Zwei Monate. Kinderheim. Alles vorbei. Oma. Altenpflegeheim. Mama weg. Papa weg. Was nun?
Diese Gedanken brachten meinen Kopf beinahe zum Explodieren. Doch ich sagte mir, dass ich mir das für später aufheben musste. Später, wenn der Arzt weg war. Denn im Augenblick war er ja noch da und ich wollte dieses grässliche Schweigen brechen. Krampfhaft versuchte ich passende Worte zu finden, um mit ihm reden zu können.
„Und was ist mit unserem alten Haus? Mit meinen ganzen Sachen? Wer holt die? Und was soll mit dem Haus passieren? Und wie geht es mit der Schule weiter?" schluchzte ich, sah ihm aber nicht in die Augen.
„Gabby, mach dir doch darum keine Gedanken. Wir werden uns um alles Weitere kümmern und wenn du wieder im Stande dazu bist zu laufen, dann darfst du gerne mit einer Schwester in dein altes Haus fahren und die Sachen holen, die du brauchst. Es tut mir leid das sagen zu müssen, aber das Haus wird vermutlich versteigert werden."
„Gehen Sie bitte." Ich sah ihm immer noch nicht ins Gesicht.
„Aber Gabby, wir müssen..."
„Gehen Sie! Raus! Wenn ich dazu bereit bin, klingel ich eine Schwester herbei um einen Termin mit Ihnen zu machen und jetzt will ich, dass Sie mein Zimmer verlassen!" Ich erschrak selbst über meine plötzliche Wut in der Stimme. Und ich hätte mich dafür ohrfeigen können so unfreundlich zu sein. Der Arzt konnte nun mal auch nichts für mein Schicksal. Ohne auch nur ein Wort zu sagen verließ er das Zimmer.
Ich vergrub mein Gesicht erneut in meinen Händen. Nein ich wollte nicht wieder anfangen so übertrieben zu heulen. Aber kaum hatte ich diesen Gedanken im Kopf, kullerten mir auch schon die Tränen über meine Wangen.
Dann konnte ich nicht mehr anders als laut zu weinen und vor Verzweiflung zu schreien. Sofort stürmte eine der Schwester herein. Ich schaute nicht auf, erst als ich merkte wie eine Nadel in meinen Arm gestochen wurde.
„Ein Beruhigungsmittel. Du wirst ein paar Stunden schlafen." sagte sie und schon schlief ich ein.
Die Sonnenstrahlen weckten mich am nächsten Morgen. Ich hatte wirklich von gestern Nachmittag die ganze Zeit durchgeschlafen. Doch wirklich ausgeschlafen fühlte ich mich nicht. Mein Rücken schmerzte ungeheuerlich, ohne die Schmerzmittel hätte ich wahrscheinlich gar nicht mehr liegen können. Mit Mühe setzte ich mich in den Rollstuhl und rollte zum Fenster. Ich schaute heraus und wurde mir erst in diesem Augenblick bewusst, dass ich mich im fünften Stock befand. Ich schaute hinunter auf den schmalen Weg, der durch die Allee des kleinen Parks vor dem Krankenhaus führte. Wie gern wäre ich jetzt draußen und für mich allein. Ich kam mir in diesem Zimmer langsam wie in einem Gefängnis vor und es fühlte sich an, als würden die Wände immer näher kommen und mich bald erdrücken. Mein Versuch das Fenster zu öffnen, scheiterte. Ich stützte den Kopf auf meine Arme und dachte nach.
Dann riss mich die Schwester aus meinem Gedanken, indem sie herein kam und mir die morgendlichen Tabletten verabreichte. Das Essen, welches ich stehen lassen würde, stellte sie wieder auf den Nachttisch.
„Ist nicht heute ein wunderschönes Wetter draußen?" fragte sie. Klar, mach mich ruhig noch trauriger und sehnsüchtiger, das Wetter genießen zu können, dachte ich. So eine blöde Kuh! Dachte ich. Als sie merkte, dass ich nicht reden wollte ging sie wieder heraus.
Den Rest des Tages verbrachte ich mit Zeitschriften lesen und malen. Ich hatte eine Schwester um ein Blatt Papier und Stifte gebeten. Zuerst wusste ich nicht, was ich zeichnen sollte. Dann dachte ich, wenn ich schon nicht raus ins Freie durfte, holte ich die Natur zu mir herein. Ich begann mit einer wunderschönen Blumenwiese auf der sich Schmetterlinge tummelten. Die Sonne schien und neben die Wiese malte ich einen kleinen Bach, indem sich zwei Kinder die Füße abkühlten. Ich malte das Bild in den buntesten Farben aus und legte es neben den Schreibtisch.
DU LIEST GERADE
Wie ein Engel
Teen FictionGabby ist 14 als sie ihre Eltern bei einem Autounfall verliert. Sie selbst wacht nach einer Woche im Koma im Krankenhaus auf. Nach wenigen Wochen verliert sie jedoch auch noch ihre Oma, die aufgrund eines Schwächeanfalls ins Altersheim muss. Völlig...