Teil 42

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"Elli, es tut mir leid, ich, ich konnte nicht anders."
Meine Tränen verschleierten meine Sicht: "Du hast dich wegen mir geritzt!"
"Elli", deine Hand war auf meinem Bein zu spüren, aber das half nicht.
"Nein, Jack, fang jetzt bitte nicht an es zu leugnen!"
"Aber es stimmt nicht, Elli. Ich habe mich nicht wegen dir verletzt, sondern wegen mir, wegen dem, was ich dir angetan habe." Ich bekam keinen Ton mehr heraus und du zogst mich einfach nur an dich und ich heulte dein Oberteil voll, bis es komplett durchnässt war. "Es passiert nicht nochmal, wir vergessen es einfach", flüstertest du und ich beruhigte mich langsam wieder. Außerdem hatte ich wieder einen Hustenanfall, der mich daran hinderte noch weiter zu weinen.
"Versprich es mir!", brachte ich unter schwerem Atem hervor.
"Versprochen", du zogst die Wasserflasche zu dir und schraubtest sie für mich auf. "Hier trink das", ich nahm wie befohlen die Flasche und ließ mich dann wieder in die Kissen sinken. Leise wimmerte ich noch vor mich hin und du sahst mich traurig an: "Hör bitte auf zu weinen, Elli. Das tut mir im Herzen weh, verstehst du?" Ich nickte und wischte mir mit dem Handrücken über die Augen. "Gut, und jetzt schau mich an", deine Augen funkelten. Ich hob den Kopf und sah von unten zu dir hoch. Du lächeltest: "So gefällst du mir schon besser, kleine Blume."
"Willst du damit sagen, ich sehe hässlich aus, wenn ich weine?", ich lachte unter Tränen.
"Nein, du bist immer wunderschön, aber ich mag es nicht, wenn du traurig bist, das macht mich auch traurig." Ich zog dich an mich und drückte dich so fest wie ich konnte.

Wir brennen füreinander, Jack. Wir sind wie Kerzen, wir brennen zusammen und dann tut der letzte Atemzug wahrscheinlich gar nicht so weh. Wenn das Licht erlischt, bleibt ein anderes übrig. Ist das Liebe? Beruhigt mich das Wissen, dass du noch übrig sein wirst, wenn meine Flamme ausgepustet wird? Du würdest doch für mich weiter brennen, nicht wahr?

"Du bist bei mir, also habe ich keinen Grund mehr traurig zu sein, Jack."
Du begannst zu grinsen: "Jetzt warst du kitschig."
"Du bist doch doof."
"Ich liebe dich auch." Eine Weile lang lagen wir einfach nur so da und hielten uns gegenseitig. "Wollen wir den Film zu Ende schauen?", fragtest du aus dem heiteren Himmel und ich nickte. Es war nur noch eine halbe Stunde, bis der Abspann erschien und du setztest dich auf: "Hast du heute etwas dagegen, wenn wir im Hotel essen?"
Ich schüttelte den Kopf: "Ich will nicht, dass du nochmal verschwindest, das würde mich krank machen." Du lächeltest schwach und riefst dann die Rezeption an. Ich starrte auf das Bild mit dem Wald, würde ich dieses Zimmer überhaupt jemals wieder verlassen? Wie lange war ich jetzt schon hier?
"In einer halben Stunde sollte ein Zimmerservice kommen", die Matratze gab unter deinem Gewicht nach und ich rutschte ein wenig zur Seite, sodass du genug Platz hattest.
"Erzähl mir etwas, Jack", flüsterte ich und schloss die Augen.
"Was soll ich denn erzählen, kleine Blume?"
"Ist mir egal, irgendetwas eben."
"Ich war schon immer ein Sturkopf und früher, als ich kleiner war, wollte ich den Spielplatz nicht eher verlassen, bis meine Mutter ihren bestellten Sandkuchen aufgegessen hat." Ich schielte zu dir herüber, du starrtest an die Decke und hattest die Augen auch geschlossen.
"Hat sie das dann wirklich getan?"
Du lachtest: "Einen Bissen, dann hat sie ihn ausgespuckt und gemeint, ich solle lieber kochen und nicht backen." Ich grinste, die Vorstellung von einem kleinen Jack war einfach viel zu süß. "Meine Geschwister und ich haben auch oft Schneeballschlachten gemacht, eigentlich waren wir jeden Tag zusammen. Ich habe sogar mal meiner Kindergärtnerin ins Gesicht gesagt, dass sie doof ist und sich einen anderen Job suchen soll", jetzt sahst du mich ebenfalls an.
"Du warst also schon immer sehr direkt", ich versuchte nicht zu blinzeln, um jede deiner Bewegungen mit verfolgen zu können.
"Oh ja, und das habe ich auch gerne raushängen lassen, wenn mich etwas wütend gemacht hat. Ach Elli, wir haben unseren Lehrern in der fünften Klasse jede Woche Streiche gespielt, auch wenn es nur so harmlose, wie zum Beispiel Kreide verstecken, waren. Wir hatten immer so viel Spaß dabei, uns sowas auszudenken."
"Wir sind immer Springseil gesprungen", sagte ich jetzt und wandte den Blick zur Decke.
"Wie war deine Schulzeit denn sonst so?"
Ich seufzte: "Anstrengend, ich war immer auf mich allein gestellt, weil meine Eltern kein Interesse an mir hatten. Meine Hausaufgaben habe ich immer allein gemacht dann war ich auf der weiterführenden Schule und meine Noten wurden immer schlechter, bis schließlich der Krebs diagnostiziert wurde." Du sahst mich ausdruckslos an und schwiegst. "Weißt du, Jack. Ich habe das Geld mit Zeitungtragen verdient, weil ich von meiner Familie nichts erwarten konnte. Es ging jeder verdammte Cent für Zigaretten drauf. Und weißt du, ich frage mich oft, was passiert wäre, wenn ich diesen Job nie angenommen hätte. Wäre ich immer noch bei meiner Familie? Wäre ich trotzdem süchtig geworden?", ich unterdrückte die Tränen und du zogst mich in eine enge Umarmung und das half mehr als jedes Wort.

Einsam fällt Sterben leichterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt