8.Kapitel

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Miss Amalia Brompton war eine Welterfahrene Dame. Im allgemeinen galt sie als sehr schön, kultiviert und als angenehme Gesellschaft. Sie war die Tochter eines Londoner Kaufmanns und die Tochter von Lady Badfords Schwester. Da Miss Amalia ein sehr angenehmes Wesen besaß, war sie ein gern gesehener Gast in Hertfordshire.

Und ein Brief, der ihren baldigen Besuch ankündigte löste im Haushalt der Badfords ebenso große Vorfreude aus, wie ein bevorstehender Ball.

Miss Sophie wusste ihre Begeisterung kaum zu zügeln, als sie am Morgen nach dem Dinner folgenden Brief von ihrer geschätzten Cousine erhielt:

"Meine Liebe Sophie,
deiner Schilderung zur Folge muss Mr Charles Kingaley ein wahrhaftig unangenehmer Mensch sein. Von einem solch ungehörigen Verhalten habe ich bisher nur sehr selten gehört.
Allerdings sich deine Beschreibung des Gentleman keineswegs mit dem, was ich in London über ihn gehört habe. Dort gilt er aus welchen Gründen auch immer als ein sehr höflicher, wohlerzogener und charmanter Gentleman... 

Aber nun zu etwas anderem. Ich würde euch gerne so bald wie möglich besuchen kommen. Und ich hoffe inständig, dass Lord und Lady Badford mich gerne empfangen würden.
In der Hoffnung dich bald wieder zu sehen,
Deine Amalia"

Für den Abend nach Miss Amalia's Ankunft war ein festlicher Ball im Hause der Badfords geplant worden. Das Haus erstrahlte im Licht Tausender Kerzen und in dem alten Gemäuer herrschte so viel Leben, wie dies sonst nur selten der Fall war.

Der Duft von frischen Blumen und herrlicher Küchlein durchzog das ganze Haus, als Miss Sophie sich mit ihrer Schwester und ihrer Cousine Amalia nach unten begab. Die drei jungen Damen trugen ihre schönsten Sommerkleider, aus weißen, leichten, fliegenden Stoffen, die die schlanken Figuren der Mädchen umspielten.

Die Haare der Mädchen waren zu kunstvollen Frisuren geflochten, hochgesteckt und mit kleinen Perlen oder in miss Sophies Fall mit filigranen Blüten verziert.

Die Mädchen ernteten viele bewundernde Blicke, als sie sich im großen Prunksaal des Hauses unter die tanzenden mischten. Vorsichtig bewegten sie sich durch die Menge. Sophie erschrak ein wenig, als sie plötzlich Mr Kingsley gegenüber stand.
"Guten Abend" grüßte er sie höflich. Dieser Gruß war mehr an Sophie gerichtet, als an ihre beiden Begleiterinnen. Ihnen warf er nur einen kurzen Blick zu. Wie es die Formen der Höflichkeit verlangten, Knickste Sophie und stellte Mr Kingaley ihre Cousine vor.

"Es ist mir eine Freude Sie kennen zu lernen" sagte Mr Kingaley höflich, doch sein Blick ruhte weiterhin auf Sophie. "Die Freude ist ganz auf meiner Seite" hauchte Amalia, die ihren Blick kaum von dem jungen Mann losreißen konnte.

"Miss Sophie" begann Mr Kingaley, "würden Sie mir die Ehre erweisen und die ersten beiden Tänze mit mir tanzen?"
"Wenn Sie ein besserer Tänzer als Sänger sind, Sir?"
"Miss Badford, ich kann Ihnen versichern, dass sie sich um Ihre Füße keinerlei Sorgen machen müssen."

Verschmitzt lächelte er Sophie an, als er ihre Hand nahm und sie behutsam auf die Tanzfläche führte. Er blickte ihr tief in die Augen, als sie zum Tanz gegenüber Aufstellung nahmen. Als die Musik einsetzte und sie zu tanzen begannen versuchte er leise ein Gespräch aufzunehmen: "tanzen Sie gern?"
"Ja, sehr gerne" antwortete sie, "und Sie, Sir?"
Er zögerte etwas mit seiner Antwort, was Sophies Neugier nur umso größer werden ließ.
"Das Vergnügen hängt von der Partnerin ab..."

"Offensichtlich haben Sie genaue Vorstellungen davon, wie ihre Partnerin sein sollte..."

Ein fragender Blick von Sophie genügte und er fügte hinzu: "eine optimale Partnerin sollte nicht nur hübsch anzusehen sondern auch sehr kultiviert und intelligent sein."

Verwundert blickte Sophie in sein Gesicht, mit der Vermutung, dass er sich einen Scherz mit ihr erlaubt hatte. An seinem Gesichtsausdruck konnte sie erkennen, dass er im vollen Ernst mit ihr gesprochen hatte.

"Sie ziehen also eine intelligente Frau vor" fragte Sophie und hoffte, dass er ihre Verblüffung nicht bemerkt hatte, "wie skandalös..."

Als sie es wagte ihm wieder ins Gesicht zu sehen schmunzelte er und seine Augen funkelten vergnügt. "Es mag skandalös klingen, da nicht viele Männer eine intelligente Frau zu schätzen wissen. Ich bin der Meinung, dass nur Dummköpfe eine törichte Frau heiraten. Solche Männer versuchen dadurch ihre eigenen Defizite vor sich selbst zu verstecken, indem sie sich wenigstens ihrer Frau überlegen fühlen..." 

Der erste Tanz endete mit einer Verbeugung und einem Knicks. Die Tänzer zerstreuten sich und neue Paare fanden sich zusammen. Hätte die junge Miss Sophie Mr Kingsley nicht zwei Tänze versprochen, hätte sie sich nur zu gern aus dem Staub gemacht.

Nachdenklich Strich sie ihr Kleid glatt. Normalerweise konnte sie ihre Mitmenschen anhand ihrer Beobachtungen recht gut einschätzen, doch Mr Kingsley wurde für Sie bei jeder Begegnung zu einem größeren Rätsel.
Mal wirkte er abweisend, verschlossen und mürrisch. An anderen Tagen war er ausgesprochen höflich, zuvorkommend und charmant.
Und an diesem Abend hatte er Sophie eine Seite von sich offenbart, die ihr noch gänzlich unbekannt war. Es erschrak sie ein wenig, als ihr bewusst wurde, wie persönlich dieses Gespräch gewesen war. Der junge Gentleman hatte nicht wie gewöhnlich in scherzendem Tonfall gesprochen, sondern sehr ernst und sachlich und er hatte ein sehr hohes Maß an Intelligenz und gesundem Menschenverstand bewiesen.

Der nächste Tanz begann. Nur zögerlich begann Miss Sophie sich im Takt der Musik zu bewegen. Und mit ihren Gedanken war sie noch immer weit fort vom Geschehen im Ballsaal.

Aufmerksam betrachtete Mr Kingsley seine hübsche Tanzpartnerin. In Gedanken korrigierte er sich, sie war nicht nur hübsch, sondern Bildschön, doch sie wirkte abwesend. Wie eine Blume, die den Kopf hängen ließ.

"Ist alles in Ordnung bei Ihnen?" erkundigte er sich ein wenig besorgt. Mühsam Rang Miss Sophie sich ein Lächeln ab, ließ seine Frage aber unbeantwortet.

"Beurteilen sie ihre Mitmenschen immer so hart" fragte Miss Sophie einige Zeit später, während sie anmutig über die Tanzfläche schwebten.
"Ja," antwortete er, "sie etwa nicht?"

In diesem Moment endete der Tanz, was Sophie äußerst angenehm war, da sie sich nun entfernen konnte und Mr Kingsley nicht weiter rede und Antwort stehen musste.

Miss SophieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt