Kapitel 11 - Das Ertrinken und die Erinnerung

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Helens Sicht:

Mit einem tiefen Atemzug trat ich in den Raum der Wünsche ein. Suchend blickte ich um mich. Der Kessel, sowie der darin schwimmende Zaubertrank waren in einer Ecke eines Hügels voller Quidditchutensilien zu finden. Doch Draco Malfoy war nicht zu entdecken. Ich suchte ein wenig weiter und auf einmal sah ich eine Gestalt in meinem Augenwinkel einen Schrank zudecken. Fragend ging ich auf ihn zu. Es schien so, dass er mich noch nicht wahrgenommen hatte. Er wirkte äußerst angespannt, aber eine gewisse Konzentration in seinem Gesicht war nicht zu leugnen. Außerdem entging mir das kleine, zufriedene Schmunzeln nicht. Räuspernd wartete ich in sicherer Entfernung.

"Soll ich hier etwa ewig warten?", meinte ich ironisch.
In seiner Gegenwart fiel es mir seltsamerweise unglaublich leicht meine Gedanken ohne Befürchtungen oder Überarbeitungen meinerseits auszusprechen. Es war der schlichte Grund, dass er es nicht anders machte. Mir kam es immer so vor, als würde er es einfach sagen. Doch insgeheim wusste ich, dass er nur das Oberflächliche preisgab und nur wieder seine Maske aufsetzte.
Erschrocken wandte Draco Malfoy sich an mich. Mit weit aufgerissenen Augen stürmte er auf mich zu und riss mich mit. Sein Griff um mein Handgelenk war unangenehm schmerzhaft, als er mich zu unserem Trank zerrte ohne ein Wort zu sagen.
"Aua, ich kann selbst laufen, Malfoy...", zischte ich aufgewühlt über seine plötzliche Rücksichtslosigkeit.

Aber war er nicht die ganze Zeit so?
Er war nie anders gewesen, oder?
Eigentlich schon. Der Abend der Party war ein Wandel gewesen, für mich jedenfalls. Die ganze Zeit war er nicht von meiner Seite gewichen, doch er hatte zugegeben, dass er nur von Parkinson seine Ruhe haben wollte. Doch als ich gegen die Wand gekracht war, hatte sein Gesicht so besorgt und panisch ausgesehen und der Kuss hatte sich so echt angefühlt.

Frustriert seufzte ich.
„Wir sollten einfach weitermachen!", entgegnete er barsch und seinen Augen fixierten stur den Trank.
"Wie du meinst, du Geheimniskrämer!", erwiderte ich genervt.
Auf einmal riss er seine Augen los und starrte mich eindringlich an.
"Ich habe keine Geheimnisse, kapiert?!", fauchte Malfoy.
Ich verzog mein Gesicht zu einer Grimasse. "Wieso schnauzt du mich unentwegt an?", fragte ich geradeaus und mit ein klein wenig Enttäuschung in der Stimme, welche ich zu meiner Missgunst nicht verbergen konnte. Malfoy blickte mir in die Augen. Herausfordernd tat ich es ihm gleich und stemmte meine Hände in die Hüften. Ich erahnte ein Chaos in seinen Innerem. Das äußerst schöne Blau in seinen Augen war verschwunden und ein einziges, tristes Grau hing wie eine ewige Regenwolke über ihnen.
Seit wann waren seine Augen schön? Verdammt!
Das alles hier nahm ungeahnte Ausmaße an und ich sollte wenigstens dagegen ankämpfen, dass er zu oft in meinem Gedanken war. Doch er erwiderte wieder einmal nichts und fing stattdessen an die Eidechsenkrallen klein zu stapfen. Ich beschloss dasselbe zu machen und so vertrieb ich schon wieder meinem Samstag im Raum der Wünsche mit einem mich hassenden Mr Malfoy und einem höchst kompliziertem Zaubertrank.
Toll!

Der Zaubertrank war kniffelig, aber trotz allem schafften es wir ihn beinahe fertig zu stellen. Erleichtert fügte ich die beinahe letzte Zutat hinzu. Blauer Qualm stieg in die Luft. Gespannt atmete ich den Dampf ein und musste plötzlich würgen.
Panisch griff ich mir an den Hals.  Ich spürte Wasser in meine Lungen dringen. Eine eisige Kälte drang in meine Glieder ein. Hilfesuchend hielt ich irgendwie meine Augen offen.
Malfoy war nicht zu entdecken. Der Raum der Wünsche war ebenfalls verschwunden. Dunkelheit griff nach mir zog mich tiefer, Kälte umfing mich und Wasser drang in meine Lungen.
Ich ertrank. Ich strampelte um mich. Ich wollte auftauchen. Ich wollte leben, aber ich sank und sank tiefer...
Im nächsten Moment sah ich eine verschwimmende Gestalt vor mir. Hinter ihr zeichnete sich der Nachthimmel ab, eine Eule kreischte. Worte wurden gemurmelt, Finsternis umhüllte mich wiederum. Ich musste nichts sehen, denn das augenblickliche Gefühl betäubte meinen Verstand. Diesen gewaltigen Schmerz hatte ich noch nie in meinem Leben gespürt. Es fühlte sich wie zwei kollidierende Wirbelstürme an und dazwischen wurdest du auseinander gerissen. Danach wurde alles angenehmer und ein Gefühl wie reinwaschender Regen erfüllte mich.

Ruckartig schreckte ich hoch.

Zitternd wurde ich wieder der Herr über meine Sinne. Die Konturen des Raumes der Wünsche zeichneten sich vor meinen Augen ab. Ich lag verkrampft am Boden. Neben mir befand sich der Kessel mit dem Zaubertrank.
Was hatte er nur ausgelöst? Was war das alles gerade gewesen?
Panisch suchte ich Malfoy.

Wenn das hier ein kitschiger Muggelfilm wäre, wäre ich höchstwahrscheinlich in seinen Armen aufgewacht. Nun musste ich ihn stattdessen suchen.
Was hatte er erlebt?
Meine Füße trugen mich um eine Ecke. Am Boden kauernd und die Handflächen im Gesicht vergraben wirkte er so ganz anders. Kaputt so wie ich in diesen Erinnerungen.
Erinnerungen...
Ich sog scharf die Luft ein. Ein Schleier lichtete sich vor meinen Augen. Überrumpelt glitt ich zu Boden und sackte neben Malfoy in die Knie. Betreten starrte ich ihn an, während ich nachdachte. Langsam hob er seinen Kopf. Ruckartig wischte er sich etwas aus seinem Gesicht. Hatte er geweint?

"Was ist mit uns passiert, Helen?", murmelte er mit gebrochener Stimme.
Schluchzend schüttelte ich mit dem Kopf. Erst jetzt holten mich die Gefühle ein. Es war wieder einmal zu viel. Wir mussten zu viel ertragen. Wir?
Ich schätzte schon. Er war auch nicht besser dran. Wahrscheinlich ging es ihm noch schlimmer. Ich schloss meine Augen.

"Wir müssen diesen Trank fertig brauen...", flüsterte ich.
"Du willst mehr davon erleben?", fragte Malfoy ungläubig.
Ich nickte. Aufgewühlt fuhr sich Malfoy oder Draco, egal, durch die Haare.
"Du hast recht, Rainwood.Wir müssen..."

Unsere Blicke trafen sich und entschlossen schenkten wir uns ein Lächeln. Auf einmal erhob er sich wieder und reichte mir eine Hand. Dankend ergriff ich sie. Schweigend gingen wir wieder zu dem Kessel. Ohne ein weiteres Wort verstauten wir alles wieder und beschlossen uns nächste Woche wieder zu sehen, um alles zu beenden, um alles zu wissen, um sich zu erinnern...

"Ich habe dich nie richtig gehasst, weißt du.", murmelte überraschenderweise Draco auf einmal.
Meine Hand nahm ohne nachzudenken oder den Befehl von meinem Gehirn erhalten zu haben seine.
"Ich dich auch nicht...", lachte ich und ein kleiner farbenfroher Fleck ließ sich am Verlauf dieses angsteinflößenden bTages erahnen.

Aber war wirklich die Farbe wieder da oder war es nur die Ruhe vor dem Sturm?

Die Fehde zweier Seelen - Draco Malfoy Lovestory Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt