Teil 30

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"Ich bin aber wirklich hier, Elli." Und wie um es zu beweisen, wanderte deine Hand an meinem Hals entlang und fuhr dann weiter bis zu meinem Bauch. Du drücktest deine Zigarette ebenfalls aus und küsstest mich dann wieder.
Ich stöhnte auf und drückte dich dann beiseite: "Nochmal wird zu viel."

Es ist nicht so, dass ich nicht nochmal mit dir schlafen wollte, Jack. Das wollte ich, wirklich, mehr als alles andere. Aber es ging nicht, der verdammte scheiß Krebs hat das nicht zugelassen und ich hasste ihn dafür, hasste mich dafür. Warum hätte ich dich nicht früher kennenlernen können, Jack? Warum? Wenn ich nur nie mit dem Rauchen angefangen hätte, hätten wir eine Zukunft. Oder hätte ich dich dann überhaupt nie kennengelernt?

"Tut mir leid, habe ich dir weh getan?", du sahst mich an wie ein Welpe seinen Besitzer.
"Nein verdammt", ich richtete mich auf, "hör doch mal auf mich als etwas Zerbrechliches anzusehen, ich bin aus Fleisch und Blut, nicht aus Zucker!" Jetzt begannst du zu lachen und dafür hätte ich dir am liebsten eine gescheuert: "Was ist denn so lustig?"
Du konntest erst wieder sprechen, als du dich beruhigt hattest: "Ich bin besoffen." Zuerst sah ich dich verdutzt an, doch dann musste ich, warum auch immer, ebenfalls loslachen.
"Das ist eigentlich kein bisschen lustig", murmelte ich und kuschelte mich wieder an deine Brust.
Du strichst mir eine Strähne hinter mein Ohr: "Ich sollte mich beim Alkohol bedanken."
"Was?", entfuhr es mir.
"Ohne ihn hättest du niemals mit mir geschlafen", du grinstest wieder wie der Kater aus dem Wunderland.
"Jack, also wirklich. Wir haben nicht miteinander geschlafen, weil wir betrunken sind."
"Sondern?" Ich zuckte nur mit den Schultern und begann wieder zu kichern. "Ich liebe dein Lachen, Elli."
Deine Worte ließen mich zusammenzucken und ich drückte mich noch fester an dich: "Und ich liebe dich, du Arsch."
"Können wir jetzt einfrieren?", fragtest du und ich lachte.
"Schön wäre es."

Wir schwiegen eine ganze Weile, aber selbst das war wunderschön. Wir ließen unsere Körper miteinander und füreinander sprechen. Wie konnte es sich nur so gut anfühlen und gleichzeitig so verdammt falsch sein? Denn eigentlich hätte ich gar nicht hier sein dürfen, hätten wir nicht hier sein sollen.

Ich war diejenige, die die Stille unterbrach: "Woher wusstest du, dass wir hier eine Suite bekommen würden?"
"Wir sind so charmant, wie hätten sie uns eine verweigern können?", du küsstest mich wieder, aber ich wollte wirklich eine Antwort.
"Sag schon."
"Mein Nachname", flüstertest du.
"Kont?"
"Ja, Kont."
"Was ist denn so besonders daran?"
"Du kennst ihn also nicht?"
Ich sah zu dir hoch und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: "Deine Eltern haben diese riesige Firma." Du nicktest still und ich starrte an die Decke, während ich die Sekunden zählte, aber ich kam immer nur maximal bis fünf, dann konnte ich nicht mehr weiter denken. "Warum hast du das nie gesagt?"
"Es spielt doch keine Rolle, oder?"

Natürlich spielte es keine Rolle, Jack. Aber warum warst du, als Sohn einer so reichen Familie, in einer Psychiatrie untergebracht? Was war dein Geheimnis? Ich hatte noch nie davon gehört, dass jemand aus der Familie Kont sich auch nur einen kleinen Fehler zu Schulden kommen lassen hat.

"Tut es nicht."
Jetzt lächeltest du wieder und entspanntest dich: "Gut."
"Warum warst du in der Psychiatrie?"
"Elli, ich bitte dich, mach den Moment nicht durch blöde Fragen zunichte."
Ich rümpfte die Nase und lachte wieder, obwohl ich es gar nicht wollte: "Ich weiß so gut wie gar nichts über dich und bin mit dir zusammen."
"Du musst auch nicht mehr wissen, als dass ich dich über alles liebe und den Rest meines Lebens mit dir verbringen will."
"Du meinst die restlichen Tage, an denen ich noch lebe."
Sofort richtestest du dich auf: "Herzlichen Glückwunsch, du hast den Moment zerstört."
Automatisch machte ich mich noch kleiner als ich sowieso schon war: "Tut mir leid."
"Versprich mir, dass du nicht gehst, wenn ich es dir sage."
"Was?"
"Versprich es einfach!", du wurdest lauter.
"Versprochen."
Für eine ganze Weile schwiegst du, dann wandtest du den Blick ab und sprachst mit eiserner Stimme: "Mord."
Ich lachte lauthals los: "Sehr witzig, Jack." Doch deine Augen zeigten keinen Hauch von Belustigung und auch dein sonstiges Lächeln tauchte nicht auf. "Jack?", fragte ich vorsichtig.
"Ja, Elli. Das war ernst gemeint." Mir wich alle Farbe aus dem Gesicht.

Und plötzlich konnte ich trotz all dem Alkohol wieder klar denken. Mein Jack ein Mörder? Das konnte nur ein ganz schlechter Witz sein.

"Das glaube ich nicht", murmelte ich.
"Dann glaubst du einer Lüge." Ich schüttelte den Kopf und wollte nach deinem Arm greifen, doch du wichst zurück: "Es heißt doch immer, dass Reiche für nichts bestraft werden, nicht wahr?" Ich kämpfte gegen die Tränen und konnte nicht antworten. "Sie haben gegen Geld auf eine Freiheitsstrafe verzichtet und keine Sorge, meinen Eltern bin ich nach wie vor völlig egal. Sie haben mich in die Psychiatrie gesteckt mit der Aussage, ich sei nicht zurechnungsfähig. Sie wollten einfach nicht, dass ein schlechtes Licht auf unsere Familie fällt, ist das zu fassen? Sie haben mich, ihren Sohn, einfach weggegeben." Du begannst zu lachen und ich starrte dich wie vor den Kopf gestoßen an.

Einsam fällt Sterben leichterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt