S E C H S U N D Z W A N Z I G

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»Hast du eigentlich eine Ahnung, wie verletzend und niederschlagend es ist, von seiner eigenen Frau derart hinterrücks ermordet zu werden?«, seufzte mein toter Ehemann und zog mich in eine innige Umarmung. War es sehr gemein ihm jetzt meinen Dolch in den Rücken zu rammen? Leise schluchzend vergrub diese Memme ihr Gesicht in meiner Halskuhle und ich konnte seine heißen Tränen auf meiner nackten Haut fühlen. Was ein verdammtes Weichei hatte ich damals nur geheiratet? Ich schämte mich fast für diesen Waschlappen von einem Mann- und so jemand nannte sich einen Kelten! Er war eine Beleidigung für unsere gesamte Art.
»Was zur Hölle ist denn hier los? Werden Todesurteile jetzt mit Umarmungen durchgeführt?«, polterte plötzlich eine Stimme irgendwo neben uns. Bemüht unauffällig wischte sich Tormod über die nassen Wangen und löste sich von mir. »Entschuldige, Sir«, sagte er steif und nahm eine aufrechte Haltung an. Vorsichtig drehte auch ich mich um und stand nun einem Blechkasten gegenüber: ein Riese von einem Mann in einer frisch polierten silberfarbenen Rüstung starrte mir mit großen grünen Augen aus seinem Visier entgegen. Irgendwoher kam er mir bekannt vor, doch ich wusste nicht woher. Aber wenn er mich ebenfalls als jemanden aus seiner Vergangenheit erkannte... dann bestand die Chance, dass er mir aus meiner Misere helfen würde- nur woher kannte ich ihn? Wer zur Hölle war das?
»Sir, wenn sie nichts dagegen haben, würden wir die Hinrichtung jetzt vollziehen«, bellte Tormod in seiner besten Militär-Manier. Fehlte nur noch dass er die Hacken zusammenschlug... ein seltsamer Kauz war das. Scheinbar genervt von Tormods Verhalten schob der Koloss in Rüstung sein Visier nach oben und fuhr sich über sein schönes Gesicht, wie um einen Schweissfilm von seiner gebräunten Haut zu wischen. Das zuvor noch kantige Gesicht eines verbitterten alten Mannes verschwamm leicht und offenbarte ein anderes. Ein Tarnzauber. Vor mir stand nun in all seiner Pracht, niemand anderes als Néamh höchst persönlich. Meinen entsetzten Blick quittierte er nur mit einem schiefen Grinsen, ehe er seinen Helm ganz abnahm und sich an meinen Ehemann wandte. »Was hälst du denn davon, die Hinrichtung einfach sausen zu lassen? Du übergibst mir Fean und gut ist. Ich würde dann sogar eventuell davon absehen, die riesige Sicherheitslücke in deinem Gebiet zu melden und dich unverletzt davonkommen lassen«, bot der Hüne an, während er sich durch seine Blut verklebten Haare fuhr, um den Dreck etwas zu minimieren. Staub und lauter anderes widerliches Zeug rieselten langsam aus seinen Haaren auf den Boden, was ihn jedoch relativ wenig zu stören schien.
»Wie bist du hier reingekommen, Fremder? Und wer bist du, dass du denkst, du könntest derart unverschämt mit mir reden?«, polterte Tormod und brachte sich in seine Kampfposition. Er war anscheinend fest davon überzeugt, dass der große Adonis vor ihm eine Bedrohung darstellte und er nichts gutes mit mir vorhatte. Auf die Idee, dass er gekommen war um mich zu retten kam er nicht. Wahrscheinlich hatte der Aufenthalt in der Hölle einige seiner grauen Zellen beschädigt und er war jetzt etwas schwer von Begriff. Néamh schüttelte auf Tors Aussage hin nur lächelnd den Kopf, bedeutete mir zu ihm zu kommen und erwiderte dann ruhig: »Wer ich bin, würde ich auch gerne wissen. Ich hatte mir eigentlich erhofft, dass mir Lilith oder jemand anderes Hochrangiges in der Hölle bei der Suche nach der Antwort auf diese Frage helfen könnte. Ganz offensichtlich lag ich allerdings falsch... Oh, und ich bin keinesfalls hier, um dir deine ehemalige Ehefrau zu stehlen oder sonstiges, ich bin lediglich hier um sie abzuholen, der König verlangt nämlich nach ihr.«
Entgeistert starrte Tormod zuerst ihn, dann mich und schließlich Néamhs Arm an meiner Hüfte an, dann zeigte er zwischen uns hin und her und öffnete und schloss seinen Mund dabei, wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ein sehr lustiges Bild, dass sich mir da bot. Als er endlich seine Sprache wieder gefunden hatte und seinen Mund wieder zum Sprechen nutzte, konnte ich mein Lachen kaum mehr zurückhalten. »Ihr... also... du? Und... er... und... was?«, brachte er schließlich stotternd heraus. Ich wollte gerade zu einer Verneinung ansetzen, da fiel mir Néamh ins Wort, verstärkte den Griff um meine Hüfte und erklärte mit fester Stimme: »Natürlich. Was hast du denn gedacht? Dass deine Ehefrau dich aus Spaß am Leben umbringt und dann nie wieder einen anderen Mann anschaut? Weit gefehlt. Diese hübsche Wildkatze hier ist mein- und ich werde vor nichts und niemandem Halt machen um sie zu behalten. Wenn du also ein Problem damit haben solltest dann klären wir das wie echte Männer: mit einem Faustkampf.« Dann ließ er seine gewaltigen Muskeln spielen und grinste Tormod siegessicher an. Was zur Hölle sollte das denn bitte? War Néamh jetzt von allen guten Geistern verlassen so einen Blödsinn zu behaupten? Ich war doch kein beschissener Gegenstand, er konnte doch nicht einfach behaupten ich wäre sein. Und was zur Hölle war passiert, dass er dermaßen an Muskelmasse zugelegt hatte? Ich war höchstens ein paar Stunden hier und er wirkte, als hätte er monatelang täglich trainiert. Ich überlegte, ob ich etwas sagen sollte, um die Situation zu entschärfen, da ich keine Lust darauf hatte einen der beiden auf dem Boden zu sehen- außer ich war verantwortlich dafür. Bei Néamh hätte ich eigentlich keine großen Einwände gehabt, wenn er unter mir lag... und gegen Tormod zu kämpfen war schon immer Traum meiner schlaflosen Nächte gewesen, aber dass die beiden jetzt meinten sich hier einen Kampf liefern zu müssen war doch etwas übertrieben.
»Was haltet ihr Streithähne eigentlich davon, wenn hier kein Kampf stattfindet und wir mir die Entscheidung lassen, mit wem ich gerne gehen möchte? Und Néamh, ich denke wir zwei müssen später noch ein ernstes Wörtchen reden«, erhob ich nun die Stimme und bereute es sofort wieder, als ich die bösen Blicke von beiden Seiten bemerkte. Die zwei waren geradezu versessen darauf, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen und ich bezweifelte dass man sie irgendwie von ihrem Faustkampf abhalten könnte, also trat ich resigniert einige Schritte zurück und bedeutete Ihnen mit einer Handbewegung zu tun, was immer sie tun mussten... oder wollten, es zwang sie schließlich niemand dazu dem jeweils anderen eine zu verpassen.
Wie hungrige Tiger begannen die beiden sich nun zu umkreisen darauf wartend, dass einer den ersten Schritt machte und den Kampf mit einem Angriff startete. Man konnte ihre Köpfe förmlich rauchen sehen... sie musterten sich intensiv und schienen abwarten zu wollen dass der jeweils andere den ersten Schritt wagte. Ich kannte Tormods Techniken von früher gut genug um zu wissen, dass er seine Beherrschung verlieren und angreifen würde. Und als hätte er mitbekommen, dass ich eben erst noch überlegt hatte wann es so weit sein sollte, machte er einen Satz nach vorne und schlug zu. Ich gab einen überraschten Laut von mir, als seine Faust nicht- wie erwartet- auf Néamh traf, sondern ins Leere. Irgendwoher hatte der Hüne offenbar gewusst, wann und wie Tormod angreifen würde und war ihm ausgewichen. Er stand nun kaum ein paar Schritte von mir entfernt und lächelte grausam in seine Richtung. »Bringt man euch hier bei Hela kein Kämpfen bei, Kelte?«, spottete er, »Ich glaube meine Großmutter war in ihren letzten Wochen unter den Lebenden begabter und ihre Fäuste treffsicherer als die deinen. Was ist los, alter Mann?« Krampfhaft versuchte ich mir ein Grinsen zu verkneifen angesichts der Tatsache, dass Néamh plötzlich Humor und Begeisterung am Kampf zeigte. Man merkte deutlich, dass es nicht sein erster Kampf war und dass er durchaus einiges auf dem Kasten haben musste. Er wäre bestimmt ein hervorragender Krieger gewesen, hätte er zu meiner Zeit schon gelebt. Da stellte sich mir die Frage, wie alt er wohl war... in Menschenjahren gezählt konnte er nicht älter als Achtundzwanzig sein, doch ich wusste aus eigener Erfahrung, dass wir nicht genauso alterten, wie die normalsterbliche Bevölkerung dieser Erde. Kurz überlegte ich, die zwei in ihrem Kampf zu unterbrechen, um meine Frage zu stellen, beschloss dann aber, sie auf später zu verschieben und sah weiter dem Kampf zu. Die zwei waren jetzt zu einem lebhaften Faustkampf übergegangen und ich wartete gebannt darauf, dass das erste Blut floss.

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