Teil 38

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"Mach dich nicht so breit!", zischte ich, während du es dir unter meiner Decke gemütlich machtest.
Du schlangst die Arme um mich: "Kein Grund zickig zu werden und die Stacheln auszufahren, kleine Blume."
"Idiot", flüsterte ich, während ich mich an deinen Oberkörper schmiegte.
"Willst du noch, dass dein Idiot irgendetwas für dich tut?"
"Bleib einfach so liegen und geh nicht weg."
"Dein Wunsch sei mir Befehl."
"Du hörst auf Befehle von Blumen?"
Dein Mund streifte meine Haare und dann flüstertest du mir direkt ins Ohr, sodass ich deinen warmen Atem spürte: "Nur auf die einer ganz bestimmten Sorte." Darauf erwiderte ich nichts und schloss einfach lächelnd die Augen.

Ich glaube, ich bin schon wieder in deinen Armen eingeschlafen und langsam fragte ich mich, ob du es nicht leid warst, andauernd auf mich aufzupassen. Dieses Mal hatte ich nichts geträumt, oder vielleicht hatte ich es auch einfach wieder vergessen.

"Gut geschlafen?", fragtest du, noch bevor ich die Augen geöffnet hatte.
"Woher weißt du, dass ich wach bin?"
Du lachtest leise: "Du hast geschnarcht."
Ich blinzelte dich verschlafen an: "Hab ich gar nicht."
"Oh doch, und wie! Es ist ein Wunder, dass sie noch niemanden hochgeschickt haben, um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist."
"Arsch!", rief ich und du grinstest wieder wie der Kater aus dem Wunderland.
"Ach Elli", du küsstest mich auf den Hals, bis du an meinen Lippen angekommen warst, "ich liebe dich." Deine Stimme war ein tiefes Flüstern und ich schmolz förmlich. Als ich nichts sagte, lachtest du: "Das wäre jetzt der Zeitpunkt, an dem du das erwiderst und wir uns küssen, bis das nicht mehr ausreicht."
Wie benommen murmelte ich vor mich hin: "Ich dich auch, Jack. Ich liebe dich auch." Deine Lippen streiften meine wieder und ich gab mich dir einfach hin, denn etwas anderes hätte ich auch gar nicht gewollt.

Lang konnten wir das allerdings nicht machen, da mein Körper nicht mehr mitspielte.

"Es ist in Ordnung, Elli."
Ich zog die Decke bis zum Kinn hoch: "Ist es nicht, es ist schrecklich."
Du setztest dich auf: "Soll ich einen Film auftreiben?" Ich nickte stumm ins Kissen. "Gut, bin gleich wieder da, nicht weggehen!"
"Ha, ha, sehr witzig", ich streckte dir den Mittelfinger entgegen.

Dann warst du wieder verschwunden und es fühlte sich an, als würde ein Teil von mir mit dir gehen. Es war so, als würde irgendetwas Wichtiges fehlen und nicht so schnell zurückkommen.

Ich beobachtete wieder die Uhr, die Zeiger wollten sich einfach nicht vorwärts bewegen und meine Brust fing wieder an zu stechen, außerdem hatte ich das dringende Bedürfnis ins Bad zu gehen, also hievte ich mich hoch und öffnete die Tür. Ich ließ kaltes Wasser in meine Hände fließen und wusch mein Gesicht. Bei meinem Spiegelbild trat ich unwillkürlich einen Schritt zurück, was zur Hölle? Meine Wangenknochen ragten mir entgegen und meine Augenringe waren dunkellila verfärbt. Mein Haar fiel wie Stroh auf meine Schultern und mein Gesicht war so bleich, als hätte es nie die Sonne gesehen. Ich stützte mich am Waschbecken ab und versuchte die aufkommende Übelkeit auszublenden, mein Magen zog sich zusammen und mir wurde schwindelig. Ich versuchte mich zu setzen, doch es gelang mir nicht mehr, da ich auf der Stelle zusammenbrach.

Es war wie schlafen. Ich blinzelte, aber alles um mich herum blieb schwarz. Ich spürte den weichen Badezimmer Teppich unter meinem Körper, aber egal wie sehr ich mich bemühte, oder versuchte mich zu bewegen, es rührte sich rein gar nichts. Fühlte sich so das Sterben an? Hilflos und alleine? Dunkel und langsam? Ich verlor die Kontrolle.

"Elli?", die Tür wurde aufgerissen und ich vernahm deinen Fluch, Jack.
"Scheiße! Verdammte Scheiße! Elli, nein, nein, nein!"
Mit einem Mal konnte ich die Augen aufschlagen und sah dich irritiert an: "Jack." Das war das Einzige, was meine brüchige Stimme zustande brachte.
Ich sah die Tränen in deinen Augen, als du neben mir knietetst und trotzdem lächeltest du: "Es ist alles gut, Elli. Ich bin hier, ich gehe nicht weg."
Mein Rachen brannte: "Wasser." Du sprangst sofort auf und schon nach ein paar Sekunden hatte ich ein gefülltes Glas in der Hand.
Ich richtete mich auf und du stütztest mich: "Langsam, Elli. Lass dir Zeit."
Ich trank und mein Körper beruhigte sich allmählich wieder, auch meine Kontrolle erlangte ich zurück: "Danke."
"Ich hätte nicht weggehen dürfen." Mein Blick war eisern, als ich dich ansah.
"Das hier", ich deutete auf meinen kompletten Körper und meine Hand ruhte dann letztendlich über der Lunge, "ist nicht deine Schuld, Jack. Wenn überhaupt jemand Schuld trägt, dann bin ich das. Du hast nichts mit meinem Krebs zu tun, Jack. Du bist eher derjenige, der mir hilft, ihn zu bekämpfen, indem du mir zeigst, wie man lebt, auch wenn das Ende nahe ist."

Denn das hast du, Jack. Bevor du kamst war ich eine leere Hülle, die nur noch vor sich hinvegetierte und eigentlich schon längst tot war.
Du hast mir gezeigt, was es heißt, lebendig zu sein,
du hast mich von den Toten zurückgeholt, Jack.

Einsam fällt Sterben leichterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt