Mila's POV
"Aber du wolltest das doch nicht? Es war doch nur ein dummer Unfall." Die Komissarin hörte sich so an, als wär ich das Opfer, so als wollte sie mich trösten.
"Was spielt das schon für eine Rolle?" gab ich in einem abschätzigen Ton von mir, der pure Selbsthass schwang in meiner Stimme mit. "Er ist tot. dafür gibt es keine Entschuldigung. Ich könnte mich tausendmal entschuldigen...doch lebendig werden würde er dadurch auch nicht.." Ich starrte ins Leere. Der Raum war leer, ich war leer, alles war so verdammt leer..
"Naja, ich würde dich bitten morgen früh um 9 Uhr mit deiner Mutter wiederzukommen." Meinte Frau Lenz, seufzte und öffnete mir die Tür. Ich zwang mich meinen müden Körper aufzurichten und ihn durch die Tür nach draußen zu tragen. Ich wollte weg, wollte alleine sein, musste alles verarbeiten. Es fiel mir noch immer nicht leicht über das, was ich getan hatte zu reden. Aber würde es das überhaupt jemals?
Ich suchte hektisch die Kopfhörer aus meiner Tasche, sie waren völlig verknotet. Egal. Ich brauchte jetzt so schnell wie möglich und so laut wie es nur ging Musik. Fast schon panisch steckte ich die Kopfhörer in die Öffnung meines Handys, entsperrte dieses und ging auf Musik. Sofort drehte ich so laut auf wie nur möglich, der Bass hämmerte in meinen Ohren, es schmerzte schon, doch genau das brauchte ich jetzt. Ich lief eine Weile durch die Stadt, zerstreut wie auch zielstrebig. In letzter Zeit war ich immer wieder zu einer kleinen Bank etwas über unseren Haus gelaufen. Von dort aus hatte man eine wunderschöne Aussicht über grüne Felder, kleine Wege un den blauen Himmel. Dort oben wohnte keine Menschenseele, es war immer so schön ruhig dort oben, dort oben fühlte ich mich so ungestört.
Ich lief und lief, wurde schneller, ich rannte, ich keuchte, meine Lunge schmerzte, meine Beine konnten mich nicht mehr lange tragen doch es war mir egal, ich rannte weiter, immer weiter. Ich wollte fliehen. Fliehen vor mir, fliehen vor meinen Gedanken, fliehen vor meinem Leben. Endlich sah ich sie, meine rettungsstation, mein Ruhepunkt. Ich rannte noch schneller, obwohl ich Seitenstechen hatte, mein Körper tat weh, mein Kopf hämmerte, meine Lunge starb gerade ab..doch es war mir alles so egal. Ich durfte nicht aufhören zu laufen, dann würde der Bann unterbrochen werden. Die Gedanken würden wiederkehren. Ich würde zusammenbrechen. Ich würde einfach nie wieder aufhören zu rennen, nie wieder. Doch mein Körper wurde langsamer, mir wurde schwindelig. Ich würde nicht mehr lange können. Mittlerweile joggte ich nur noch. Vollkommen erschöpft lies ich mich auf die Bank fallen..
Ich versuchte das Brennen meiner Lunge zu vergessen und mich auf die landschaft zu konzentrieren. Es war schon fast Anfang Herbst, die Blätter färbten sich in warme Gelb- und Rottöne ein. Ich überlegte was heute für ein Datum war. Es war noch immer der erste Schultag, doch es kam mir vor als wär schon wieder ein Monat vorrüber. manchmal kam es mir so vor als würde die Zeit durch mein Hände rinnen wieSand, als würde mein Leben an mir vorbei ziehen ohne dass ich etwas erlebte. Aber lebte ich überhaupt noch oder existierte ich nur noch? War mein Inneres schon abgestorben und nur meine Hüllelief noch durch die Gegend. Ich beendete diesen Gedanken und kehrte zurück zum Datum.
