Teil 9

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Ich hörte schwere Schritte und dann ein Klopfen, allerdings wurde nicht bei mir geklopft. "Die Fahrkarte bitte", ertönte die Stimme.
"Einen Augenblick", antwortetest du, doch ich konnte selbst hier hören, dass du unsicher klangst. Ich atmete ruhig, alles war gut. Es vergangenen ein paar Sekunden, doch es klopfte wieder: "Machen Sie jetzt sofort auf, oder ich werde die Tür aufbrechen." Ich schluckte, ich musste etwas tun. Lange nachgedacht hatte ich nicht, doch ich schloss die Tür auf und schrie. Die Aufmerksamkeit des Schaffners hatte ich auf jeden Fall, deine wahrscheinlich auch.
"Hilfe!" Der Mann sah erschrocken zu mir. "Ich, ich habe es verloren", ich zwang mich zum Weinen.
"Was ist passiert junge Dame?", er kam zu mir.
"Es ist einfach, einfach-", schluchzte ich.
"Was haben sie verloren?" Der Zug rollte langsamer, ich hoffte, dass du deine Chance ergriffst.
"Mein Kind", mir fiel auf die Schnelle nichts Besseres ein, also fasste ich mir an den Bauch. Der Mann sah mich unsicher an, er hatte auf keinen Fall eine Frau. Der ICE kam langsam zum Stehen. Ich krümmte mich, vielleicht übertrieb ich auch ein wenig: "Ich brauche Wasser!"
Der Schaffner sah panisch um sich, als würde ich gleich sterben, wenn er nicht handelte: "Ich hole Ihnen Wasser." Dann rannte er davon.
Deine Tür ging auf und du sahst mich lächelnd an: "Danke."
Ich raffte mich nach oben: "Raus hier." Mit dem Knopf öffnete ich die Tür und wir stiegen aus. Wir gingen zügig weg von dem Gleis und ich wischte mir die künstlichen Tränen weg, es hatte schon seine Vorteile auf Knopfdruck weinen zu können.
"Du hättest das nicht tun müssen."

Doch Jack, das hatte ich. Wer weiß was passiert wäre, wenn ich es nicht getan hätte? Außerdem hatte es sogar ein wenig Spaß gemacht.

"Das wäre jetzt der Moment, in dem du dich aufrichtig bedankst und wir die Sache dann einfach vergessen."
"Danke, Elli."
Ich wedelte mit den Händen: "Ich habe verloren, ich konnte dich nicht ignorieren."
Du lachtest: "Dafür hast du diesen Arsch gerade vor einer Geldstrafe bewahrt, du hast gewonnen, was willst du?" Ich sah dich fragend an. "Jetzt stell dich nicht so an und sag etwas", dein Grinsen hatte seinen Platz wieder gefunden.

Was wollte ich? Nicht sterben wäre eine Lüge gewesen. Mir waren Leben und Tod schon immer gleichgültig. Waren wir das nicht? Leben und Tod? Deine Abenteuerlust, dein Charme und deine wahnsinnigen Ideen waren eindeutig Leben. Meine Einstellung, Verfassung und Denkweise könnte man mit dem Tod bezeichnen. Mir war das Leben und der Tod schon immer viel zu nah beieinander, ging es dir genauso? Vielleicht war das der Grund warum wir nicht ohne einander konnten, du warst meine Sonne, ich dein Mond, du verkörpertest Tom, während ich Jerry war.
Du warst lebendig, und ich längst tot.

"Ich will dich gewinnen lassen."
Du runzeltest deine Stirn: "Sag einfach etwas."
"Habe ich schon", ich lächelte dich an.
Du brauchtest einen Moment: "Du willst mit mir zusammen sein?"
Jetzt grinste ich wie der Kater aus dem Wunderland: "Eventuell."
"Elli, das hätte ich niemals geglaubt."

Ich auch nicht. Jetzt waren wir also offiziell ein Paar. Naja, offiziell auch wieder nicht, ich meine, wem sollten wir von uns erzählen?

"Ich dachte du wärst so überzeugt von dir", ich lachte zu laut.
"Ich bin überzeugt von dir", deine Augen funkelten.
"Wir sind jetzt noch lange nicht so ein händchenhaltendes Paar, das sich gegenseitig Spitznamen gibt und sich gefühlte jede zehn Sekunden umarmt oder küsst", sagte ich.
"Das würde auch nicht zu uns passen", dein Grinsen hätte man ohne Scheiß von zwanzig Metern Entfernung gesehen. Wir liefen an einer Backsteinmauer vorbei in Richtung Innenstadt.
"Was passt denn dann zu uns?"
"Das hier alles", du breitetest die Arme aus.
"Ja, das passt."
"Und das", du bewegtest dich zu schnell, als das ich dir hätte ausweichen können. So stand ich da, mit dem Rücken an die Wand gepresst und dich so dicht bei mir, dass ich deinen Atem auf meiner Haut spüren konnte.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich hätte schwören können, dass ich deins auch hören konnte, aber vielleicht hatte ich mir das nur eingebildet. Unsere Lippen waren wie füreinander bestimmt, das konnte ich spüren. Konntest du es auch fühlen? Ich hoffe es, denn es war ein atemberaubendes Gefühl.

Wir lösten uns voneinander. Ich atmete schneller: "Das war irgendwie magisch."
"Und du sagst ich soll nicht kitschig sein, kleine Blume."
"Nenn mich nicht so", ich boxte dir gegen die Schulter.
"Ich finde die Bezeichnung kleine Blume schöner als dein Name Arsch für mich", du sahst lächelnd auf mich herab.
"Pech, du hast es halt nicht anders verdient."
"Dann muss ich wohl daran arbeiten."
"Das kannst du lange."
"Ich dich auch, Elli."
Ich griff in deine Jackentasche und nahm dein Feuerzeug: "Als deine Freundin darf ich das ja."
Ich zündete mir eine Zigarette an und du lächeltest mir zu: "Du kannst schnell in deinen alten Modus wechseln."
Ich lachte bitter: "Ist das gut oder schlecht?"
"Beides Elli, beides."

Einsam fällt Sterben leichterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt