S I E B E N

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Die vergangene Woche war wie im Flug vergangen- Meetings, teure Restaurants, Bewerbungen, private Meetings, mehr teures Essen... früher hätte ich die Reichen immer beneidet für ihr Geld und ihren Lebensstil, doch nach dieser Arbeitswoche, war ich mir sicher, dass der Basilisk sich in diesem Leben zu Tode langweilen musste. Sie beschäftigte mehrere Wachmänner, besaß eine riesige Villa, hatte einen von früh bis spät durchgeplanten Tagesablauf und soweit ich es mitgekriegt hatte kaum Zeit für sich. Jeden Abend kam ich völlig erschöpft zuhause an, nachdem ich sie den ganzen Tag zu jedem Termin begleitet hatte- es fiel mir schwer sie noch als meine Beute anzusehen, sie tat mir eher leid, als dass ich sie töten wollte.
Bis der Montag kam- und ich einen Fehler beging, mehr oder weniger.
Anstatt wie die vorherigen Male vor ihrer Villa zu warten, bis sie nach draußen kam, um mit mir zu ihren Terminen zu fahren, lief ich den gekiesten Weg zur Haustüre hoch und klingelte. Sofort öffnete mir ein kleiner dicker Mann mit einer knolligen Nase und spitzen Ohren die Tür und wollte mich hineinbitten, damit ich in der Empfangshalle auf den Basilisk warten könnte. Es war ein Troll. Ich hatte bisher nur wenige zu Gesicht bekommen, doch ich wusste dennoch, das sie eine überaus gute Nase besaßen und er dementsprechend meinen Geruch mehr als deutlich riechen können würde. Kaum betrat ich also das Atrium der Villa und zog meine Jacke aus, zog er scharf die Luft ein und murmelte etwas Unverständliches. »Bitte?«, fragte ich bemüht höflich. »Sie stinken, Miss.«
Zuerst dachte ich, mich verhört zu haben, doch er machte keine Anstalten sich für diesen überaus unhöflichen Kommentar zu entschuldigen.
»Ich... stinke? Das ist aber nicht gerade höflich von Ihnen, Monsieur«, grummelte ich beleidigt und sah ihn vorwurfsvoll an. Er lächelte verkniffen und feixte dann, während er mir entgegen schleuderte: »Sie stinken nach Wolf, junge Lady. Und nach einem Reptil, das ich noch nicht zuordnen kann. Und sie stinken ebenso nach einem blaublütigen Wesen, dessen Geruch ich seit mehreren Jahrtausenden nicht mehr gerochen habe.«
Ich schluckte. Ein Blaublüter, dessen Geruch er kannte aber lange nicht mehr gerochen hatte? Fieberhaft überlegte ich, wann ich das letzte Mal einen Troll gesehen hatte, der mich als königliche Person kennengelernt hatte. Ich hatte meinen Titel schon weit vor der christlichen Zeitrechnung abgelegt- genauer gesagt hätte ich ihn das letzte Mal vor meinem ersten Tod das letzte Mal benutzt- allerdings war ich mir sicher, damals keinen Troll gekannt zu haben.
»Wie kommen sie darauf, dass ich blaues Blut hätte? Denken Sie nicht, dass ich dann einen ehrenwerteren Job hätte, als den persönlichen Chauffeur, das Dienstmädchen und sonst was von ihrer Herrin zu spielen? Und dabei mag ich Amphibien nicht mal wirklich- besonders Schlangen. Genauer gesagt finde ich sie gruselig«, entgegnete ich ihm. Der Troll legte den Kopf schief und musterte mich lange, ehe er antwortete: »Ich bin mir sicher, dass Sie zu einer sehr alten und noch dazu sehr mächtigen Adelsfamilie gehören, jedoch ist da noch ein anderer Geruch in Ihrem Blut, der es mir schwer macht, sie zu identifizieren.« Verwirrt ging er einen Schritt auf mich zu und schnupperte an mir- und ich untertreibe hier nicht. Seine Nasenlöcher hatten die Größe von kleinen Pingpong-Bällen, als er meinen Geruch aufnahm; es war gruselig, aber auf eine unfassbar skurrile Art und Weise auch lustig, zu sehen, wie dieser kleine Wicht an mir roch, um meine Familienzugehörigkeit herauszufinden.
Ich stand immer noch wie angewurzelt im Atrium, mit einem angestrengt nachdenkenden Troll neben mir, als der Basilisk die große Marmortreppe hinunter stolziert kam, um den Mund noch kleine rote Blutströpfchen- offenbar von ihrer letzten Mahlzeit. Verwirrt sah ich ihr zu, wie sie sich mit einem weißen Seidentuch elegant den Mund abwischte und mich dann anlächelte. »Schön dich zu sehen, Anastasia. Ich hoffe dein Wochenende war schön?«, fragte sie höflich. Ich nickte und starrte sie immer noch verwirrt an. »Oh du meine Güte... ich vergaß dir ja zu sagen, dass ich nicht ganz die Chefin bin, die du vielleicht denkst vor dir zu haben«, setzte sie hinterher und ließ ihre Augen kurz grell grün aufblitzen. Es war schräg, mitanzusehen, wie sie sich verwandelte- offenbar war das eben nur ein Snack gewesen und ich sollte jetzt ihr allgemeines Frühstück werden. Ihre Knochen knacksten immer wieder bedrohlich und die wand sich jetzt auf dem Boden, die Beine in seltsamen Winkeln verdreht, die arme fest an den Körper gepresst. Es sah fast aus wie die Yoga-Übung bei der man eine Raupe spielt, nur dass aus ihrer sonst so glatten Haut grüne Schuppen sprossen und sich ein dicker Panzer bildete- ich hatte keine Ahnung wie man dieses Ding bezwingen sollte, also versuchte ich erstmal nach draußen zu rennen. Blöd nur, dass der Troll mir den Weg versperrte und sich nicht von der Tür wegbewegen wollte. Ich war so gut wie unbewaffnet, da ich fast alles meiner Ausrüstung im Kofferraum aufbewahrte. Im Kopf ging ich kurz meine Waffen durch: ein Springmesser, meine Walther, zwei kleine Butterflies und das Pfefferspray auf das Coinìn bestand, seit der IS es bis nach Deutschland geschafft hatte. Kurz gesagt: ich war am Arsch.
Fluchend taumelte ich ein paar Schritte zurück, da der mittlerweile komplett verwandelte riesige Basilisk nach mir schnappte. Frustriert heulte der Basilisk auf und erhob seinen bedrohlichen Schwanz, dessen Ende mit spitzen Stacheln bestückte war und versuchte erneut auf mich einzuschlagen. »Bei Latobi was zur Hölle habe ich dir getan, du blödes Mistvieh?«, schöne ich dem Ding entgegen und zog meine Dolche. Ich hatte keine Ahnung, ob Melissa in ihrer verwandelten Gestalt überhaupt mitbekam was ich ihr zurief, doch ich bildete mir ein, dass sie kurz verwirrt geblinzelt hatte, ehe sie auf mich zugeschlängelt kam und ihr Maul weit aufriss um mir ihre widerlichen Fangzähne zu präsentieren, von deren Enden eine zähe helle Flüssigkeit tropfte- Gift!
Kurz wagte ich einen Blick zum immer noch an der Tür stehenden Troll, der mich mit teils neugierig, teils mitleidig musterte und zu überlegen schien, ob er mir zur Hilfe kommen sollte oder seiner Herrin zu helfen, mich zu zerfleischen. Offenbar hatte ich zu lange geschaut, denn das nächste, dass ich mitbekam, war, dass ich gegen die Wand geschleudert wurde und mir sämtliche Luft aus den Lungen gepresst wurde. Kurz verschwamm alles und mir wurde kurz schwarz vor Augen, ehe ich wieder Herr meiner selbst war und den stechenden Schmerz an meiner Seite bemerkte. Wütend stemmte ich mich hoch und sah an mir herunter- knapp oberhalb meiner Hüfte steckte einer der Stacheln tief in meinem Fleisch- mit einem Kampfesschrei stürzte ich mich auf den Basilisk und sprang auf seinen Rücken. Der Panzer des Reptils war erstaunlich rau, sodass ich kaum Probleme damit hatte, mich dort oben zu halten und ein bisschen Basilisken-Rodeo zu spielen. Trotz allem würde ich es nicht mehr lange dort oben aushalten, also suchte ich nach einer Schwachstelle im Panzer des monströsen Viechs, da ich irgendwo gelesen hatte, dass die meisten Reptilien am Kopf eine kleine Stelle hatten, an der sie sehr verletzlich waren- dieses Exemplar gehörte aber offenbar nicht dazu, denn wo auch immer ich hinsah, konnte ich besagte Stelle nicht finden; und der Basilisk machte es mir auch nicht gerade einfach mit meinen Dolchen zwischen die riesigen Platten zu kommen, sodass ich auf diesem Weg auch keine Chance hatte das Ding auch nur ansatzweise zu verletzen. Verzweifelt sah ich mich im Raum nach einem Ausweg aus dieser Situation um, fand jedoch keinen- bis mein Auge auf den Troll fiel, der mit seiner Hand an seinen Bauch deutete und dann auf den Basilisk. Er hatte sich also entschieden mir zu helfen- na endlich. Jetzt müsste ich nur noch irgendwie vom Rücken des Monsters zu dessen Bauch kommen, ohne mich zu verletzen. Die Wunde an meiner Seite pochte schmerzhaft und der Stachel, den ich aus Angst vor dem Blutverlust nicht rausgezogen hatte machte es mir nicht gerade einfach klar denken zu können. Was zur Hölle hätte man sich nur gedacht, als man diese Viecher erschaffen hatte?
Vor meinen Augen begannen kleine Punkte zu erscheinen. Offenbar waren nicht nur die Fangzähne der Bestie mit Gift ausgerüstet, sondern auch seine Stacheln- wie viel Zeit blieb mir denn noch? Stunden? Minuten?
Verzweifelt versuchte ich nun doch den Stachel aus meiner Hüfte zu ziehen, damit er wenigstens nicht noch tiefer in mein Fleisch eindrang und lebenswichtige Organe zerstörte. Mit einem lauten Schmatzen und einem schmerzerfüllten Aufstöhnen konnte ich ihn schließlich aus meinem Fleisch ziehen, wobei ich allerdings den Halt verlor und wie ein Sack Kartoffeln vom Rücken des Reptils rutschte und hart auf dem Boden aufkam. Mir wurde schwarz vor Augen und ich spürte, wie das Gift sich weiter in meinem Körper ausbreitete. In solchen Momenten beneidete ich alle Wesen mir der Fähigkeit zur Selbstheilung.
»Wenn Sie wirklich von blauem Blut sind, müsste das für Sie doch ein Klacks sein Melissa zu besiegen!«, hörte ich den Troll wütend rufen. Der Gedanke an meine Zeit als Mitglied der königlichen Familie und daran, wie leicht und unbeschwert mein Leben damals war, gab mir Kraft und so schaffte ich es nun mich an der Wand hochzuziehen und mit einer Hand an meiner Seite auf das Monstrum zuzulaufen. Damals hatte mein Vater mir gelehrt, dass man Schlangen, wenn man ihnen fest in die Augen sah, zähmen könnte und da ich sowieso in ein paar Stunden tot sein würde, hatte ich ja nichts mehr zu verlieren, oder? Ich taumelte also auf den Basilisk zu und sah ihm dabei tief in die widerlichen gelben Augen mit den bedrohlichen schwarzen Schlitzen. Zuerst bemerkte ich keine Veränderung, ausser der Tatsache, dass nun nicht mehr ich, sondern das gesamte Mobiliar des Atriums zerstört wurde, doch dann...

AìnfeanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt