Kapitel 28 - Mögliche Verluste

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Mit Viggo und dessen Brüdern im Rücken trat Hicks aus dem Haus des Oberhauptes, wo ihn sofort die untergehende Sonne anfing zu blenden.
Doch bevor Hicks seine Umgebung weiter wahrnehmen konnte, fiel eine ganz bestimmte Sache in sein Blickfeld.
,,Ohnezahn!",rief Hicks und war drauf und dran zu seinem Drachen zu stürzen, doch er spürte den Druck von Viggos Hand auf seiner Schulter und augenblicklich zügelte er sich selbst. Ohnezahn stieß ein gequältes Brüllen aus. Er war in einem drachensicheren Käfig gefangen und wurde von grimmig dreinblickenden Drachenjägern bewacht. Allgemein war das Dorf jetzt nicht mehr ausgestorben, wie bei Hicks Ankunft wie ihm jetzt auffiel, sondern voller Drachenjäger. Berkianer waren allerdings nicht zu sehen. In Hicks breitete sich, soweit das überhaupt noch möglich war, ein noch schlechteres Gefühl aus und er drehte seinen Kopf ein wenig und fragte Viggo fordernd: ,,Viggo, wo sind sie alle?"
Dieser lächelte Hicks an und sagte: ,,In in der großen Halle. Die Krankheit hält sie in Schach. Sie schaffen es nicht einmal mehr allein zu essen. Wären wir nicht, wer weiß vielleicht wären sie verhungert?"
Amüsiert hob er leicht die Schultern. Hicks fixierte ihn über seine Schulter und sagte: ,,Sie wären nicht verhungert weil Dagur, Grobian und Gothi sich um sie gekümmert haben. Tu bloß nicht so, als ob du hier der Retter wärst Viggo.
Was habt ihr also mit den dreien gemacht?"
Viggos Gesicht hatte einen nachdenklichen Ausdruck angenommen.
,,Probleme müssen aus der Welt geschafft werden Hicks",antwortete er dann. Einen Moment herrschte schreckliche Stille und Hicks erstarrte.
,,Also waren die drei Schiffe für sie?",flüsterte Hicks und er spürte wie sich in ihm alles zusammenzog, als er auf die Antwort wartete. Eine, die er eigentlich gar nicht wissen wollte. Viggo blickte ihn mit stechenden Augen an und nickte bedächtig. Mit einem Zischlaut drehte sich Hicks abrupt um, kniff die Augen zusammen und schluckte die Tränen herunter, die in seiner Kehle brannten. Er musste jetzt stark sein. Doch kaum öffnete er seine Augen wieder, sah er die drei vor sich. Dagur seinen Bruder, dem er inzwischen vertraut hatte, Gothi die Heilerin Berks, die ihn in vielen kniffligen Situationen geholfen hatte und Grobian, ein Freund, ein Ersatzvater, ein Lehrer.
Bevor Hicks es beeinflussen konnte, tropfte eine Träne auf den kargen Boden. Schnell wischte sich Hicks über sein Gesicht und probierte sich zusammen zu reißen.
,,Sagte ich nicht bereits, das Liebe eine Schwäche sei Hicks? Sie macht dich verwundbar. Du musst als Spieler immer bereit sein Spielsteine zu opfern und zu verlieren. Du wirst nie alle retten können und wenn du das doch glaubst, bist du ein Narr. Ein Anführer muss Verluste zum wohle der Allgemeinheit hinnehmen und auch mit möglichen Verlusten umgehen können."
Viggos Druck um Hicks Schulter verstärkte sich und er flüsterte in Hicks Ohr: ,,Es gibt nur diesen einen Weg. So ist es auch bei Keule und Klaue. Egal was du auch machst, es gibt gewisse Einschränkungen in jedem Spiel und alle Wege die du denkst zu gehen, führen dich letztendlich in Sackgassen."
Mit einem leicht angwiderten Gesicht drehte sich Hicks zu Viggo um und sagte: ,,Es gibt immer einen anderen Weg. Man hat immer die Wahl zwischen gut und böse. Hell und dunkel."
,,Ach ist das so?",fragte Viggo spöttisch.
Hicks nickte überzeugt.
,,Du redest wie ein kleiner naiver Junge Hicks Haddock.",antwortete Viggo und schubste ihn nun unsanft weiter durch das Dorf.
,,Ich hoffe für dich du änderst bald deine Meinung dazu oder du wirst es im Nachhinein bereuen, das du dich selbst in eine Sackgasse geführt hast." Damit stieß Viggo ihn in Richtung der großen Halle.
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Kaum öffnete Hicks die Tür, gefolgt von Viggo, Ryker und Jason, schlug ihm Hitze entgegen.
Seine Augen mussten sich kurz an das schummrige Licht gewöhnen, doch dann sah er sie. Berkianer um Berkianer lag nebeneinander auf Fellen verteilt in der ganzen Halle.
,,Nein", flüsterte Hicks.
Überall wo man hinschaute, sah er bleiche Körperteile, teilweise durchzogen von tiefem schwarz. Geschockt drehte sich Hicks zu Viggo um und sagte: ,,Wie kann man nur so herzlos sein Viggo?"
Viggo, welcher immer noch am Rande der Kranken stand antwortete: ,,Ich werte das jetzt mal als Kompliment Hicks"
Dieser ging unterdessen umsichtig zwischen den Reihen der Bewohner Berks entlang, auf der Suche nach seinem Vater und seinen Freunden. Schließlich fand er sie ein paar Reihen weiter hinten und ließ sich neben dem Oberhaupt nieder.
,,Hey Dad", flüsterte er und seine Augen füllten sich mit Tränen.
,,Sohn", flüsterte Haudrauf schwach und öffnete die Augen.
Auch er sah sehr krank aus. Seine Haut war fast weiß, bis auf ein paar schwarze Striemen, die sich langsam aber sicher seinen Hals hocharbeiteten.
Was bedeutete, dass die Krankheit schon weit voran geschritten war.
,,Keine Angst Vater ich hol euch hier irgendwie raus", flüsterte Hicks und er musste seine Tränen zurückhalten, als er seinen Vater so kraftlos und verwundbar dort liegen sah. Nie hätte er gedacht, dass Haudrauf der Stoische so geschwächt sein könnte, wie er es hier und jetzt war. Und er, Hicks, war schuld daran. Hätte er sich doch nie mit Viggo angelegt oder ihm die Schatulle gegeben.
Moment die Schatulle! Wenn er sie behielt, würde sein Dorf sterben. 
Die Worte Odins schossen durch Hicks Kopf: 'In naher Zukunft könnte Viggo die Schatulle an sich nehmen, und das wäre das Ende deines Dorfes.'
Was sollte er also tun? Was enthielt die Schatulle? Was war so gefährlich das es ein ganzes Dorf auslöschte? Wieso hatte er Odin nicht danach gefragt? Bei allen Göttern wie hatte er das vergessen können!?
Beruhigend ergriff er die Hand seines Vaters. Entweder er händigte die Schatulle jetzt aus und verschaffte seinem Dorf damit Zeit. Vielleicht konnte Viggo sie auch gar nicht öffnen. Schließlich wusste er selbst nicht, was sich in ihr befand. Die andere Möglichkeit wäre die Schatulle nicht auszuhändigen. Doch was würden die Drachenfänger dann machen? Im Grunde genommen war jeder einzelne Berkianer hier ein Druckmittel gegen ihn.
Hicks fuhr sich aufgelöst durch die Haare und wandte den Kopf unauffällig nach hinten. Alle Grimmborn Brüder hatten sich nicht vom Fleck gerührt und standen am Eingang der Halle.
Hicks Finger gruben sich sich in die Figur des Stammesoberhauptes aus Keule und Klaue, welche er die ganze Zeit fest umklammert hatte. Blut bildete sich zwischen seinen Fingern und tropfte auf die Einkerbungen des Spielstein, als sich sein Blick wieder auf seinen leidenen Vater senkte, der gerade das Bewusstsein verlor.
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Mit einem Klirren fiel die Figur zu Boden. Hicks ließ sich neben Haudrauf nieder und griff in die Innenseite seiner Lederrüstung. Er holte das kleine Fläschchen mit der tiefschwarzen Flüssigkeit heraus. Ein weiterer Blick nach hinten bestätigte ihm, dass sein Handeln noch immer unbeobachtet geblieben war. Rasch entkorkte er die Flasche und beugte sich über seinen Vater und hob seinen Kopf ein Stückchen an, um ihm etwas von dem Inhalt der Flasche in den Mund zu kippen. Haudrauf bewegte sich kaum merklich, allerdings verzog sich sein Gesicht zu einem schmerzhaften Ausdruck.
Hicks verweilte noch ein paar Momente an seiner Seite und ging nocheinmal sicher, dass es seinem Vater gut ging, bevor er die geschnitzte Spielfigur aufhob und anschließend aufstand. Er ging weiter durch die Reihen und blieb neben Heidrun stehen. Neben ihr lagen die Zwillinge, Rotzbacke und Fischbein. Die Flasche reichte jedoch nur für drei Leute. Hicks überlegte einen Moment und kniete dann entschlossen neben Heidrun, um auch ihr einen Teil der Tinte in den Mund zu gießen. Denn Heidrun war eine Kämpferin und konnte taktisch klug denken. Die Zwilinge konnten leider beides nicht besonders gut, Rotzbacke konnte nur kämpfen und Fischbein konnte nur denken. So leid es ihm tat, er konnte nur sie im Moment heilen, denn wenn er Unterstützung brauchte, dann die Beste.
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Nachdem auch Heidrun etwas von der Tinte geschluckt hatte, ging er weiter und wurde schließlich ein paar Plätze weiter links fündig. Da lag sie, neben dem stummen Sven und Gustav. Auch ihre Haut war genau wie bei jedem anderen hier, bereits von schwarzen Striemen gezeichnet. Schnell ließ er sich neben Astrid fallen und strich ihr eine Strähne ihres kraftlosen blonden Haares aus dem Gesicht.
Was würde er jetzt dafür geben einfach mit ihr in seinem Bett zu liegen und sie im Arm zu halten? Ohne es verhindern zu können tropfte eine Träne auf ihre Wange und er sah wie sich ihre Lider öffneten. Langsam wischte er die Träne weg und beugte sich zu ihr herunter. Seine Lippen streiften ihre.
,,Verzeih mir Astrid",hauchte er und brachte etwas Abstand zwischen ihn und seine Freundin. Einen Augenblick später hatte er die Flasche an ihren Lippen angesetzt und er sah wie die ganze restliche Tinte ihre Kehle herunterlief und wie sie schließlich schluckte und leicht hustete. Ihre Lider flatterten, doch Hicks zog sie rasch in eine starke Umarmung und hielt sie fest, sodass man ihre Bewegungen von der Tür nicht sehen konnte.
,,Schsch...leise",hauchte er verzweifelt. ,,Alles wird gut werden Schatz...leise...beruhig dich"
Sie wandte sich unter seinem Griff gegen die schmerzhafte Wirkung der Tinte, doch er ließ sie nicht los. Schließlich wurden ihre Bewegungen langsamer und ihre Atmung minimierte sich um ein Vielfaches. Doch so wie Hicks inzwischen wusste, war das ein gutes Zeichen, denn genauso war es bei ihm auch passiert. Langsam ließ er sie aus seiner Umklammerung zu Boden gleiten. Ihre Atmung war ruhig und gleichmäßig. Er ergriff mit einer Hand die ihre und drückte sie kurz. Seine andere Hand umklammerte die Spielfigur, als er aufstand. Seufzend blickte er auf Astrid und war im Inbegriff sich umzudrehen, als sich plötzlich zwei Arme um ihn schlangen und ihm ein Tuch auf Mund und Nase gedrückt wurde. Hicks probierte sich zu winden, doch er konnte sich nicht rühren. Er spürte wie sich alles anfing zu drehen und anfing zu verschwimmen. Er hörte noch wie jemand flüsterte: ,,Süße Träume Hicks"
Dumpf nahm Hicks noch Jasons Stimme war, bevor er sein Bewusstsein verlor und dumpf auf dem Boden aufschlug.

Don't let this happen (In Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt