Wie Amalia es vorrausgesagt hatte, zog Sophie auf dem nächsten Ball alle Blicke auf sich. Nicht nur die Männer sondern auch die Frauen konnten den Blick kaum von ihr abwenden.
Innerhalb von wenigen Minuten war Sophies Tanzkarte für den gesamten Abend restlos ausgebucht. Einige Männer schienen von dem tiefen Einblick den Sophies Kleid bot verwirrt zu sein, wohingegen andere hellauf begeistert zu sein schienen.
Besonders viele Gespräche entfachte das Kleid am Rande der Tanzfläche, wo die alten Jungfern wie Hühner auf der Stange hockten und kalten Tee schlürften.
"Ein so junges Mädchen sollte solch ein Kleid nicht tragen" wisperten einige Damen sichtlich aufgebracht.
"Aber es sieht doch ganz fabelhaft aus."
"Ich habe gehört dieser Stil soll der letzte Schrei in Paris sein..."
Amalia beobachtete ihre Cousine und klopfte sich insgeheim selbst auf die Schulter. Besonders die Reaktionen der Damen amüsierte sie. Einige schienen regelrecht schockiert zu sein, andere bewunderten den Mut mit welchem die junge Dame dieses Kleid trug. Aber auch die Reaktionen der Männer vermochten es die junge Dame aufs köstlichste zu unterhalten. Einige wagten kaum einen längeren Blick auf die Dame zu werfen, um keineswegs unter den Verdacht des Starrens zu geraten. Andere versuchten keineswegs ihre Blicke zu verschleiern.
Trotz dass es Sophie an jenem Abend nicht an Tanzpartnern mangelte war sie nicht so glücklich oder zufrieden, wie zu erwarten gewesen wäre. Die Männer mit denen sie zu tanzen gezwungen war, bewegten sich auf tölpelhafte Weise und die Gespräche flossen so zäh dahin wue Honig, aber leider nicht im mindestens so süß.
Sophies Füße schmerzten und sie sehnte sich nach nichts weiter als einer Pause, die ihr einige Tänze später gewährt wurde.
Erhitzt vom vielen Tanzen zog Sophie sich in Begleitung Amalias in einen der Teeräume zurück.
"Dein Kleid scheint seinen Zweck bestens zu erfüllen" wisperte Amalia während sich die beiden ein Glas Punsch genehmigten.
Sophie errötete und nahm einen großen Schluck von dem für ihren Geschmack viel zu süßem Getränk. Plötzlich brach ein aufgeregtes Getuschel unter den versammelten Damen aus, die der Tür am nächsten Standen.
Für diese Aufregung gab es keinen anderen Grund als das Erscheinen Mr Kingsleys.
***
Mr Kingsley war gesegnet mit der Gabe jeden Menschen in seiner Gegenwart in Ehrfurcht erstarren zu lassen. Und dieser Abend bildete keine Ausnahme. Wie gebannt hatten sich bei seinem Eintreten alle Blicke auf ihn gerichtet und waren ihm gefolgt, während er den Raum durchquerte. Bis er vor Sophie und Amalia zum stehen kam, um die beiden Damen, welche der Gesellschaft beinahe vollkommen fremd waren zu begrüßen.
"Es ist mir eine Freude sie wieder zu sehen" sagte er galant ohne den Blick von Sophies Gesicht losreißen zu können.
Die letzten Monate waren nicht spurlos an ihr vorbei gegangen. Sie wirkte ernster, erwachsener und nachdenklicher als er sie zuletzt gesehen hatte. Aber in ihrem Gesicht konnte er noch immer den Optimismus erkennen, den er an ihr so sehr liebte. Nur ihre Augen wirkten gänzlich unverändert. Strahlend, munter und lebensfroh.
"Die Freude ist ganz meinerseits" antwortete Sophie, nachdem sie ihre Sprache wiedergefunden hatte.
"Ich hätte nicht erwartet Sie in Bath anzutreffen."
"Ich begleite meine Tante und ihre Familie." In diesem Moment wollte sie sich an Amalia wenden, doch diese war urplötzlich spurlos verschwunden.
Für einen kurzen Augenblick verfielen sie in peinliches Schweigen.
"Sie sehen bezaubernd aus" flüsterte er, nachdem er sie von Kopf bis Fuß gemustert hatte.
"Vielen Damk Sir."
Ein wenig näher lehnte er sich zur ihr und fügte so leise hinzu, dass es kaum hörbar war: "doch für meinen Geschmack ist Ihr Kleid ein wenig zu freizügig. Ich persönlich bevorzuge es, wenn ein paar Dinge eine Überraschung bleiben."
Daraufhin errötete Sophie und senkte beschämt den Kopf. Sie wusste, dass jenes Kleid nicht jedermanns Geschmack entsprach, doch Mr Kingsleys Worte schmerzten sie sehr.
Mr Kingsley, der seine ehrlichen Worte bereute biss sich verlegen auf die Lippe und versuchte die passenden Worte zu finden.
"Ich vermute, dass ihre Tanzkarte für den heutigen Abend bereits gefüllt ist. Trotzdem würde ich Sie von herzen gerne um die Ehre eines Tanzes bitten."
Sophie die ihre Kränkung verwunden hatte musterte den jungen Gentleman schwermütig und antwortete: "es tut mir Leid Sie enttäuschen zu müssen, Mr Kingsley. Aber es wäre doch sehr unschicklich einen der anderen Herren zu Ihren Gunsten zu enttäuschen."
Mit diesen Worten ließ sie ihn stehen und rauschte aus dem Raum, um sich erneut in das Getümmel der Tanzenden zu stürzen.
Nur einem überaus aufmerksamen Beobachter wäre aufgefallen, dass Mr Kingsley an jenem Abend keine der anderen jungen Damen zum Tanz aufforderte und sich stattdessen am Rande der Tanzfläche aufhielt, den Blick immer starr auf Sophie gerichtet.
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Miss Sophie
Historical FictionSophie Badford ist eine wohlhabende junge Lady. Gemeinsam mit ihrem Vater, ihrer Mutter und ihrer Schwester Ann genießt sie die Freuden des Lebens. Doch plötzlich erkrankt ihr Vater an einer unheilbaren Krankheit und sie müssen um ihre Zukunft bang...