No. 10

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''Geh einfach!'' hatte ich voller Wut geschrien. Die Tränen liefen ohne Unterbrechung meine Wangen herunter. Mein Mund war trocken und mein ganzer Körper zitterte. Noch nie war ich so sauer auf Nia wie heute. Noch nie so Enttäuscht. Jahrelang waren wir glücklich miteinander. Niemals gab es ein Anzeichen darauf dass seine Gefühle zurück gingen. Niemals gab es auch nur den leisesten Verdacht darauf dass wir uns trennen würden. Bis heute. Ich war nichtsahnend in unsere Wohnung gekommen, in welche wir erst vor einem Jahr gezogen waren und wollte Nia überraschen, dass ich schon eher von meiner Reise zurück kam. Ich betrat die Wohnung. In einer Hand die Rosen, welche ich ihm mitgebracht hatte und in der anderen meinen Koffer. In meinen Ohren hatte ich noch Kopfhörer und hörte den Song 'Happier' von Ed Sheeran. Wie passend, wenn man im Nachhinein über die Situation nachdenkt. Ich stellte den Koffer neben die Tür und nahm meine Kopfhörer aus den Ohren, nachdem ich die Musik ausgestellt hatte. Mit einem Lächeln auf den Lippen, welches mir in wenigen Sekunden vergehen würde, öffnete ich die Tür zu unserem Schlafzimmer und sah das, wovor ich immer Angst gehabt hatte. Ich sah ihn und eine Frau. Er hatte seine Arme um ihre Hüfte gelegt und war eben in einen innigen Kuss mit ihr vertieft. ''Bitte was geht hier ab??'' schrie ich. Vollkommen erschrocken löste Nia den Kuss mit der Unbekannten und sah mich geschockt an. ''Was...machst du denn hier? Du solltest doch erst morgen wieder kommen??'' gab er von sich und merkte sofort, dass es die Situation kein bisschen besser machte. Wut machte sich in mir breit und verdrängte beinahe die unendliche Traurigkeit und Hilflosigkeit. ''Wie kannst du mir nur so was antun??'' meinte ich nun ganz ruhig während mein ganzer Körper zitterte und ich drohte zu Boden zu fallen. Das Mädchen welches vollkommen verwirrt und überrascht auf unserem Bett saß stand nun auf und verschwand mit einem ''Ich sollte gehen'' aus der Wohnung. Mit dem Schließen der Wohnungstür konnte ich die Tränen, welche sich in meinen Augen angesammelt hatten nicht mehr aufhalten. Ich begann zu weinen und torkelte in das Wohnzimmer um mich auf unser Sofa zu setzen und wieder Gleichgewicht zu bekommen. Nia folgte mir selbstverständlich, schwieg jedoch weiterhin. ''Wie lange geht das schon?'' gab ich schluchzend von mir. ''Das..Da geht nichts.. Nur heute da.. Da ist halt das passiert.. '' gab Nia nur als Antwort. Ich konnte hören, dass es ihm leid tat, doch wie sollte ich ihm verzeihen? Er hatte meine Abwesenheit komplett ausgenutzt. Wer weiß was er alles mit ihr getan hätte wenn ich nicht heim gekommen wäre. ''Toni es tut mir so leid... Ich wollte das gar nicht.. Es ist einfach so passiert, weißt du?'' meinte Nia nun. ''Einfach so passiert??'' sagte ich und stand auf. ''Einfach so passiert??? Wie einfach so passiert?? Bist du gestolpert und deine Lippen sind ganz aus Versehen auf ihren gelandet? Oder wie darf ich das verstehen?'' schrie ich nun schon fast und merkte, wie mir schon wieder schwarz vor Augen wurde. Nia aber sah nur voller Schuldgefühl zur Seite und hielt die Tränen zurück. Er hatte keine Antwort. Wie konnte ich auch ernsthaft glauben dass er eine Antwort darauf hätte? Ich spürte ein tiefes Stechen in meiner Brust und mein Kopf tat so weh dass ich das Gefühl hatte er würde jede Sekunde explodieren. Mir war so schwindelig. So übel. Aber vor allem war mir kalt. Ganz offensichtlich hatte Nia mitbekommen wie schwindelig mir war und wie schwer es für mich war momentan gerade zu stehen, denn er griff mit den Worten ''Hey Toni? Alles okay?'' nach meinem Arm. Doch ich wich zurück und gab ein kaputtes aber energisches ''Fass mich nicht an..'' von mir. Dass ich jemals diesen Satz an Nia richten würde hätte ich niemals gedacht. Nia hatte sich entschuldigt. Immer und immer wieder. Wenn er nur gewusst hätte, dass jede seiner Entschuldigungen die Sache schlimmer gemacht hatte. Schließlich gab er ein ''Toni du weißt ich liebe dich.. sag mir was ich tun kann...'' von sich, worauf ich mit einem wütenden und lauten ''Geh einfach!'' geantwortet hatte. Plötzlich wurde es ganz ruhig im Raum. Ich hielt den Atem an, ebenso wie er. Alles was man hörte war das ticken der Uhr welche über mir an der Wand hing. Die wenigen Sekunden, in denen mich Nia verletzt angesehen hatte fühlten sich an wie eine Ewigkeit welche niemals vergehen wollte. Langsam stand er auf. Ich sah ihm an wie kaputt er war und wie sehr es ihm weh tat, was ich eben gesagt hatte. Auch ich stand nun wieder auf und sah ihn an. Obwohl er mir so weh getan hatte tat er mir nun so leid. Ich wollte nicht dass er geht. Doch ich konnte es ihm nicht sagen. Ich hatte keine Stimme. Bevor er ging drehte er sich zu mir und gab mir einen Kuss auf die Stirn. ''Es tut mir leid, Toni.. Ich liebe dich..Bis bald'' meinte er und ging. Er ging einfach. Und plötzlich konnte ich nicht mehr atmen. Ich stand in der dunklen Wohnung, direkt vor der geschlossenen Wohnungstür und brach zusammen. Ich konnte nicht mehr. Ich fühlte mich so kaputt und einsam. So innerlich zerstört. Ich weinte. So sehr. So lange. Ich weinte bis ich meine Augen nicht mehr offen halten konnte. Ich hatte mich auf dem Boden vor meiner Wohnungstür in den Schlaf geweint. 

Next Day

Ich öffnete langsam meine Augen, welche vom Weinen noch immer weh taten, doch ich lag nicht mehr auf dem Boden wo ich gestern eingeschlafen war. Ich lag zugedeckt in dem Bett, in welchem sonst Nia neben mir lag. Doch da lag er nicht. Stattdessen fand ich einen Zettel vor, auf welchem folgendes stand:'Toni, ich weiß du willst das nicht immer wieder hören, aber es tut mir unendlich leid. Ich habe dich angelogen. Ich hatte schon länger etwas mit ihr. Ich wollte das nicht mal wirklich.Als ich die Wut in deinen Augen gesehen habe, welche sonst immer so voller Freude waren, wusste ich, dass nichts mehr sein würde wie vorher. Daher habe ich entschlossen weg zu gehen. Du wirst merken, ich habe nur das wichtigste mitgenommen, aber ich glaube es wäre besser für dich, wenn du den Rest von meinem Kram nicht behalten würdest. Es würde dich nur kaputt machen. Ich will nicht gehen, aber ich habe den Eindruck es wäre das beste. Mal sehen wo mich die Straße so hintreibt. Ich werde dich auf ewig lieben.' Erneut spürte ich wie die Luft immer weniger wurde und wie sich meine Augen mit Tränen füllten. Er war weg. Und alles war meine Schuld. Ich hatte ihm gesagt er solle verschwinden. Und das tat er. Sofort griff ich mein Handy und rief ihn an, doch Nia ging nicht dran. Auch nach vier Versuchen nahm er nicht ab, weswegen ich ihm unzählige Nachrichten schickte. Doch ich wusste ich müsste nicht auf eine Antwort warten. Ich wusste ich würde keine bekommen. Plötzlich wurde mir bewusst, dass der letzte Sinn meines Lebens mich verlassen hatte. Der Mensch, für den ich immer wieder Heim kam. Der Mensch der mich täglich zum lachen brachte. Der Mensch, der es immer geschafft hatte mich aufzuheitern. Dieser Mensch war nun weg und mit ihm mein Lebenswille. Ich fühlte gar nichts mehr. Ich war so leer. Langsam stand ich auf und lief in unser Badezimmer. Nach etwas längerem Suchen fand ich das was ich gesucht hatte. Schlaftabletten. Komplett am Ende leerte ich die Verpackung auf meiner zitternden Hand aus und nahm anschließend eine Flasche Wasser in die Hand. Ich hätte niemals geglaubt dass ich in der Lage wäre Suizid zu begehen, doch plötzlich erschien es mir als so leicht. Erlösend. Ich nahm auf meinem Bett Platz und begann langsam sie einzunehmen. Tablette für Tablette. Mein ganzer Körper, welcher vor wenigen Sekunden noch so sehr gezittert hatte, wurde nun schwer aber ruhig. Ich legte mich hin und sah an die Decke. Immer wieder dachte ich daran, wie kaputt Nia aussah, als ich ihn das letzte mal gesehen hatte. Immer wieder spielte sich diese Szene in meinem Kopf ab. Immer wieder, bis ich meine Augen nicht mehr offen halten konnte. Mit einem letzen 'Nia ich liebe dich' schlief ich ein. Ganz friedlich lag ich da auf meinem Bett und mein Herzschlag wurde immer weniger, ehe er endgültig und vollkommen verstummte.


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