Es war der 30.08.2013. Der dreißigsteaugustzweitausenddreizehn. Ich ließ es mir auf der Zunge zergehen. Es war der Tag an dem ich den Mut hatte zur Polizei zu gehen. Ich hatte das Gefühl wenigstens etwas in meiner Situation richtig getan zu haben, doch hatte dennoch tierische Angst vor der Reaktion von Mama..und von Nina. Ich hatte Angst, dass die Menschen über mich urteilen würden ohne meine Geschichte zu kennen, ohne wissen zu müssen wie einen dieser Selbsthass Tag für Tag mehr zu Boden drückt.
Ich schob den Ärmel meines linken Jackenärmels zurück und strich über die narbe die von meinem letzten Besuch im Jugendknast war. Ich zeigte sie nie. Sie machte mich noch hässlicher als ich erst schon war. Immer trug ich Armbänder über diese Stelle. Doch es tat gut darüberzustreichen, die Stelle war wärmer alsder Rest meiner Arme. Es tat gut meine kalten Fingerspitzen darauf zu spüren. Ich schloss die Auen. Das hier alles zu beenden, das wär toll. Nicht diese ganzen Blicke der Anderen, diese abscheulich Neugierde der Medien, diese verzweifelte Wut meiner Mutter und vorallem die Angst von Nina vor mir ertragen zu müssen. Eigentlich wollte ich ja gar nicht sterben, ich wollte bloß diese ganzen Schmerzen, diesen Selbsthass und diese Schuldgefühle nicht mehr ertragen müssen. Am liebsten würde ich hier sterben, an diesen harmonischen, ruhigen Platz. Es würde niemand bemerken, alles um mich herrum wär so friedlich. Ich würde mich gennau hier hinsetzen, eine überdosis Schlaftabletten schlucken und mir dann die Pulsadern aufritzen, mich hinlegen, die Augen schließen, den Vögeln lauschen und auf den Tod warten. Desto mehr ich darüber nachdachte, desto mehr wollte ich es. Man sagt doch immer man soll seine Träume leben. Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum, sagen sie immer. Doch was wenn der größte Traum ist tot zu sein? Oderwar eigentlich mein größter Wunsch glücklich zu sein? Ich wusste es nicht.
Doch plötzlich kehrte die Angst und die Zweifel zurück.
Ich mein, woher weiß ich ob ich überhaupt sterbe? Es gäbe doch nichts schlimmeres als seinen Selbstmord zu überleben. Dann kommt man doch bestimmt in psychiatrische Behandlung. Kann man das dann nich Leben nennen?
Woher nehm ich die Gewissheit, dass Mama und nicht abrutscht. Was wenn ich ihr das Leben kaputt mache…nur weil ich es nicht mehr aushalte? Oder hab ich ihr Leben schon zerstört, weil ich sie zur Mutter einer Mörderin machte?
Ich hab Angst, dass Nina nicht damit umgehen könnte, was wenn sie so untergehen würde wie ich? Wenn sie innerlich stirbt weil sie mich vermisst, wenn sie sich stundenlang Vorwürfe macht nicht für mich da gewesen zu sein? Was wenn sie anfängt zu rauchen, sich zu betrinken, sich zu ritzen? Was wenn es ihr im Endeffekt doch egal wäre was ich getan hatte, wenn sie trotzdem zu mir gestanden hätte?
Was ist mit den Menschen die mich Tag für Tag in der Schule sehen..was wenn sie sich die Schuld geben würden?
Was wenn ich so vielen unschuldigen Menschen ihr Leben zerstör, ihnen ihr Lächeln weg nehm…nur weil ich mich nicht zusammen gerissen habe und weiter gemacht habe?
Wäre das nicht total egoistisch?!
Und die Frage die mur am meisten weh tat..Würde ich dann nicht indirekt einen Massenmord veranstalten? noch mehr Menschen töten...innerlich?!
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So tot wie du. innerlich.
FanficMila ist ein hübsches, 15jähriges, lebensfrohes, glückliches Mädchen, das kurz vor den Sommerferien steht. Doch der 1. Ferientag kommt anders als geplant. Er fängt an mit einem viel zu frühen aufwachen und endet im koma... doch was viel schlimmer is...