benetzt, wirkte Sophies Haut noch strahlender und ihre Lippen noch anziehender auf Phillip.
Es kostete ihn einiges an Überwindung Sophie, die wie angefroren dicht neben ihm stand nicht auf der Stelle zu küssen.
Phillip der nur ahnen konnte, dass dies nicht zu den Dingen gehörte, die ein Gentleman tat wusste nicht so recht wie er sich verhalten sollte. Nur zu genau wusste er, dass Sophie kein einfaches Mädchen aus dem East-End war und er sie ihres Standes gemäß behandeln musste um sie nicht gegen sich aufzubringen.
Tief blickte er ihr in die Augen, immer noch unschlüssig was er zu tun gedachte.
Auf die Knie gehen war bei diesem matschigen Boden keine Option die ihm offen stand. Er hatte schließlich nur zwei Hosen, die er nicht so leichtfertig beschmutzen sollte. Eine Hose hatte er für die Arbeit und die andere trug er nur zu Sonn- und Feiertagen.
Sanft nahm er Sophies Hand in seine. Ihre Hand wirkte so zart und zerbrechlich, dass er sich sorgte sie in seinen großen, groben Arbeiterhänden zu zerquetschen. Plötzlich kam er sich äußerst ungepflegt und ihrer unwürdig vor.
Trotz dem flehentlichen Blick den Sophie ihrem Freund verzweifelt zuwarf versuchte er sein Glück...
***
Im Nachhinein wusste Phillip nicht mehr, was er gesagt hatte, doch in Miss Sophies Kopf hallten seine Worte ungwöhnlich lange nach: "Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich es dir sagen kann. Doch ich bin zu dem Schluss gekommen, dass all diese Denkerei nutzlos war. Ich bin nicht gut in all diesen Gefühlsdingen und es fällt mir äußerst schwer dir zu sagen, wie sehr ich dich liebe und wie glücklich es mich machen würde, wenn du meine Ehefrau werden würdest."
Versteinert stand unsere Heldin neben dem jungen Mann, der ihr eben seine Gefühle gestanden hatte. Ihre Hand lag immernoch in seiner, die sich warm und rau anfühlte.
"Ich kann nicht" flüsterte unsere junge Dame, der diese Worte ebenso große Schmerzen verursachten wie ihrem jungen Freund. Diesem stand seine Seelenqual nur zu deutlich ins Gesicht geschrieben. Beschämt senkte er den Blick zu Boden, denn er konnte den Anblick von Sophies Gesicht nicht mehr ertragen.
Sophie die spürte, wie sehr sie Phillip verletzt hatte, suchte nach Worten, die seinen Schmerz lindern könnten. Aber ihre Suche war erfolglos.
"Es tut mir Leid" wisperte sie, zog ihre Hand aus seiner und trat den Rückzug ins Haus an.
Selbst als Sophie schon lange aus seinem Blickfeld verschwunden war, hatte Phillip das Gefühl als sei keine einzige Sekunde vergangen.
Ohne den Blick auch nur ein einziges Mal von dem dunklen Türrahmen abzuwenden stand er auf dem winzigen Hof, umringt von Beths Hühnern, die neugierig an seinen Schnürsenkeln pickten.
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Miss Sophie
Historical FictionSophie Badford ist eine wohlhabende junge Lady. Gemeinsam mit ihrem Vater, ihrer Mutter und ihrer Schwester Ann genießt sie die Freuden des Lebens. Doch plötzlich erkrankt ihr Vater an einer unheilbaren Krankheit und sie müssen um ihre Zukunft bang...