Misstrauen mit Folgen

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Nick 

Was ein Kampf. Denke ich während ich die Nummer meiner Mutter in mein Handy gebe. Das Training war so verdammt anstrengend. Ich verstehe nicht wie diese Fiona das so lange durchgehalten hat. "Ja Mama, ich bins. Kannst du mich an der Halle abholen, wir sind fertig." Frage ich meine Mutter. Sie sagt, dass sie in 15 Minuten da ist und legt auf. Ich drehe die Karte des Trainers in meinen Fingern hin und her. Ich lese seinen vollen Namen. "Lukas Mirko Pfeiffer." Lese ich vor. Ich sollte mich über meinen Trainer vielleicht mal etwas schlau machen. Eventuell findet sich im Internet etwas über ihn. Denke ich. Meine Beine fühlen sich mittlerweile an wie Wackelpudding. Ich muss mich setzen. Es ist noch warm genug, um sich einfach auf den Boden zu setzten, was ich jetzt auch tue. Mir fallen immer wieder die Augen zu. Das hin und her gehüpfe hat mich müde gemacht. Hinter mir öffnet sich die Tür. Lukas und Fiona kommen aus der Tür. "Soll ich dich mitnehmen?" Fragt Lukas. Ich lehne dankend ab und erkläre, dass meine Mutter bereits auf dem Weg ist. Er stimmt zu und setzt sich in seinen Wagen. Fiona nimmt auf dem Beifahrersitz platz. Während er mit den Krücken jongliert und ihren Arm hält, versucht sie in das Auto einzusteigen. Man sieht, dass die beiden ein eingespieltes Team sind. Lukas startet den Motor und fährt los. Fiona winkt mir beim Vorbeifahren, dann sind die beiden verschwunden. Wenig später kommt meine Mutter um die Ecke gefahren. "War gut?" Fragt meine Mutter, sobald ich in dem Auto sitze. "Anstrengend." Antworte ich kurz. "Meine Beine sind jetzt Weingummi. Ich spüre sie so gut wie nicht mehr." Füge ich hinzu. "Ist der Trainer wenigstens nett?" Fragt meine Mutter. "Sie sind sehr nett, aber sehr, sehr streng." Erklär ich. "Ich hab es mit den Besten zu tun, also muss ich ihren Erwartungen stand halten." Erkläre ich weiter. "Sie? Mehrer Trainer?" Fragt sie. Ich nicke. "Ich zeig dir nachher eventuell wer." Sage ich. Sie nickt und konzentriert sich wieder auf die Straße. 

