10.Kapitel

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Hastig stolperte Miss Sophie über den schlammigen Feldweg, wobei sie auf dem nassen Weg umknickte und ins Schlittern geriet. Nasse Haarsträhnen fielen ihr wirr ins Gesicht und der kalte Wind pfiff ihr erbarmungslos um die Ohren. Es war das denkbar schlechteste Wetter für einen Spaziergang und jeder Mensch, der gesunden Verstand besaß blieb bei einem solchen Wetter zu Hause. Aber die junge Dame konnte und wollte nicht auf ihren täglichen Spaziergang verzichten. Denn diese Spaziergänge verschafften ihr die Ruhe und den Frieden, welche sie benötigte um in aller Ruhe über ihre Situation nachzudenken.

Der Ball war ein sehr Kräftezehrendes Ereignis für Sie gewesen und auch der  darauffolgende Tag war kein bisschen erholsamer verlaufen. Ein Besucher folgte dem anderen, ohne dass den Gastgebern eine Pause gegönnt wurde.

Mr Cole war der erste ihrer morgendlichen Besucher gewesen. Mit schief sitzendem Zylinder und fleckigen Hosenbeinen war er quasi in das Frühstückszimmer gestürzt, um ihnen seine Aufwertung zu machen.

Wie gewöhnlich hatte Mr Cole sich nicht nur ungeschickt verhalten, sondern auch sich auch zutiefst unpassend ausgedrückt. Immer wieder war er ins Stocken geraten, hatte sich wiederholt oder war seinen Gesprächspartner ins Wort gefallen.

Mit Missfallen beobachtete Sophie wie ihre Mutter und ihre Schwester sich trotzdem angeregt mir Mr Cole unterhielten und Ann sich geradezu anbiederte.

Was Miss Sophie betraf, wird dem einen oder anderen Leser wohl der Gedanke gekommen sein, dass die junge Dame zu stolz war um mit einem Mann wie Mr Cole zu sprechen, doch dies war nicht der Fall. Die Ursache für Sophies Zurückhaltung war anders zu Begründen: Sophie war nur zu deutlich bewusst, dass Ann Interesse an Mr Cole hatte, dass es sich dabei nicht um Verliebtheit sondern um praktischen Nutzen handelte war Sophie im Verlauf der Gespräche nur zu deutlich geworden. Aber es war ihr gleich, welcher Natur die Interessen ihrer Schwester waren, in keinem Fall wollte sie Ann im Wege stehen. Statt sich an dem Gespräch zu beteiligen ließ Sophie sich das üppige Frühstück schmecken und genoss den Ausblick auf den warmen, sonnenbeschienenen Park. Auch das Zimmer wurde von warmen Sonnenstrahlen erleuchtet und Sophie verspürte das unbändige Bedürfnis nach draußen zu gehen und das herrliche Wetter zu genießen.

Als die Damen es sich nach dem Frühstück im Garten gemütlich gemacht hatten, erschien der nächste Besucher. Ein Diener führte Mr Wragsdale über den Rasen zu dem  Plätzchen, der von großen und sehr alten Linden überdacht wurde. Die vier Damen des Hauses saßen an weiß gestrichenen Gartentischen auf denen Erfrischungen, sowie Törtchen und Bücher zu finden waren...

Nachdem alle Höflichkeiten ausgetauscht waren, versuchte Mr Wragsdale Miss Sophie, die ihn Buch auf dem Schoß liegen hatte, in ein Gespräch zu verwickeln.

"Lesen Sie häufig?"
"Oh, sie liest beinahe ohne Pause. Es grenzt an ein Wunder, wenn man unsere Sophie einmal ohne ein Buch in der Hand antrifft" antwortete Ann, bevor Sophie auch nur den Mund öffnen konnte.

"Ich muss gestehen, dass ich kein sonderlich großer Leser bin." Mr Wragsdale warf Miss Sophie einen entschuldigenden Blick zu und zupfte nervös seine Ärmel zurecht. "Dafür fehlt mir einfach die Zeit" fügte er hinzu, "doch ich habe großen Respekt vor Leuten, die in ihrem Leben die Zeit finden sich durch die Lektüre von Büchern weiterzubilden."

"Verstehen sie mich bitte nicht falsch, Sir" begann Sophie seinen Irrtum aufzuklären, "ich lese keineswegs nur um mich weiterzubilden, obwohl dies ein ein Aspekt ist, den ich keineswegs außer Acht lasse. Hauptsächlich lese ich, um des reinen Vergnügens Willen."

"Wollen Sie damit andeuten, dass Sie Romane lesen" fragte Mr Wragsdale ein wenig skeptisch.
Entschlossen blickte Sophie ihm in die Augen und antwortete selbstbewusst: "ja, das tue ich, Sir. Und ich wüsste nicht, was daran verwerflich sein sollte."   

Mr Wragsdale räusperte sich und richtete seine Worte an Lady Elionor, "ich bin der Meinung, dass die Lektüre von zu vielen Romanen den Charakter sowie den Verstand von jungen Mädchen verdirbt. Und unser Pfarrer Mr Kings unterstützt mich in dieser Meinung..."

Während das Gespräch diese Wendung genommen hatte, betete Sophie zu Gott und allen Heiligen, dass sie etwas zu ihrer Rettung schicken mögen, denn mit so viel Starrsinn und altertümlichen Ansichten vermochte die junge Dame nicht umzugehen.

Als die herbeigesehnte Rettung kam, war die junge Dame doch ein wenig enttäuscht, denn sie sah ganz anders aus, als erhofft.
Es war die hochgewachsene Figur Mr Kingsleys, die majestätisch über den Rasen auf die kleine Gruppe zugeschritten kam.

"Mr Kingsley" begrüßte Lady Elionor den jungen Mann hocherfreut, "wir hatten heute überhaupt nicht mit ihrem Besuch gerechnet, da Ihre verehrte Frau Mama doch heute ankommen sollte."

"Meine Mutter hat es vorgezogen ihre Reise um ein paar Tage zu verschieben, da ihr die Straßen momentan zu staubig sind."

Sophie nahm einen Schluck von der köstlichen Limonade, in der Hoffnung, vermeiden zu können Mr Kingsley auch nur eines Blickes zu würdigen.

"Ihre Mutter hat ganz recht" zwitscherte Elionor, "momentan sind die Straßen einfach furchteinflößend."

"Mr Kingsley" wandte Mr Wragsdale das Wort an den jungen Herrn, "Miss Badford und ich hatten eben einen kleinen Disput, was das lesen von Romanen betrifft. Sicherlich werden Sie, als ein Weltgewandter Mann mir zustimmen, dass das Lesen von Romanen den Verstand junger Damen negativ beeinflusst."

Sophie wäre vor Scham am liebsten auf der Stelle im Erdboden versunken. Was erdreistete sich Mr Wragsdale so unverschämt über sie zu sprechen. Es war einfach unerhört.

Mr Kingsley hatte in diesem Moment wahrscheinlich ähnliche Gedanken. Aufmunternd lächelte er der jungen Miss Sophie zu, bevor er wohlüberlegt antwortete: "ich kann nichts gefährliches am Lesen von Romanen finden. Im Gegenteil, es gibt wohl kaum ein harmloseres Vergnügen für ein junges Mädchen als zu lesen."

Dankbar lächelte Miss Sophie Mr Kingsley an.  

Miss SophieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt