A C H T

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Doch dann bemerkte ich, wie der Basilisk langsam den Kopf neigte und mich wütend anstarrte. Ich Strecke meine Hand aus, den Blickkontakt weiterhin aufrecht erhaltend, und schickte ein Stoßgebet an Taranis, den Himmelsgott, ehe ich meine Hand näher Richtung Basiliskenkopf bewegte- ich hatte eine heiden Angst, das Vieh würde mir meine Hand abkauen, doch versuchte es zu unterdrücken, da es Dinge wie Angstschweiß bestimmt riechen konnte. Wie ein lauernder Löwe kam der Basilik meiner Hand näher... und näher... bis ich dachte ich würde gleich gefressen werden, doch dann schmiegte er sich plötzlich an meine Hand. Es tat mir fast leid, als ich ein paar Schritte weiter vor ging und dem Ding meinen Dolch in die nun freigelegte Fläche am Bauch rammen musste. Es war eine winzige Stelle, nicht größer als mein Großer Zeh, und ich konnte die Haut dort wie Butter zerschneiden. Tief drang der Dolch in die Wunde ein und das letzte, was ich mitbekam, ehe es mir schwarz vor Augen wurde, war, wie sich der Basilisk mit einem Kreischen zuerst zurück in Melissa, dann wieder in seine Basiliskenform verwandelte und dann schließlich in sich zusammenfiel.

Das erste, was ich bemerkte, nachdem die Schwärze einem leichten Rottöne gewichen war, war Jazzmusik. Jazz aus dem frühen zwanzigsten Jahrhunderts- Luis Armstrong Jazz. Es war angenehm warm, es roch wie in einem Krankenhaus und hinter meinen geschlossenen Lidern konnte ich einen dunklen Schatten sehen, der sich über mich beugte und mir gerade etwas Heißes an die Lippen hielt. »Trink!«, befahl eine Stimme. Es war eine raue, seltsam verzerrte Stimme. Wie die eines Kindes, nur tiefer... seltsam. »Oh bei Velox, mach die verdammten Augen auf, Blaublüter, und trink, wenn du nicht sterben willst«, fauchte die Stimme, als ich das heiße Zeig nicht in meinen Mund ließ. Schnell öffnete ich die Augen und sah den Troll vor mir. Er hatte eine Hand in die Hüfte gestemmt, trug eine Schürze und etwas, das mich stark an ein Dienstmädchen-Kleid erinnerte und hielt mir einen riesigen Löffel mit einer goldenen Flüssigkeit entgegen. Stöhnend rieb ich mir den Schädel, als mich ein scharfer Schmerz durchzuckte und versuchte mich aufzusetzen. An der Wunde an meiner Hüfte klebte eine riesige Kompresse und die Wunde war scheinbar medizinisch versorgt worden, denn ich spürte das Gift nur noch als ein leises Pochen an der Einstichstelle. Beeindruckt sah ich den Troll an und versuchte mich zu bedanken, doch ich bekam nicht mehr als ein raues Krächzen heraus. »Ich sagte doch, trink! Ihr Adeligen seid immer so unfassbar stur, wie konntet ihr alle so lange überleben?«, schimpfte er vor sich hin und hielt mir den Löffel vor die Nase. Brav kippte ich mir die Flüssigkeit in den Rachen und sofort wurde mein Mund von einem unangenehmen Brennen erfüllt und mir wurde schrecklich warm. »Was zur Hölle war das?«, flüsterte ich, da ich meiner Stimme noch nicht ganz traute. Er grinste nur und murmelte etwas Unverständliches. »Seit wann haben Trolle eigentlich so gute medizinische Kenntnisse? Ich meine Sie haben mir ganz offensichtlich das Leben gerettet, das Gift aus der Wunde gekriegt und mich so gut wie komplett geheilt. Woher haben Sie das Wissen darüber?«, fragte ich weiter. Er stöhnte genervt auf und sah mich streng an. Dann antwortete er mir: »Ich habe viel von meinem Vorbesitzer gelernt und ich habe diese Wunde auch nicht alleine verarztet, sondern hatte Hilfe.« Ich stutzte. Er hatte Hilfe? Aber hier war weit und breit kein anderes Wesen....
»Er ist schon wieder gegangen. Sie können also aufhören nach ihm zu suchen- aber ich soll Ihnen ausrichten, dass das eine Lebensschuld ist die Sie ihm jetzt Schulden. Sie waren klinisch fast tot, als Sie hier angekommen sind«, erklärte er und schlurfte in seinem seltsamen Aufzug durch den Raum. »Ihre Sachen liegen auf dem Tisch neben dem Feldbett, die Tür ist hier und der Ausgang ist den Gang runter die dritte Tür«, brummte er und verschwand durch besagte Tür. War das eben eine Aufforderung zum Gehen gewesen? Oder wollte er mir nur klarmachen, dass wenn ich gehen wollte, ich doch bitte nicht in die anderen Räume schauen sollte? Vielleicht verbarg er ja etwas vor mir? Wobei die meisten Trolle kein eigenes Haus besitzen, sondern mit ihrem Besitzer in einem wohnten, um immer bereit stehen zu können, wenn man etwas brauchte. Ansich waren diese Geschöpfe ungemein nützlich, doch ich hielt nicht viel von Sklaverei und damit auch nichts davon einen Troll als unbezahltes Dienstmädchen zu halten- selbst wenn ich das Geld hätte um mir auf dem Markt einen zu kaufen, würde ich es nicht tun, sondern ihn freilassen. Das Ding war nur, dass ich mir niemals einen Troll leisten können würde. Ich hatte zwar über die Jahrtausende einen Haufen Geld gemacht und massenweise Investierungen gemacht, aber einen Troll könnte ich mir dennoch nicht leisten. Immer noch grübelnd streckte ich mich und fischte mein Handy aus der Jackentasche der Lederjacke, die- wie der Troll es gesagt hatte- auf dem Tisch neben dem Bett lag und wollte Coinìn anrufen, als mir auffiel, dass ich ja eigentlich beim arbeiten sein sollte und der Auftrag ausgeführt war. Also rief ich diese eine Nummer an und berichtete der rasselnden Stimme von der Beendigung des Auftrags und von der Lebensschuld, die wohl jemand anderes übernehmen musste, da Jäger (und besonders unsterbliche komische Jäger wie ich) keine Lebensschuld bei jemandem haben durften. Ich hatte keine Ahnung wieso das war, aber es war schon lange so geregelt...
»Ich hoffe sehr für Sie, dass Sie sich schon auf dem Weg zu ihrem Appartment befinden, Miss. Verweilen sie nicht zu lange dort, man könnte ihren Geruch aufnehmen.«, rasselte die Stimme und beendete seine Ansprache- wie so oft- mit einem ekelerregenden Husten, dass klang, als wäre er erkältet und würde Schleim husten, der in seinen Rächen gelangen war. Ich fragte dennoch nicht nach seinem Gesundheitszustand, sondern sagte ihm, dass ich hier so bald wie möglich verschwinden würde und dass ich ihm für den Austausch der Lebensschuld dankte. Ich legte auf und sah auf die Uhr- Mittag. Ich lehnte mich zum kleinen Tisch neben dem Bett, auf dem auch mein Handy gelegen hatte, und sammelte die restlichen dort liegenden Sachen auf, während ich immer noch mit dem Kopf nach unten vom Bett hing. Es fehlte nicht ein einziges Stück, alles war noch da. Die Lederjacke mit der innen selbst eingearbeiteten Tasche für ein Butterfly, die Walther, die zwei Dolche und das Springmesser, dass sorgfältig mitsamt dem Gurt neben meinen Schuhen auf dem Boden lag. Ausserdem lag neben all meinen Sachen noch eine kleine Flasche mit einem weißen Klebezettel auf dem Tisch. Eine violette Flüssigkeit schwappte darin herum, es war seltsam, denn die Flüssigkeit schien wirklich in Bewegung zu sein, obwohl sie still auf dem Tisch stand. "Drink me, if you're injured", stand in geschwungenen kleinen Buchstaben auf dem Sticker und darunter etwas kleiner ein Wappen. Wenn ich ganz genau hinsah, bildete ich mir ein, es sei hellblau und darauf war eine Art Himmel abgebildet mit irgendeinem fliegenden Wesen. Seltsam. Ich steckte das Fläschchen trotz allem ein und verließ den Raum. Der hinter der Tür liegende Flur war mit prächtigen Teppichen auf dem Boden und teuer aussehenden Kronleuchtern bestückt und besaß unzählige andere Türen. Ich ging den Gang also hinunter- wie der Troll es beschrieben hatte- und öffnete die dritte Tür. Greller Sonnenschein ließ mich benommen mit den Augen blinzeln, ehe ich das Gebäude verließ und den mit weißen Steinchen gekiesten Weg zur Straße hinunter lief. An der Straße hatte anscheinend jemand mein Auto geparkt. Dachte ich. Bis ich die Duftwolke bemerkte, die man beim Näherkommen förmlich sehen konnte. Eindeutig- der Latino hatte mein Auto kurzgeschlossen und war hierher gefahren. Was ein Idiot- woher wusste er überhaupt dass er hierher musste? Ich klopfte an das Fenster der Fahrerseite: »Castor? Verpiss dich aus meinem Auto!« Er reagierte erstaunlich schnell- leider zu schnell, denn er ließ den Joint, den er bis eben noch geraucht hatte einfach fallen und so landete er im Fußraum meines Babys... Wieso tat er mir und meinem Allerheiligsten nur solche Qualen an? Ich sollte ihn foltern. Vorsichtig öffnete der Latino die Tür und stieg mit eingezogenem Kopf aus, den Joint wieder in der Hand. Schuldbewusst sah er mich an und versuchte sich zu rechtfertigen: »Du bist nicht zum Termin mit Melissa gekommen, also bin ich zu ihr gelaufen und hab das Blut und den Kadaver im Vorraum der Villa gesehen, dann hab ich wohl überreagiert, dein Auto kurzgeschlossen und dein Handy geortet.« Jetzt musste ich doch grinsen- er hatte sich Sorgen gemacht. »Na los, auf den Beifahrersitz mit dir, du kleinkriminelles Crybaby«, fuhr ich ihn gespielt streng an und stieg selbst auf der Fahrerseite ein. Liebevoll streichelte ich das Lenkrad und als ich dann den Motor startete schlich sich ein breites Grinsen auf mein Gesicht. Ich liebte dieses Auto.
Fragend sah Castor mich an, als wir geparkt hatten. Wir standen vor einem knapp fünf Stockwerke hohen Gebäude, dass direkt neben einem Pub gebaut war- wir waren zuhause. Es war gerade mal halb vier, doch wir beschlossen jetzt etwas trinken zu gehen. Ich bestand vorher noch darauf einmal zu duschen und mir etwas anderes anzuziehen- und ich rief Coinìn an, damit ich ihm von meinem Tag erzählen könnte, da er durch unser Band sicher gespürt hatte, dass heute kein normaler Arbeitstag als Undercover-Managerin war. Das Tuten ertönte knappe zwei Mal, ehe er mir aufgebracht ein: »Alles okay bei dir?«, entgegen schleuderte. Ich grinste in mich hinein. »Ja, alles in Ordnung. Kommst du zum Pub? Ich möchte dir meinen Neuling vorstellen. Dann kannst du auch gleich alles war du noch wissen willst fragen. Aber nur um das schonmal klarzustellen- ich bin unverletzt«, antwortete ich ihm und legte auf.
»zwei doppelte Scotch und irgendein Lady-Getränk für den jungen Mann hier, bitte«, bat ich kurz darauf die Barmaid. Kurz sah ich nochmal auf mein Handy, dann stellte mir Rae meine Drinks hin und ich reichte das Glas Rosé an Castor weiter. Fragend musterte er das Getränk und fragte argwöhnisch: »Was ist das?« Ich grinste. »Ein Rosé. Das ist Wein, mein Lieber.« Er warf mir einen bösen Blick zu, trank dann jedoch trotzdem aus dem Glas, während ich an meinem Whiskey nippte und immer wieder zur Tür schielte. »Suchst du nach jemandem, mi princessa?«, fragte mich eine raue Stimme neben meinem Ohr plötzlich und ich spürte, wie sich zwei starke Arme von hinten um meine Taille schlangen. »Coinìn«, hauchte ich erleichtert und fiel dem Werwolf um den Hals. Ich hatte keine Ahnung wieso ich plötzlich so emotional war, doch mir fiel ein Stein vom Herzen als ich ihn sah. Vielleicht weil ich seine Sorgen mehr als deutlich gespürt hatte und mir dadurch automatisch auch Sorgen gemacht hatte- wie stark war dieses Band nun eigentlich? Am Ende spürte er, wenn ich Sex hatte oder so... was bei mir ja wohl seltener vorkam als bei ihm, aber dennoch. Nur weil ich mich wegen meinem Job nicht wirklich auf mein Sexleben konzentrieren konnte, hieß das nicht gleich, dass es nicht existierte. »Also, du wolltest mir jemanden vorstellen«, riss mich seine tiefe Stimme aus meinen Gedanken. Ich grinste und wand mich an den Latino, der mir einen verunsicherten Blick zuwarf. »Castor... das ist Coinìn. Coinìn, das ist Casor, mein selbst ernannter Lehrling, der sowohl ein Auto knacken kann, als auch ein Handy orten kann«, stellte ich die beiden vor. Coinìn musterte den Latino lange und ausgiebig, ehe er ihm die Hand reichte und ihm ein Lächeln schenkte, dass meinem Haifischlächeln direkt Konkurrenz machte, doch Castor hielt dem bohrenden Blick des Werwolfs stand und lächelte höflich. »Also... Castor. Was bist du?«, fragte das Vollmond-süchtige Fellknäul misstrauisch. Eine gute Frage eigentlich, die ich mir selbst bisher nicht gestellt hatte. Was für ein Wesen war Castor eigentlich? Ihm schien die Frage unangenehm zu sein, denn er druckste ziemlich herum, ehe er ein "nicht hier" nuschelte und sein Glas in einem Zug austrank. Irgendwie kam mir die Sache jetzt komisch vor, doch ich versuchte es zu ignorieren und in schottischem Whiskey zu ertränken und mich darauf zu konzentrieren, dass ich gerade dem Tod entronnen war. Einer der Nachteile übernatürlich zu sein war leider, dass man wirklich viel Alkohol vertrug. Das ganze dürfte ich herausfinden, als ich in einem vorherigen Leben der Meinung war studieren zu müssen und bei jeder Studentenparty, egal wie viel ich trank, nicht betrunken war. Dennoch testete ich diese Grenzen gerne mal aus, nur um zu sehen, ob es sich mit dem neuen Leben vielleicht geändert hatte- hatte es allerdings noch nie. Ich hatte mittlerweile bestimmt fünf oder sechs Gläser Scotch getrunken und war auf dem Weg um mir ein neues zu holen, da die Kellnerin- ein Gestaltwandler, irgendein kleines Tier- sich nicht an unseren Tisch traute, aus Angst, Coinìn könnte ihren Geruch bei der nächsten Jagd wittern und sie fressen, wenn er wieder im Rausch des Vollmonds die Kontrolle verlor. Ich stand also an der Bar und wartete darauf, dass Rae zu mir kam und mir ein neues Glas hab, als ich eine Hand auf meinem Arm spürte. Ohne mich umzudrehen wusste ich, dass es weder Coinìn noch Castor war, sondern jemand mir völlig fremdes. Die Aura, die er ausstrahlte und die ihn umgehend als nicht-menschlich entlarvte, war ungewöhnlich stark. Ich konnte die Lust förmlich vor Macht flimmern sehen. Seine Hände waren kühl und fühlten sich sanft und weich an- sie erinnerten an eine sommerliche Brise. Komisch. »Ich denke Sie sollten kein weiteres Glas trinken. Auf dem Boden von diesem Glas ist ein Parasit, der beim nächsten Auffüllen in Ihren Organismus kommen würde. Nicht dass sie etwas zu befürchten hätten, da sie einfach nach dem Tod wieder erwachen würden, aber dennoch wäre es überaus qualvoll für sie, auf diese Art und Weise zu sterben«, hörte ich eine Stimme. Es war eine tiefe, raue und unglaublich männliche Stimme, in der ein ziemlich autoritären Unterton mitschwang. Mir war, als könnte er mit dieser Stimme alles erreichen- ob Häuser einstürzen oder Frauen zum Schmelzen zu bringen, spielte keine Rolle. Seine Hand malte nun kleine Kreise auf meine und ich seufzte leise und wohlig auf, ehe ich mich umdrehte und den mysteriösen Sprecher mit den schönen Händen ansehen konnte. Er war groß- wirklich groß- und an ihm schien jeder Muskel klar definiert zu sein, ich bildete mir sogar ein, die einzelnen Muskelstränge sehen zu können, wenn ich genau genug hinsah. Sein gesamtes Äußeres war mehr als nur männlich: von den markanten Kieferknochen über die breiten Schultern und den ganz offensichtlich gut trainieren Oberkörper, bis hin zu den langen Beinen. Offenbar bemerkte er, wie offen ich ihn anstarrte, er lächelte amüsiert und offenbarte dabei zwei Reihen strahlend weißer Zähne. »Wer sind Sie?«, platzte es aus mir heraus und sein Lächeln wurde noch breiter. »Ich bin derjenige, der Sie behandelt hat, nachdem Eyvin sie zu mir gebracht hatte. Sie hatten eine ziemlich tiefe Wunde an ihrer Hüfte, offenbar von diesem Basilisken, dessen Gift zu der Zeit schon fast ihr Herz erreicht hatte- es grenzt fast an ein Wunder, dass sie all das so gut überstanden haben und es Ihnen jetzt schon so gut geht. Dennoch sollten sie es nicht übertreiben... sie sind zur Zeit noch sehr verletzlich«, und mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand. Es war, als würde er mit jedem Schritt einfach mehr und mehr mit seiner Umwelt verschmelzen und irgendwann komplett darin aufgehen- was zur Hölle war er? Ich kannte kein Wesen, dass so eine mächtige Aura hatte, so viel Autorität ausstrahlte und gleichzeitig so nett sein konnte...

AìnfeanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt