20. Kapitel ♡ Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft

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Mila's POV

Oh man...aus irgendeinem Grund war ich extrem unruhig und aufgeregt. Ich war neugierig auf Leas Worte, ob sie mich wirklich verstand oder ob ich mich vollkommen getäuscht hatte.

Noch 12 Minuten.

Man! Diese Stunde wollte aber auch wirklich nicht vorbei gehen!

Wieder schweifte mein Blick runter zu meinem Handy.

Noch 11 Minuten.

Ungeduldig trommelte ich mit den Fingern auf den Tisch. Es war das erste Mal seit langem, das mir mal wieder etwas zu Herzen kam, dass ich mal wieder etwas fühlte und es fühlte sich gut an. Ich konnte nicht mehr still sitzen, also meldete ich mich. Frau Münster nahm mich dran und ich sagte Gefühlsneutral "Darf ich mal auf die Toilette? " verwirrt sah sie mich an, wahrscheinlich hatte sie gerade eine Frage gestellt und eine Antwort von mir erwartet.

"Soll jemand mitgehen?" fragte sie mich mitfühlend. Was? Wieso denn das?

Doch plötzlich wurde mir klar, dass mir mal wieder nicht aufgefallen war, dass ich geweint hatte. Auf der Stelle schoss mir die röte ins Gesicht, ich konnte es nicht leiden und es war auch nie meine Absicht mich durch Traurigkeit in den Mittelpunkt zu stellen. Alle Blicke hefteten an mir.

"Nein nein, ich würde lieber allein gehen.." sagte ich verlegen und Frau Münster nickte nur leicht.

Mit gesenktem Blick stand ich auf und lief zügig zwischen den Bänken zur Tür. Man, war der Fußboden heute mal wieder interessant!

Schnell schob ich mich durch die Tür und atmete erleichtert aus, als ich auf dem langen Flur stand. Ich musste nicht aufs Klo. Ohne Nachzudenken lief ich vom dritten in den ersten Stock und ging dort auf die Toilette um mein Make-Up wegzuwischen. Danach lief ich im Schneckentempo in die zweite Etage, wieder runter in die erste Etage und erst dann wieder in die dritte Etage zu unserem Klassenraum - ich würde keinen Ärger bekommen.

Leise klopfte ich an die Tür und öffnete dann einfach. Sofort waren alle Blicke auf mich geheftet. Toll.

Ich hasste es. Nachher würden sie alle zu mir kommen um zu wissen was los ist, ich würde einfach schweigen, einfach aus Angst, dass sie einfach nur aus Angst etwas zu verpassen fragen würden.

Ich schaute keinem in die Augen, mit zügigen Schritten lief ich auf meinen Platz ließ mich nieder und starrte angestrengt auf mein Blatt.

Es war noch immer still im Zimmer. zu still. Es war eine unbehagliche Stille.

Noch immer waren alle Blicke auf mich geheftet. Man hatten die denn nichts bessres zu tun?!

Peinlich berührt starrte ich immer weiter auf mein Blatt und wartete, dass Frau Münster endlich weiter machte.

Doch es passierte - nichts.

Alle starrten sie auf mich, fast schon gierig versuchten sie alles aus mir rauszusaugen. Sie würden Gerüchte erfinden, sie rum erzählen und denken, dass sie es wüssten. Falsch.

Sie wussten rein gar nichts.

Niemand hatte auch nur die leiseste Ahnung, dass sie gerade mit einer Mörderin in einem Zimmer waren.

Es war mir unbehaglich, wie sie mich musterten. Doch plötzlich wurde die Stille vom lauten Läuten der Schulglocke zerschnitten.

Ich sprang förmlich auf und lief eilig zur Tür.

Draußen.

Endlich.

Ich rannte schon fast zu den spinten.

***

Völlig aus der Puste, hatte ich die Spinte erreicht. Ich setzte mich mit angezogenen Beinen in die dunkelste Ecke und legte den Kopf auf die Knie. Meine Arme drückten mit aller Kraft meine Beine gegen meine Brust. All meine Muskeln waren angespannt.

Ich saß einfach nur da und wartete, dass Lea endlich kam.

"Mila?" vernahm ich eine flüsternde Stimme.

"Ja...hier." meinte ich fast unhörbar. Leise Schritte kamen auf mich zu und Lea setzte sich in der selben Position neben mich.

"Ich hab das Gefühl, dass du es verstehst." meinte ich ausdruckslos. Sie schwieg.

Doch irgendwie war ich mir sicher, dass sie die Frage richtig verstanden hatte.

"ja." gab sie plötzlich von sich.

"A-aber wie kann das sein? Ich..." fing ich aufgelöst an doch sie fiel mir ins Wort.

"Du meinst die Leere oder? Diesen unerträglichen Schmerz, dieses Gefühl,  wenn man plötzlich von der Leere überfallen wird und keinen klaren Gedanken mehr fassen kann oder? Das weinen, dass man nicht mehr mitbekommt." Ich hätte es nicht besser sagen können. Sie sprach mir aus der Seele, sie konnte meine Gefühle so deutlich ausdrücken, dass ich erstmal sprachlos war.

Aber woher nahm sie die Sicherheit, dass ich es verstand? Woher?!

"Dieser Selbsthass, dieses Gefühl scheiße zu sein, dieses Allein-sein-Gefühl, diese Fuck-hab-ich-mich-verändert-Gedanken..." sprudelte es aus mir heraus. Ich starrte auf einen der blauen Spinte, es waren ganz normale Spinte - einfarbig, schlicht und nicht grad die schönsten.

Wir beide starrten einfach nur so vor uns hin, ich war mir sicher, dass sie antworten würde, ich würde warten. ganz Geduldig. Nervös fumelte ich mit meinen Fingern an Bändeln meiner Jacke herum.Warum war ich denn nur so nervös ?! Nein ich war nicht nervös - ich war gespannt. Ich war gespannt auf Leas Worte , gespannt darauf, ob sie mir das zweite mal aus der Seele sprechen würde.

War das erste Mal vielleicht nur Zufall gewesen? Plötzlich überkam mich panik, was wenn ich mich geirrt hatte? Was wenn es nur Zufall gewesen war, dass sie diese Worte gesagt hatte..

Ich versuchte mir meine Panik einfach nicht anmerken zu lassen, um mich abzulenken dachte ich rinfach über die bisherige Beziehung von Lea und mir nach.

Wir hatten eigentlich noch nie wirklich was miteinander zu tun gehabt. In Bio hatten wir mal zusammen gesessen, aber eigentlich hatten wir nie miteinander zu tun. Einmal hatte ich sie weinen sehen, ganz alleine, zusammengekauert in einer Ecke - ich hatte gefragt was los sei. Peinlich berührt hatte sie ihre Tränen weggewischt, sich zusammengerissen,gelächelt und mich angelogen. Sie hatte gesagt ihr würde es gut gehen. Ich hatte nicht weiter nach gefragt, weil ich hätte wahrscheinlich auch niemanden einfach mal so meine Probleme erzählt.

Ja, das waren eigentlich meine einzigen Erinnerungen an sie.

"Diese Selbstmord Gedanken, über die man mit niemanden reden kann, weil sie nur 'Selbstmord' hören und ausrasten würden, sie würden sich nicht den Grund anhören, sie würden nicht versuchen dich zu verstehen. Sie würden einfach nur laut 'Nein!' rufen. Man würde 'doch...' denken aber man würde einfach nur ein leises, schwaches ok von sich geben. Sie würden denken es wäre wieder alles "ok" und es würde sie einen scheiß intressieren, ob es dir wirklich gut ging..."

Endlich eine Antwort von ihr.

"...manchmal hab ich das Gefühl, dass sie es nicht bemerken, dass man innerlich tot ist, auch wenn man es ihnen direkt ins Gesicht brüllen würde. Sie würden diese einfach 3 Worte nie verstehen.... Ich denke, dass man erst tot vor ihnen liegen müsste, dass sie begreifen wie fertig man eigentlich war..."

Auch über diese Worte hatte ich nicht nachgedacht, sie waren einfach so aus mir herausgesprudelt...aber sie waren eindeutig aus dem Herzen.

Ich wollte, dass dieser Moment nie enden würde, dass diese Pause unendlich sei. Einfach nur hier surzen, ihr alles erzählen. Ich wusste selber nicht, woher ich die Sicherheit nahm, dass sie keie Angs vor mir haben würde. Vielleicht irrte ich mich, vielleicht würde sie Angst vor mir haben, aber bei einem war ich mir hundertprozentig sicher - sie würde mir zuhören, sie würde mir weder ins Wort fallen, noch würde sie entgeistert aufspringen und mich beschimpfen.

Und das schätzte ich schon jetzt sehr an ihr.

So tot wie du. innerlich.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt