No.8

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Mit Tränen in den Augen und einem Schrei wachte ich auf. Es war mitten in der Nacht und ich hatte wieder schlecht geträumt. Normalerweise wäre Nia jetzt aufgewacht und hätte mich in den Arm genommen. Hätte meine Tränen, welche nun über meine Wangen rollten, weggewischt und hätte mir erzählt dass alle gut werden würde. Doch das tat er nicht. Genau genommen war er sogar der Grund für die Tränen. Es war heute genau ein Jahr vergangen, nachdem er mich verlassen hatte.Wir hatten differenzen gehabt und an diesem Tag brach ein Streit aus. Worum es ging habe ich vergessen. Oder verdrängt? Jedenfalls war er dann einfach raus gerannt. Ohne Schuhe. Ohne Jacke. Er lief einfach nach draußen. Selbstverständlich folgte ich ihm, doch ich konnte nichts tun. Er achtete nicht darauf wohin er lief, er wollte nur weg. Und dann passierte es. Es ging alles so schnell. Licht. Ein Auto. Und dann lag er da. Auf der Straße. Reglos. Das Auto blieb nicht stehen. Kein Fahrer stieg aus um zu helfen. Sofort rief ich einen Krankenwagen, durfte jedoch nicht mitfahren. Ich wurde Krank vor Sorge, weshalb ich auch sofort am tag darauf zu ihm fuhr. Ich werde niemals dieses beengende Gefühl vergessen als ich durch die kalten, weißen Gänge des Krankenhauses lief und in sein Zimmer abbog. Die ganzen Geräte gaben komische Geräusche von sich und dieser Anblick. Nia lag da. Seine Brust bewegte sich auf und ab, was mir zeigte, dass wenigstens noch ein wenig Leben in ihm steckte. Seine Augen waren geschlossen. War er eingeschlafen? Oder schlimmeres? Wochenlang kämpften wir um sein Leben, doch seine Verletzungen waren zu stark. Schließlich ging es nicht anders, er starb. Der Moment in dem sie die Geräte alle abstellten war unbeschreiblich schlimm. Er sah aus als würde er schlafen. Genau so wie einige Wochen zuvor, als ich ihn das erste mal hier besuchte. Nur diesmal war eines anders. Seine Brust war nun ganz still. Kein Zeichen von Leben. Wie auch? Stille hatte den Raum erfüllt und plötzlich vermisste ich die Geräusche der Maschinen. Langsam war ich zu Boden gesunken und hatte versucht normal zu atmen. Hatte versucht wieder aufzustehen. Doch ich konnte nicht. Unkontrolliert rollten unzählige Tränen meine Wangen herunter und fielen auf den Boden. Ich konnte kaum atmen oder reden. Vorsichtig stand ich nun auf, doch meine Beine waren wackelig. Es fiel mir so schwer stehen zu bleiben. Ich hatte mich zu Nia gelegt. Und dort verbrachte ich den restlichen Tag. Weinend. Voller Schmerz. Voller Schuldgefühl. Alles war meine Schuld. Seit diesem Tag konnte ich nicht normal weiter leben. Wie sollte ich auch dazu in der Lage sein? Ich hatte mich komplett zurück gezogen. Für besonders schlimme Tage hatte ich mir Fotoalben gemacht und diese legen neben meinem Bett. Heute war so ein Tag. Ich wusste es würde mir irgendwo nicht gut tun. Ich wusste mein Herz würde wieder schmerzen und er würde mir schwer fallen Luft zu bekommen, weil ich mich daran erinnerte dass es Nia war, welcher mir das atmen leichter gemacht hatte. Meine Augen würden sich wieder mit Tränen füllen und meine Hände würden zittern. Unabhängig davon wie warm es war, ich wusste mir würde eiskalt werden und mein Mund würde trocken werden. Doch ich wusste auch, dass mich die Erinnerung an Nia, in welcher ich immer versank, kurz zum lächeln bringen würde. Es war immer so. Immer ganz genau das gleiche. Doch die negativen Dinge daran waren mir egal. Anders war es mir nicht möglich sein wunderschönes Gesicht wieder zu sehen. Ich griff das erste Album und öffnete es. Irgendeine Seite. Sofort sah ich ein Bild von Nia, welches vor 3 Jahren entstanden war. Ein lächeln zierte seine hübschen Lippen und er hielt seine Gitarre in der Hand. Im Hintergrund sah man einen hellblauen Schmertterling. Ich erinnerte mich noch ganz genau an diesen Tag. Es war Frühling und wir hatten das Fenster geöffnet, weswegen angenehm kühle Luft in die Wohnung zog. Der Geruch von Blumen stieg in meine Nase und ich hatte die Klänge von Nias Gitarre und Stimme genossen. "Hey, Nia! Schau mal." Forderte ich ihn auf und deutete auf einen Schmetterling, welcher sich in die Wohnung verirrt hatte. Während Nia diesen Schmetterling betrachtete meinte er ganz ruhig zu mir "Weißt du? Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber ich bin immer davon überzeugt dass eben diese blauen Schmetterlinge die Seelen der Verstorbenen tragen." Die Augen des Blauhaarigen wanderten nun zu mir. "Faszinierend" antwortete ich grinsend, was auch ihn zum lächeln brachte. Diese Situation musste ich ausnutzen um ein Foto zu schießen. Eben das Foto, welches ich ansah. Eine Tränen fiel auf die Seite des Albums. Ich blätterte weiter und sah ein Bild von uns beiden. Unsere Finger griffen ineinander und ich hatte meinen Kopf an die Schulter des Größeren gelehnt. Wieder lächelten wir. Voller Glück standen wir da vor diesem Eiscafe, wo wir unser 1-jähriges gefeiert hatten. Ich ging das Album durch. Bild für Bild. Doch irgendwann hörte es einfach auf. Die Seiten die folgten waren leer. Keine Bilder von Nia. Einfach nichts. So viele leere Seiten welche ich hätte füllen können wenn ich vor einem Jahr nicht so ein Idiot gewesen wäre. Vorsichtig schloss ich das Album und legte es beiseite. Wieder begann ich zu weinen und die Luft wurde zu knapp. Mein Kopf tat so weh und ich musste das Fenster öffnen. Vermutlich hätte ich sonst gar nicht mehr atmen können. Ich setzte mich zurück auf das Bett, in welchem Nia normalerweise mit mir gelegen hätte und legte meine Hände auf mein Gesicht. Ich fühlte mich so leer. So kaputt. Nachdem ich eine gefühlte Ewigkeit alles raus gelassen hatte sah ich wieder auf. Ich wischte über meine Augen und atmete tief durch. Leise flüsterte ich ein kaputtes "Nia, ich liebe dich" vor mich hin, so als würde er mich hören. Was dann passierte machte mich sowohl glücklich, als auch unfassbar fertig. Ein blauer Schmetterling flog durch das offene Fenster  in mein Schlafzimmer und setzte sich direkt vor mir auf meine Decke. Sofort schossen Mr die Tränen in die Augen und ich dachte nur noch an einen Satz. Den Satz, welchen Nia damals vor drei Jahren zu mir gesagt hatte.. Den Satz bei dem ich mir nicht viel dachte. Doch jetzt bedeutete eben dieser Satz so viel für mich. Seit diesem Tag hielt ich immer Ausschau nach dem blauen Schmetterling, welcher mich bis zum Ende begleitet hatte. Dieser blaue Schmetterling, welche die Seele meines Verstorbenen Freundes trug. Die Seele der Liebe meines Lebens..

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