Zuhause gibt es, bevor es im Programm weiter geht, etwas zu essen. Spinat mit Salzkartoffeln und Eiern. Eins meiner Leibgerichte. Ich helfe meiner Mutter noch beim Abwaschen, bevor mein Vater meckert, dann gehe ich in meinem Zimmer an mein Laptop und mache mich über meinen Trainer schlau. Ich gebe in der Suchleiste bei Google seinen Namen ein und warte auf einen Treffer.  "Da ist er!" Rufe ich überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass ich etwas finde. Ich gehe auf seine Wikipedia Seite und lese sie durch. "Also gut, hier steht, dass er am 23. Oktober 1991 in Schwarzenberg geboren ist und ein deutscher Tänzer und Trainer ist. Er hat mit 5 Jahren selbst mit dem Tanzen begonnen und wurde 2001 mit 10 Jahren deutscher Meister, aber er musste wegen einer Verletzung aufhören. Mit 17 lernte er Fiona Behrens kennen, die ihm ihren Titel verdankt." Ich stoppe einen Moment. Behrens? Heißt Franziska nicht auch Behrens mit Nachnamen? Schießt mir ein Geistesblitz durch den Kopf. Ich entschließe mich erst, die Seite von Lukas fertig zu lesen und dann nach Fiona zu schauen. "Hier steht auch, dass er mit 26 Jahren der wohl erfolgreichste Trainer ist." Lese ich weiter laut vor. Als nächstes klicke auf Fionas Namen. Sie wurde am 23. Juli 2000 in Lichtenberg geboren. Und sie hat von 2005 bis 2015 in Aue gewohnt, danach hat sie niemand mehr gesehen. Komisch, ist nicht 2015 Franziska nach Mörlenbach gezogen? Vielleicht sind die beiden Geschwister. Male ich mir aus.  2015 wurde die in San Francisco zur besten Tänzerin weltweit gekürt, damit ist sie die jüngste, die diesen Titel jemals erhalten hat. Ich suche nach einem Foto von ihr. Alle auf dieser Seite sind sehr klein. Ich gebe in der Suchleiste ihren Namen ein und hoffe auf ein besseres Bild zu stoßen, stattdessen stoße ich auf einen Zeitungsartikel. Die Überschrift lautet: "Weltmeisterschaft Ade" Darauf zu sehen ein Mädchen vor einem Krankenhaus, in Krücken und Gips. Bei genauerem Hinsehen, erkennt man deutlich, dass das nicht Fiona auf dem Bild ist. Ihr Haar ist so blond, wie des eines Engels, ihre Statur perfekt und ihr Blick unverwechselbar. Der Blick, wen sie traurig ist, wenn sie verletzt ist. "Das ist Franziska!" Rufe ich. Ich versuche eine Erklärung auf all das zu finden, aber ich kann mir einfach nicht erklären, warum man sie darauf sieht. Vielleicht ist das nur ein Zufall oder so... Rede ich mir ein. Ich klicke zurück und suche nach weitern Bildern der Tänzerin. Jedes Mal sieht man sie nur in Aktion, es gibt kein Bild auf dem sie ruhig steht. Ich sehe, dass es auch Videos gibt. Ich klicke auf den Video Button und warte. Mehrere Videos in denen sie tanzt tauchen auf. Auf dem letzten Video auf dieser Seite, sitzt sie auf einem Würfel mit einem Mikrophon in der Hand. Vermutlich ein Interview. Ich klicke auf das Video, krame Kopfhörer aus meinem Schrank und lausche gespannt. Neben dem Mädchen sitzt eine Frau, ebenfalls mit einem Mikrophon. Sie fängt an dem Mädchen, das am Anfang des Videos noch unscharf ist, fragen zu stellen. Ich bete, dass ich nicht die Person vor der Kamera sitzen sehe, die ich denke. "Fiona, wie geht man als junges Mädchen mit dem ganzen Erfolg um?" Fragt die Interviewerin in ihrem sächsischen Dialekt. Das Bild wird scharf gestellt. Vor der Kamera sitzt die selbe Person, wie auf dem Bild vor dem Krankenhaus. Ich brauche einen Moment, bis ich verstanden habe, was gerade vor sich geht, während dessen läuft im Hintergrund das Interview weiter. "Ich glaube, dass das gar kein so großer Erfolg ist. 90% der Weltbevölkerung kann nichts mit einer Person wie mir anfangen. Es ist einfach nur eine Ehre, einen solchen Titel erhalten zu haben. Ich lebe mein Leben normal weiter, ich gehe normal zur Schule und ich muss wie jeder andere Schüler lernen und Hausaufgaben machen." Antwortet sie lachend auf die Frage der Frau. Nach dieser Antwort komme ich langsam wieder zu mir. "Franziska ist Fiona." Flüstere ich. "Franziska ist Fiona." Wiederhole ich noch einmal, viel lauter. "Franziska ist Fiona." Schreie ich jetzt fast. "Mamaaa? Kannst du mich bitte zu einer Freundin fahren?" Rufe ich durch das Haus. "Ja." Antwortet sie genervt. 

Vor Franzis Haus

Ich bin mehr als enttäuscht, dass sie mir nichts davon erzählt hat. Ich weiß nicht, was ich ihr getan hab, dass sie mir nichts erzählt hat. Ich laufe auf das Haus zu und drücke auf die Klingel. Franzis Mutter öffnet die Tür. "Ah, hallo Nick!" Begrüßt sie mich. "Franzi ist in ihrem Zimmer." Sagt sie, tritt auf die Seite und lässt mich in das Haus. Ich gehe nach oben und trete einfach in das Zimmer ein. Ich habe soviel Wut gesammelt, dass es mir egal ist, was sie gerade macht. Mir ist auch egal, dass sie gerade halbnackt vor mir steht. Ich gehe geradewegs auf sie zu und packe sie an den Armen. Sie taumelt und droht zu stürzen. Sie versucht vor mir auf einem Bein zu balancieren. "Warum hast du mir nichts erzählt?" Schreie ich sie an. "Von was erzählt?" Fragt sie unschuldig. "Spiel nicht die Unschuldige Franzi. Oder sollte ich lieber Fiona sagen?" Werfe ich ihr vor. Sie schaut mich geschockt an. "Warum ich dir nichts erzählt habe? Genau deshalb. Entweder wärst du ausgerastet, warum ich nicht schon früher was gesagt habe oder du hättest es irgendwem erzählt. Du hast mein Vertrauen missbraucht, als du Luna angegriffen hast, ich hab mir überlegt es dir zu erzählen, aber nach dieser Aktion, hat sich das für mich erlegt und damit machst du es nicht wirklich besser." Erklärt sie noch ruhig. "Dann hättest du mir sagen können, dass du willst dass das vertraulich behandelt wird." Versuche ich ihr klar zumachen. "Das sagst du so leicht. Du bist auch nicht in meiner Situation. Und jetzt lass mich los!" Sie wird etwas lauter und rüttelt an meinen Armen. Ich löse den Griff. Ihre Arme sind schon total blau, als ich das sehe, merke ich was für ein Monster ich bin, das ich das Selbe auch Luna angetan haben muss. Und ich verstehe die Sorgen von Franziska. "Es tut mir leid." Ich trete einen Schritt von ihr zurück. "Echt. Dein tut mir leid hängt mir hier oben!" Sie zeigt an ihre Stirn. "Reiß dich verdammt noch einmal zusammen. Es gibt Dinge über die man nicht mit jedem reden kann. Ich hätte noch ein bisschen Zeit gebaucht. Ich will das du gehst jetzt!" Sagt sie, als sie ihre Arme sieht. "Franzi, es tut mir leid." Versuche ich die Wogen zu glätten. "Typisch Jungs, denken es wäre mit einer einfachen Entschuldigung getan. Hau ab, ich will dich nicht mehr sehen!" Schreit sie mich an. Sie hüpft auf einem Bein auf mich zu, ich erhoffe mir, dass sie sich um entschieden hat, aber sie drückt ihre Hände gegen meine Brust und schiebt mich, so gut sie kann, aus ihrem Zimmer. "Mir ist egal, was du machst, das kannst du nie wieder gut machen. Du kannst auch gleich Lukas anrufen, dass sich das erledigt hat, ich will nicht mehr, dass du mich vertrittst. Ich dachte du wärst perfekt, aber das bist du nicht, aber du bist ein mieses Arschloch. Vielleicht solltest du einmal in deinem Leben darüber nachdenken, was du machst! Geh jetzt." Sagt sie als sie mich endlich aus dem Zimmer draußen hat, dann schmeißt sie die Tür vor meiner Nase zu und schließt ab. Sie dachte ich wäre perfekt? Schuldgefühle fangen an, an mir zu nagen. Vielleicht hat sie recht. Vielleicht hätte ich sie erst erklären lassen sollen und dann ausrasten und nicht erst ausrasten und dann zur Rede stellen. Ich sinke vor ihrer Tür nieder und mir rutscht eine Träne über die Wange. Mir hallen immer wieder ihre Worte durch den Kopf: "Ich dachte du wärst perfekt, aber du bist ein mieses Arschloch." Sie hat Recht, mein Verhalten war scheiße. Und diesmal kann ich es nicht wieder gut machen. Vielleicht muss ich ihr einfach nur zeigen, dass sie mir vertrauen kann. Aber das wird schwierig. Denke ich. Ich verspreche mir, dass ich ihr Geheimnis niemals, irgendwem erzählen werde. Franzis Mutter kommt nach oben. "Alles in Ordnung?" Fragt sie. Ich wische mir kurz die Tränen aus dem Gesicht, stehe auf und antworte:"Ja, alles bestens! Ich wollte gerade gehen." Ich gehe die Treppen nach unten und verlasse das Haus. 

Double Life (Wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt