6. Kapitel

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POV Manu

*Nächster Morgen*

Ich wurde durch ein Unsanftes Rütteln geweckt, woraufhin ich mich unwillig umdrehte und mir meine kratzige Decke über den Kopf zog. "Lass mich!", brummelte ich.

"Aufstehen!", kam es daraufhin ruppig von meiner Aufseherin zurück, "und es ist für dich immernoch 'Sie', junger Mann!"

Wiederwillig ließ ich mich von ihr aus dem Bett ziehen, wankte etwas schlaftrunken zu meiner Kommode und zog mir etwas zum Anziehen heraus. Einen blau-schwarzen Hoodie, eine graue Jogginghose, weiße Socken und ein paar Nikes. Dann machte ich mich noch etwas frisch und meine Haare mit einem Zopfgummi im Nacken zusammen.

Meine Maske vergaß ich völlig.

Nachdem ich fertig war, führte mich meine Aufseherin, die vor meiner Tür gewartet hatte, einen Gang entlang, um mir - unnötigerweise - einen hellen Raum zu zeigen, den ich schon längst kannte.
"Der Speisesaal", erklärte sie mir und geleitete mich zu einem Tisch, an dem Taddl, Ardy, Palle, der Blondschopf und Zombey bereits saßen, die mich alle erstmal bewundernd ansahen.

Ich muss zugeben, ich bin leider schon eher überdurchschnittlich attraktiv, was einem auf der Straße aber eh bloß Probleme einbringt... Deshalb auch die Maske. Dass der Blondschopf mit der Stoffpuppe Maudado hieß und öfters hier seine Freunde besuchen kam, habe ich gestern im Vorbeigehen von einem grünhaarigen Jungen gelernt, der mit seinem Kumpel über ihn lästerte.
Nun, sagen wir mal, jetzt überlegt er sich sicher zweimal, über wen er lästert. Ich setzte mich auf den freien Platz neben Paluten und nahm mir einen Apfel von seinem Tablett. "Gut geschlafen?", fragte er mich fröhlich.

"Mmh", brummelte ich - unzufrieden, dass er mein Frühstück unterbrochen hatte - und widmete mich dann wieder 'meinem' Apfel.

Er drehte sich zu mir und hielt bei meinem Anblick - scheinbar unbewusst - den Atem an.

"Deine... Die Maske... Du...?", stotterte er.

"Ja, ich habe sie abgenommen. Hier drin hat sie ja eh keinen Zweck", gab ich barsch von mir und hoffte, jetzt endlich in Ruhe gelassen zu werden.

Daraufhin starrten mich alle an bis ich schließlich gereizt fauchte:
"Habt ihr nichts besseres zu tun?!"

Dann waren alle ruhig, anscheinend waren sie eine solche Unfreundlichkeit nicht gewohnt. Kurz darauf fingen sie aber schon wieder an zu reden und irgendwie kamen sie dann auf das Gesprächsthema, weshalb wir denn alle hergebracht worden waren.

"Das wisst ihr noch nicht voneinander?", fragte ich, scheinbar desinteressiert, da ich wollte, dass sie mir freiwillig und unbemerkt Informationen über sich gaben.

"Nein, wir reden nicht gerne darüber, da es ein Aufseher mitbekommen könnte. Denn wenn es einer mitbekommt, wie wir darüber reden, dann werden wir wieder zum NCT geschickt. Und glaub mir, das willst du nicht."

Darauf fragte ich leicht säuerlich: "Was soll diese ganze Codesprache?"

Diesmal war es Maudado der mir schüchtern und mit zu Boden gesenktem Blick antwortete, dass es eine Abkürzung für einen 'Neue-Chemikalien-Test' sei, welchen sie hier ganz legal betreiben durften. Da wir ja aus der Sicht des Staates sowieso nicht als "Menschen" galten, konnten durch diesen Test ja keine Menschenrechte verletzt werden. Nun verstand ich auch, warum es im Fernsehen nie Nachrichten von Fällen gab, bei denen berichtet wurde, dass ein Schwerverbrecher geheilt entlassen wurde.
Wenn man einmal hier war, dann kam man höchstwahrscheinlich nie wieder heraus. Auf diese Information brauchte ich erstmal ein Glas Wasser. Man erfährt schließlich nicht jeden Tag, dass man für immer in einer Anstalt festsitzt und wahrscheinlich bald an fraglichen Drogen sterben wird.

Ich holte mir also ein Glas vom Essensschalter, füllte es und setzte mich wieder an 'unseren' Tisch. Ich merkte bei diesem Gedanken, dass ich sie immernoch als manipulierbare Schwachköpfe ansah, was mich ungemein befriedigte.
Denn würde ich mich ernsthaft mit ihnen abgeben und mich an sie gewöhnen, bestand die Chance, abzustumpfen. Vielleicht würde ich sogar verletzlich werden, wenn ich eine Freundschaft mit ihnen knüpfte...
Und das wollte ich natürlich nicht.

Diejenigen, die ich getroffen hatte, die verletzlich waren, hatten nämlich draußen nicht lange überlebt. In Gedanken versunken hatte ich gar nicht bemerkt, dass ich aufgestanden und zu meinem Zimmer gelaufen war, bis ich vor der Tür stand und meinen Schlüssel herauskramen musste.
Ich schloss die Tür auf und musste mal wieder feststellen, wie ärgerlich es doch war, dass alle Wachen einfach hereinkommen konnten, wenn sie wollten. Generalschlüssel waren schon etwas ärgerlich. Doch bis zum Mittagessen wurde ich zum Glück nicht mehr gestört.

Als es Mittag war, klopfte es an meiner Tür und die Stimme meiner Aufseherin ertönte: "Machen Sie sich fertig und bereiten sie sich auf ihren ersten NCT vor."

Ich rümpfte angeekelt die Nase und überlegte, ob ich ihnen einfach mitteilen sollte, dass es nicht funktionieren würde, aber entschied mich dann doch dagegen, denn Maudado hatte mir erzählt, dass er noch niemanden wieder gesehen habe, der sich verweigert hat.
Einen unwilligen Laut von mir gebend machte ich mich fertig und trat dann vor die Tür.

Die Anstalt [✔️]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt