F Ü N F Z E H N

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Es war halb sechs und ich saß auf dem Balkon im Regen- also unter der Überdachung, aber meine nackten Füße waren trotzdem nass und starr vor Kälte. In der einen Hand hielt ich eine große Tasse mit Kaffee, in der anderen eine Zigarette. Im Zimmer hinter mir schlief das Model von gestern noch und ich genoss die Stille der schottischen Highlands. Ich nahm einen letzten Zug von meiner Kippe, schnippte sie über das Geländer und verschwand aus dem Raum. Ich hoffte sehr, dass ich meinen eigenen Raum wiederfinden würde, ich bezweifelte nämlich sehr, dass Coinìn schon wach war. Meine Schuhe in der Hand lief ich also orientierungslos durch die Gänge des Schlosses und suchte einen Aufzug- vom Aufzug aus würde ich das Zimmer wiederfinden, da war ich mir sicher. »Wieso trägst du deine Schuhe?«, hörte ich plötzlich eine raue Männerstimme. »Wieso kümmerst du dich nicht um deinen Kram, Neàmh?«, antwortete ich ihm genervt. Als er meine vom Sex zerzausten Haare sah, huschte ein dunkler Schatten über seine schönen Augen und er wurde wütend. Plötzlich würde ich von ihm gegen die Wand gedrückt- ein schmerzhaftes Stöhnen entwich mir. »Du warst bei einem anderen Mann?«, sagte er mehr zu sich, als mich zu fragen. Wieso war er so anders? Der Neàmh, der bei mir zuhause aufgetaucht war, war so sanft und ruhig gewesen- etwas seltsam, aber ansich ein netter Kerl. Das hier... das war eine ganz andere Seite an ihm, die ich niemals erwartet hätte. Provokant drückte ich meinen Oberkörper ein Stück gegen ihn, kam seinem Gesicht so nah, dass unsere Lippen sich fast berührten und wisperte leise: »Du wärst wohl gerne an seiner Stelle gewesen, nicht wahr?« Erneut drückte er mich gegen die Wand, er tat mir weh, aber ich war so in meiner Rolle aufgegangen, dass ich den Schmerz kaum bemerkte. Ich liebte es Spielchen zu spielen, dadurch kam ich dazu jede Seite an mir mal raushängen zu lassen- die Schüchterne, die Dominante, die Wilde, die Käufliche oder auch die Mörderische Fean. Ich hatte vor knapp 20 Jahren kurz eine Affäre mit einer Ärztin gehabt, die fest davon überzeugt war, dass meine seltsame Art Spielchen zu spielen ein Indiz dafür wäre, dass ich multiple Persönlichkeitsstörungen hätte- Schwachsinn. »Hör auf so zu reden. Ich will nicht dass andere Männer dich berühren«, knurrte er. Die Wut in seinen Augen vermische sich mit einer gewissen Angst und ich wurde das Gefühl nicht los, dass der Gute nicht mehr wirklich Herr seiner Sinne war. Es war, als würde er das alles nicht sagen wollen und würde gleichzeitig durch irgendeine höhere Macht dazu gedrängt... er war verwirrt, das sah man ihm an, aber ich ließ mich nicht davon abschrecken und spielte weiter mit ihm. Es machte zu viel Spaß. Langsam strich ich über seinen Oberkörper und lehnte meinen Kopf neben seinem Ohr an seine Schulter. Ich hauchte einen federleichten Kuss auf seine Wange und raunte dann so sexy wie ich nur konnte: »Und wenn es du wärst, der mich berühren dürfte? Was würdest du dann tun? Würdest du mit mir dasselbe machen, wie er letzte Nacht?«
Er versteifte sich und schnappte nach Luft, als ich mit den Lippen über sein Ohr strich und weitere Küsse auf seinem Hals verteilte. Er schob mich ein Stück von sich und knurrte wütend. »Lass das, Saorla. Hör auf so zu reden, das gehört sich nicht«, keuchte er wütend aber sichtlich angetan von meinen Liebkosungen. Ich brachte ihn um den Verstand und es gefiel mir. Ich suhlte mich förmlich in seinem Verlangen nach mir. Immer wieder faszinierte es mich aufs Neue, wie wenig es brauchte, um jemanden so außer Atem zu bringen. »Es ist unanständig so zu reden? Aber gerade darin liegt doch der Spaß...«, höhnte ich grinsend. »Spaß?«, fragte er atemlos und zog mich näher an sich heran, »Du willst also Spaß haben?« Er lächelte nun kalt und legte seine Hand um meinen Hals- er drückte nicht zu, er wartete nur meine Reaktion ab. Ich lächelte nur anzüglich und versuchte mich wieder näher an ihn zu drücken. Ruckartig riss er mich von der Wand weg, schmiss mich wie einen nassen Sack über seine Schulter und lief mit mir in den Aufzug ein paar Meter weiter. Entsetzt quietschte ich zuerst auf, beruhigte mich dann aber und begann es zu genießen- er war so anders, als die anderen... er bot mir Paroli, wenn ich mit ihm spielen wollte, aber gab sich mir trotzdem hin. Der Aufzug war eng und ich zappelte ungeduldig herum, als Neàmh nichts mehr tat. »Lässt du mich herunter? Es ist eng hier drin«, beschwerte ich mich. Anstatt einer Antwort schlug er mir auf meinen vom Kleid kaum bedeckten Hintern, ehe er mich dann doch herunter ließ. Aber nur um mich dann mit dem Rücken zu ihm gehen die Wand zu drängen und mir ins Ohr zu raunen, dass er mich jetzt, wäre ich keine Lady, sofort auf sein Zimmer schleppen und nehmen würde. »...und ich wette, das wäre tausendfach besser, als dieser andere Mann. Man sollte ihn aus dem Hause werfen, er ist kein Gentleman. Ein Gentleman sorgt dafür, dass seine Liebhaberin nach dem Sex nicht einfach verschwindet und dass sie mehr will...«, knurrte er noch und biss mir spielerisch in den entblößten Hals. Was immer seinen plötzlichen Sinneswandel und seine Dominanz ausgelöst hatte, es gefiel mir sehr sehr gut. Und aus diesem Grund drehte ich mich auch herum und zog den verdutzten Neàmh an mich und küsste ihn. Einfach so. Wider Erwarten war es kein wilder und harter Kuss, wie der vom Unterwäschemodel letzte Nacht, sondern ein leidenschaftlicher und gieriger Kuss, der meine Beine zittern ließ. Atemlos löste ich mich von ihm und hauchte: »Zeig mir was für ein Gentleman du sein kannst, Neàmh.« Und wir küssten uns wieder. Seine eine Hand hatte er an meinen Hals gelegt und presste mich damit gegen sich, während er mit der anderen unentwegt über meinen Körper strich. Ich stand in Flammen.
Plötzlich löste Neàmh sich und verließ den Aufzug- einfach so. "Ich habe da etwas gehört und muss dem ganzen auf den Grund gehen, wir sehen uns heute Abend und ich zeig dir was ein Gentleman ist", hatte er gesagt, ehe er einfach an mir vorbei gerauscht war.

AìnfeanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt