„Hallo Baby. Wie war's?"
„Gut, Frau Kuhnert ist sehr nett. Sie ist siebenundvierzig und wie eine typische Psychologin, weißt du? Die Frau war mir gleich sehr sympathisch und ich habe mich ihr vollkommen geöffnet. Ich habe meine ganze Geschichte erzählt und natürlich hab ich total geheult aber es war irgendwie, ich weiß nicht, total befreiend. Das Gespräch hat mich ziemlich erleichtert und ich glaube ich kann sie mir ziemlich gut als Therapeutin vorstellen."
„Wie schön zu hören. Wirklich das freut mich."
„Danke."
„Und das mit morgen steht noch oder?"
„Ja. Ich will das endlich durchziehen. Damit ich meinen Kopf mal frei bekomme."
„Soll ich dich dann abholen? Wir fahren dann mit dem Bus. Ich weiß welche Linie wir nehmen müssen und wo wir aussteigen müssen."
„Echt, du weißt wo der Friedhof ist?"
„Mein Vater liegt da auch. Ich komme öfters dahin."
„Oh, ehm. Das wusste ich nicht. Hör mal wenn dich das stört oder du das nicht willst, dann musst du das nicht für mich tun. Wirklich."
„Hör mal Baby, ich fahre seit Jahren dahin. Und bringe ständig neue Blumen und pflege das Grab. Ich habe kein Problem damit. Wirklich, das ist schon okay. Ich besuche ihn gerne."
„Gut, dann besuchen wir deinen Papa auch."
„Wenn du möchtest."
„Okay, dann bis morgen früh. Schlaf gut Schatz. Ich liebe dich."
„Ich liebe dich auch Schatz. Bis morgen und eine gute Nacht." Ich legte auf, schaltete das Handy aus und schloss es ans Ladegerät. Dann schaltete ich den Fernseher ein und schaute mir Freitag lacht an. Wenigstens etwas zum lachen. Doch nach einer viertel Stunde konnte ich mich nicht mehr richtig auf den Bildschirm konzentrieren. Ich musste an morgen denken und sofort setzte sich mir ein flaues Gefühl in den Magen. Ich wurde mir unsicher. Wollte ich das wirklich? Wollte ich mir das ernsthaft antun? Ich würde wahrscheinlich zusammenbrechen. Die Nerven verlieren. Ich würde von meinen Gefühlen überrollt werden. Aber das war doch nicht schlimm! Ich hatte doch gelernt, dass ich meine Gefühle zulassen musste. Und ich hatte es schon so oft getan und überstanden. Ich durfte und wollte keine Angst mehr davor haben! Das war ich nicht mehr! Ich würde Jayden dabei haben und er würde für mich da sein. Alles würde gut werden. Konzentrier dich wieder aufs Fernsehen! Schimpfte ich mich selbst. Ich musste es einfach auf mich zukommen lassen. Und irgendwie hatte ich ein schlechtes Gewissen dass ich noch nicht einmal seit ihrem Tod das Grab meiner Eltern besucht hatte. Sie werden sich sicher freuen wenn ich ihr Grab besuche! Und dann versuchte ich all die Gedanken abzuschalten und merkte, dass ich dabei schon am dösen war. Das Gespräch heute war anstrengend gewesen, ich war ziemlich müde. Und ich brauchte kraft!
Marc und Anja erzählte ich beim Frühstück was ich und Jayden vorhatten. Sie wussten zunächst nicht was sie sagen sollten und schauten sich an. Sie sahen ein wenig besorgt aus.
„Ihr braucht euch keine Sorgen machen! Ich hab mir das gut überlegt. Und mit Jayden an meiner Seite schaffe ich das. Es wird langsam Zeit dafür. Und ich glaube, dass ich nur so endgültig damit abschließen kann."
„Naja, wenn du dir sicher bist dass du das tun willst dann sollst du es machen. Ich finde es toll, dass du diese Entscheidung triffst. Das ist sehr mutig."
„Ja, und wenn etwas ist, du kannst uns immer anrufen. Wir holen dich ab."
„Ja, danke."
„Du schaffst das." Die beiden gaben mir das Gefühl, dass sie an mich glaubten. Also sollte ich das auch tun. Das würde schon gut gehen. Und wenn ich meine Gefühle rauslassen musste, dann war es eben so. Vor Jayden schämte ich mich dafür nicht. Gerade als ich hoch gegangen war um Zähne zu putzen klingelte es. Ach herrje! Mit Zahnpasta und Zahnbürste im Mund rannte ich in mein Zimmer und suchte mein Portemonnaie. Gut, dass ich es immer in der Tasche hatte. So musste ich nicht noch suchen. In Unordnung hatte ich noch nie leben können. Schon in meinem alten Zimmer war immer alles aufgeräumt und an seinem Platz gewesen. Und wenn nicht hatte ich es schnell dort hin geräumt. Das half mir in Situationen wie dieser. Ich holte es raus und rannte zurück ins Bad um auszuspucken. Dann ging ich runter, wo sich Jayden im Eingang mit Anja unterhielt. Er lächelte als er mich sah und ich auch. Ich eilte zu ihm und drückte ihm schnell einen Kuss auf seine Lippen. Schnell zog ich Schuhe an und dann konnte es losgehen. Außer meinem Portemonnaie brauchte ich nichts. Mein Handy hatte ich trotzdem dabei, Anja und Marc legten Wert darauf dass ich sie immer erreichen konnte und umgekehrt.
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Wie ein Engel
Teen FictionGabby ist 14 als sie ihre Eltern bei einem Autounfall verliert. Sie selbst wacht nach einer Woche im Koma im Krankenhaus auf. Nach wenigen Wochen verliert sie jedoch auch noch ihre Oma, die aufgrund eines Schwächeanfalls ins Altersheim muss. Völlig...