chapter 15

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Das sogenannte Taxi war ein kleinerer Bus. Es waren nicht allzu viele, die auf die Humboldt- oder Konrad Adenauer Schule gingen. Trotzdem war der Bus ziemlich voll als alle saßen. Dennis und ich hatten uns einen Platz recht weit vorne gesucht, weil der Bus erst am Gymnasium halten würde und dann zur Realschule weiter fahren würde. So hatten die Jungs es mir erklärt. Maik und Aaron saßen weiter hinten. Ich hatte vorher kurz nochmal mit Maik gesprochen wie dankbar und glücklich ich war, dass er das für mich tat. Wenn alles gut laufen würde, könnte ich an diesem Nachmittag schon Kontakt zu meinem Freund haben. Nach zweieinhalb Wochen. Meine Nervosität stieg ins Unerträgliche und ich wusste nicht mehr, was ich noch denken sollte. Dann fuhr der Bus los und mit jedem Meter, den wir fuhren, wurde es schlimmer. Ich hatte schreckliche Bauchschmerzen und das Gefühl, mich übergeben zu müssen. Meine Hände zitterten und ich wusste nicht mal mehr ob mir warm oder kalt war. Ich wusste nicht mal ob die Angst vor der Schule schlimmer war oder die Panik, dass mein Plan nicht aufgehen würde, dass Jayden nicht in die Schule kommen würde oder noch schlimmer er gar nicht mehr in die Schule kommen würde. Aus welchem Grund auch immer. Ich wollte mir zu dem Zeitpunkt nicht mehr ausmahlen, welche Gründe es dafür geben könnte wenn er nicht zur Schule kommen würde. Es hatten sich in den letzten Wochen genug Szenarien in meinem Kopf abgespielt und mich an den Rande der Verzweiflung gebracht. Wenn ich jetzt noch weiter darüber nachdenken würde, würde ich es mir selbst nur noch schwerer machen. Also beruhigen! Und erst mal abwarten, was überhaupt passiert. Dennis fragte mich ob alles okay sei. Er hatte gemerkt, wie hibbelig ich geworden war. Erschrocken fuhr ich hoch und blickte ihn an.

„Hm? Was?... Achso, ähm nein ich bin nur sehr aufgeregt."

„Keine Angst. Du hast ja noch mich." Geschmeichelt lachte ich. Es war schon echt bemerkenswert wie sich die Jungs in der letzten Zeit um mich gekümmert hatten. Sowas gab es heutzutage nicht mehr oft. Die meisten Menschen waren rücksichtslos und egoistisch. Ich war echt heilfroh, dass Dennis an meiner Seite stand. Ohne irgendeine Bezugsperson hätte ich diesen ersten Tag wohl nicht geschafft. Das Taxi hielt und wir stiegen aus. Neben Dennis und mir gab es noch vier weitere Personen, die das Gymnasium besuchten. Drei davon gingen allerdings in die siebte Stufe, wir hatten also keinen Kontakt mit ihnen. Die andere Person war ein Mädchen in unserem Alter. Ich kannte sie vom Sehen. Im Heim war sie immer sehr ruhig und zurückhalten und eher unscheinbar. Sie hieß Marie und sah noch nicht wirklich aus als würde sie die Neunte Klasse besuchen. Sie war nicht hässlich oder so, überhaupt nicht, aber sie hätte viel mehr aus sich machen können. Sie wirkte wie ein typisches Mauerblümchen, Brille, Haare immer zu einem Zopf zusammengebunden, schlichte und nicht sehr moderne Kleidung. Aber so wie ich gehört hatte war sie unglaublich schlau und wohl ziemlich gut in der Schule. Sie litt unter einer sozialen Phobie, also der Angst vor Menschen. Die Betreuer hielten es trotzdem für wichtig, sie nach und nach wieder in das gesellschaftliche Leben einzubringen und auch mit Situationen wie der Schule zu konfrontieren weil sie der Meinung waren, dass sie nur so ihre Angst überwinden könne. Mein erster Eindruck von der Schule war riesig. Es war ein graues Gebäude, aber nicht hässlich, sondern für eine Schule sogar noch recht schön. Allerdings wirkte es auf mich ziemlich riesig. Einige Schüler rannten an uns vorbei, andere blieben stehen und musterten uns, was mich schon vor Schulbeginn irritierte und verunsicherte. Als wir den Schulhof überquerten, der zum Eingang des Gebäudes führte, erklärte Dennis mir, dass es normal war, von einigen so angegafft zu werden.

„Sie haben anscheinend ein Problem damit, uns als normal anzusehen und uns zu akzeptieren. Manchmal habe ich sogar den Eindruck, dass sich manche von uns bedroht fühlen. Das musst du nicht verstehen. So, Menschen gibt es überall, das ist nun mal leider so. Der erste Tag ist nicht ganz so leicht, aber ich bin ja bei dir und wenn dir irgendjemand was tut, glaub mir dann knöpfte ich mir den schneller vor als der mit der Wimper zucken kann. Dein Freund hat mir aufgetragen auf dich aufzupassen, und das werde ich ganz sicher tun." Wir liefen an Tischtennisplatten vorbei, auf denen ein paar sich küsste und ziemlich wild übereinander her fiel. Etwas weiter in der Ferne stand eine Gruppe von Rauchern. Der Gestank drang jedoch bis zu mir vor. Angeekelt lief ich weiter neben Dennis her. Neben dem Eingang standen weitere Gruppen. Rocker, Streber, Musiker, Tussen, Angeber, alles war vertreten. Ich war ein Mensch, der nicht viel von Vorurteilen hielt, was größtenteils auch an meiner eigenen Geschichte und Situation lag, aber Dennis erzählte mir einiges über die Leute hier und auch wer wer war und mit wem ich besser nichts zutun haben sollte. Wir betraten das Gebäude und es war von innen nicht schöner und nicht hässlicher als von außen. Mein Eindruck bestätigte sich, die Schule war ziemlich groß. Dennis zeigte mir den Weg zum Sekretariat, um unsere Stundenpläne abzuholen. Normalerweise bekam man diese erst in der Klasse, aber wir mussten sie abholen um zum richtigen Raum zu gelangen und weil das mit dem Heim nun mal so geregelt war.

Wie ein EngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt